sie von ihrer Tante erhalten würde! Es werden viele gedankenlos um sie stehen, und sie wird umsonst die Augen suchen, an deren frommen Andacht sie sonst gewohnt war, die ihrigen zum Himmel zu erheben! Wird nun nicht die wich- tigste Angelegenheit ihres Lebens fast leichtfin- nig vollendet werden?
Die böse Nachricht, daß wir Dich nicht erwarten dürfen, betrübte uns alle, und wie sehr Juliane anfangs darüber trauerte, kannst Du wohl denken; bald wußte sie sich aber zu beruhigen, da wir ihr von Deiner eigentlichen Besorgniß nichts mittheilten, und sie so ge- wohnt ist, alles gut und recht zu finden, was von der Tante kömmt. Jetzt athmet ihre Brust wieder in ihrer natürlichen leichten Unbefangen- heit. Du nennst es gewiß nicht blinde mütter- liche Eitelkeit, wenn ich mich im Herzen freue, die Holdseligkeit des lieben Mädchens zu sehen, diese stolze zarte Schönheit, die aus ihrem Jnnern strahlend sie umgiebt. Ja Du Theure! Du würdest, wenn Du sie so vor Dir sähest, leuchtend und glühend im vollen Ausdruck ih-
ſie von ihrer Tante erhalten wuͤrde! Es werden viele gedankenlos um ſie ſtehen, und ſie wird umſonſt die Augen ſuchen, an deren frommen Andacht ſie ſonſt gewohnt war, die ihrigen zum Himmel zu erheben! Wird nun nicht die wich- tigſte Angelegenheit ihres Lebens faſt leichtfin- nig vollendet werden?
Die boͤſe Nachricht, daß wir Dich nicht erwarten duͤrfen, betruͤbte uns alle, und wie ſehr Juliane anfangs daruͤber trauerte, kannſt Du wohl denken; bald wußte ſie ſich aber zu beruhigen, da wir ihr von Deiner eigentlichen Beſorgniß nichts mittheilten, und ſie ſo ge- wohnt iſt, alles gut und recht zu finden, was von der Tante koͤmmt. Jetzt athmet ihre Bruſt wieder in ihrer natuͤrlichen leichten Unbefangen- heit. Du nennſt es gewiß nicht blinde muͤtter- liche Eitelkeit, wenn ich mich im Herzen freue, die Holdſeligkeit des lieben Maͤdchens zu ſehen, dieſe ſtolze zarte Schoͤnheit, die aus ihrem Jnnern ſtrahlend ſie umgiebt. Ja Du Theure! Du wuͤrdeſt, wenn Du ſie ſo vor Dir ſaͤheſt, leuchtend und gluͤhend im vollen Ausdruck ih-
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ſie von ihrer Tante erhalten wuͤrde! Es werden
viele gedankenlos um ſie ſtehen, und ſie wird
umſonſt die Augen ſuchen, an deren frommen
Andacht ſie ſonſt gewohnt war, die ihrigen zum
Himmel zu erheben! Wird nun nicht die wich-
tigſte Angelegenheit ihres Lebens faſt leichtfin-
nig vollendet werden?
Die boͤſe Nachricht, daß wir Dich nicht
erwarten duͤrfen, betruͤbte uns alle, und wie
ſehr Juliane anfangs daruͤber trauerte, kannſt
Du wohl denken; bald wußte ſie ſich aber zu
beruhigen, da wir ihr von Deiner eigentlichen
Beſorgniß nichts mittheilten, und ſie ſo ge-
wohnt iſt, alles gut und recht zu finden, was
von der Tante koͤmmt. Jetzt athmet ihre Bruſt
wieder in ihrer natuͤrlichen leichten Unbefangen-
heit. Du nennſt es gewiß nicht blinde muͤtter-
liche Eitelkeit, wenn ich mich im Herzen freue,
die Holdſeligkeit des lieben Maͤdchens zu ſehen,
dieſe ſtolze zarte Schoͤnheit, die aus ihrem
Jnnern ſtrahlend ſie umgiebt. Ja Du Theure!
Du wuͤrdeſt, wenn Du ſie ſo vor Dir ſaͤheſt,
leuchtend und gluͤhend im vollen Ausdruck ih-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/307>, abgerufen am 25.11.2024.
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