Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Kammer, um Dir einige Worte zuzurufen:
ich will meinem Herzen diese Freude nicht versa-
gen, ich will zu Dir reden, will mir einbil-
den, Du säßest neben mir, und ich sähe es
dem lieben Gesicht an, wie Dein Herz die
Freuden des meinigen theilt.

Aber auch schelten muß ich mit Dir, Du
Uebervernünftige! Wie? Juliane wird zum
Altare geführt, und Du bist nicht bey ihr?
wie magst Du es nur verantworten? Du
weißt wohl, wie ich Dein Thun und Deinen
Wandel verehre; dennoch glaube ich nicht, daß
Du die Art und Weise von uns Weltkindern
so sichtbar verachten darfst: es ist wohl eben so
verdienstlich von mir, daß ich mich aus dem
Getümmel losreisse, um an Dich zu schreiben,
als daß Du das Haus der Fröhlichkeit nicht be-
suchen willst, um den armen kleinen Geschöpfen
Deiner Pflege unter Deinen Augen Hülfe und
Nahrung reichen zu lassen. Denkst Du nicht
daran, wie nothwendig Du auch hier bist?
Wer unter uns soll wohl Julianen das Beyspiel
der Sammlung und Frömmigkeit geben, das

Kammer, um Dir einige Worte zuzurufen:
ich will meinem Herzen dieſe Freude nicht verſa-
gen, ich will zu Dir reden, will mir einbil-
den, Du ſaͤßeſt neben mir, und ich ſaͤhe es
dem lieben Geſicht an, wie Dein Herz die
Freuden des meinigen theilt.

Aber auch ſchelten muß ich mit Dir, Du
Uebervernuͤnftige! Wie? Juliane wird zum
Altare gefuͤhrt, und Du biſt nicht bey ihr?
wie magſt Du es nur verantworten? Du
weißt wohl, wie ich Dein Thun und Deinen
Wandel verehre; dennoch glaube ich nicht, daß
Du die Art und Weiſe von uns Weltkindern
ſo ſichtbar verachten darfſt: es iſt wohl eben ſo
verdienſtlich von mir, daß ich mich aus dem
Getuͤmmel losreiſſe, um an Dich zu ſchreiben,
als daß Du das Haus der Froͤhlichkeit nicht be-
ſuchen willſt, um den armen kleinen Geſchoͤpfen
Deiner Pflege unter Deinen Augen Huͤlfe und
Nahrung reichen zu laſſen. Denkſt Du nicht
daran, wie nothwendig Du auch hier biſt?
Wer unter uns ſoll wohl Julianen das Beyſpiel
der Sammlung und Froͤmmigkeit geben, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0306" n="298"/>
Kammer, um Dir einige Worte zuzurufen:<lb/>
ich will meinem Herzen die&#x017F;e Freude nicht ver&#x017F;a-<lb/>
gen, ich will zu Dir reden, will mir einbil-<lb/>
den, Du &#x017F;a&#x0364;ße&#x017F;t neben mir, und ich &#x017F;a&#x0364;he es<lb/>
dem lieben Ge&#x017F;icht an, wie Dein Herz die<lb/>
Freuden des meinigen theilt.</p><lb/>
            <p>Aber auch &#x017F;chelten muß ich mit Dir, Du<lb/>
Uebervernu&#x0364;nftige! Wie? Juliane wird zum<lb/>
Altare gefu&#x0364;hrt, und Du bi&#x017F;t nicht bey ihr?<lb/>
wie mag&#x017F;t Du es nur verantworten? Du<lb/>
weißt wohl, wie ich Dein Thun und Deinen<lb/>
Wandel verehre; dennoch glaube ich nicht, daß<lb/>
Du die Art und Wei&#x017F;e von uns Weltkindern<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ichtbar verachten darf&#x017F;t: es i&#x017F;t wohl eben &#x017F;o<lb/>
verdien&#x017F;tlich von mir, daß ich mich aus dem<lb/>
Getu&#x0364;mmel losrei&#x017F;&#x017F;e, um an Dich zu &#x017F;chreiben,<lb/>
als daß Du das Haus der Fro&#x0364;hlichkeit nicht be-<lb/>
&#x017F;uchen will&#x017F;t, um den armen kleinen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen<lb/>
Deiner Pflege unter Deinen Augen Hu&#x0364;lfe und<lb/>
Nahrung reichen zu la&#x017F;&#x017F;en. Denk&#x017F;t Du nicht<lb/>
daran, wie nothwendig Du auch hier bi&#x017F;t?<lb/>
Wer unter uns &#x017F;oll wohl Julianen das Bey&#x017F;piel<lb/>
der Sammlung und Fro&#x0364;mmigkeit geben, das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0306] Kammer, um Dir einige Worte zuzurufen: ich will meinem Herzen dieſe Freude nicht verſa- gen, ich will zu Dir reden, will mir einbil- den, Du ſaͤßeſt neben mir, und ich ſaͤhe es dem lieben Geſicht an, wie Dein Herz die Freuden des meinigen theilt. Aber auch ſchelten muß ich mit Dir, Du Uebervernuͤnftige! Wie? Juliane wird zum Altare gefuͤhrt, und Du biſt nicht bey ihr? wie magſt Du es nur verantworten? Du weißt wohl, wie ich Dein Thun und Deinen Wandel verehre; dennoch glaube ich nicht, daß Du die Art und Weiſe von uns Weltkindern ſo ſichtbar verachten darfſt: es iſt wohl eben ſo verdienſtlich von mir, daß ich mich aus dem Getuͤmmel losreiſſe, um an Dich zu ſchreiben, als daß Du das Haus der Froͤhlichkeit nicht be- ſuchen willſt, um den armen kleinen Geſchoͤpfen Deiner Pflege unter Deinen Augen Huͤlfe und Nahrung reichen zu laſſen. Denkſt Du nicht daran, wie nothwendig Du auch hier biſt? Wer unter uns ſoll wohl Julianen das Beyſpiel der Sammlung und Froͤmmigkeit geben, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/306
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/306>, abgerufen am 24.11.2024.