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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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res Glücks, Du würdest nicht länger unzufrie-
den seyn, daß ihr Vater eilt, sie mit dem Ge-
liebten zu vereinigen, daß sie trotz aller Deiner
Gründe so früh vermählt wird. -- Juliane
ist beynah noch Kind, sagst Du, vieles liegt
unentwickelt und tief verborgen in ihr, das
nicht geahndet wird, am wenigsten von ihr
selbst, sie fängt kaum an, sich selbst zu erken-
nen, sie wird aus einem Kinde zur Gattin,
und wird gewiß einst auf die übersprungene
Stufe ihres Lebens mit Wehmuth zurücksehen.
-- Das ist sehr wahr, Liebe; nicht weniger
aber ist es wahr, daß Juliane vielleicht ihre
Bestimmung ganz verfehlen möchte, wenn sie
den ersten vernehmlich ausgesprochnen Wunsch
ihres Herzens unterdrücken müßte. Du weißt,
wie sehr Juliane mir in vielen Stücken ähnlich
ist, da mein Gemüth von jeher in schwesterli-
cher Liebe vor Dir aufgeschlossen lag, so wie
auch das ihrige von der zartesten Kindheit an.
Du wirst es nicht vergessen haben, daß auch
die Mutter, wie jetzt die Tochter, sich nur spät
und langsam erkannte; wie nur ihre frühe

res Gluͤcks, Du wuͤrdeſt nicht laͤnger unzufrie-
den ſeyn, daß ihr Vater eilt, ſie mit dem Ge-
liebten zu vereinigen, daß ſie trotz aller Deiner
Gruͤnde ſo fruͤh vermaͤhlt wird. — Juliane
iſt beynah noch Kind, ſagſt Du, vieles liegt
unentwickelt und tief verborgen in ihr, das
nicht geahndet wird, am wenigſten von ihr
ſelbſt, ſie faͤngt kaum an, ſich ſelbſt zu erken-
nen, ſie wird aus einem Kinde zur Gattin,
und wird gewiß einſt auf die uͤberſprungene
Stufe ihres Lebens mit Wehmuth zuruͤckſehen.
— Das iſt ſehr wahr, Liebe; nicht weniger
aber iſt es wahr, daß Juliane vielleicht ihre
Beſtimmung ganz verfehlen moͤchte, wenn ſie
den erſten vernehmlich ausgeſprochnen Wunſch
ihres Herzens unterdruͤcken muͤßte. Du weißt,
wie ſehr Juliane mir in vielen Stuͤcken aͤhnlich
iſt, da mein Gemuͤth von jeher in ſchweſterli-
cher Liebe vor Dir aufgeſchloſſen lag, ſo wie
auch das ihrige von der zarteſten Kindheit an.
Du wirſt es nicht vergeſſen haben, daß auch
die Mutter, wie jetzt die Tochter, ſich nur ſpaͤt
und langſam erkannte; wie nur ihre fruͤhe

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[300/0308] res Gluͤcks, Du wuͤrdeſt nicht laͤnger unzufrie- den ſeyn, daß ihr Vater eilt, ſie mit dem Ge- liebten zu vereinigen, daß ſie trotz aller Deiner Gruͤnde ſo fruͤh vermaͤhlt wird. — Juliane iſt beynah noch Kind, ſagſt Du, vieles liegt unentwickelt und tief verborgen in ihr, das nicht geahndet wird, am wenigſten von ihr ſelbſt, ſie faͤngt kaum an, ſich ſelbſt zu erken- nen, ſie wird aus einem Kinde zur Gattin, und wird gewiß einſt auf die uͤberſprungene Stufe ihres Lebens mit Wehmuth zuruͤckſehen. — Das iſt ſehr wahr, Liebe; nicht weniger aber iſt es wahr, daß Juliane vielleicht ihre Beſtimmung ganz verfehlen moͤchte, wenn ſie den erſten vernehmlich ausgeſprochnen Wunſch ihres Herzens unterdruͤcken muͤßte. Du weißt, wie ſehr Juliane mir in vielen Stuͤcken aͤhnlich iſt, da mein Gemuͤth von jeher in ſchweſterli- cher Liebe vor Dir aufgeſchloſſen lag, ſo wie auch das ihrige von der zarteſten Kindheit an. Du wirſt es nicht vergeſſen haben, daß auch die Mutter, wie jetzt die Tochter, ſich nur ſpaͤt und langſam erkannte; wie nur ihre fruͤhe

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/308>, abgerufen am 25.11.2024.