Sie schon so früh vor? -- Die Gesellschaft trennte sich gestern sehr früh, wir blieben noch zusammen, ein Buch, das wir vor ei- nigen Tagen zu lesen angesangen hatten, zog uns so fort, daß wir nicht eher aufhören konnten, bis es geendigt war; es war nun nicht mehr Zeit sich niederzulegen, wir gin- gen hinaus, und erwarteten den Morgen. -- Seit einigen Tagen, fing der Graf wieder an, habe ich ein nachdenklicheres, trüberes We- sen an Eduard bemerkt, als ihm gewöhnlich ist. Hat er Jhnen etwa die Ursache ver- traut, Florentin? oder haben Sie sonst Ge- legenheit gehabt zu bemerken, was ihn drückt? Sie müssen uns kein Geheimniß daraus ma- chen, es ist vielleicht nicht unmöglich seinem Verdruß abzuhelfen, oder irgend einen ge- heimen Wunsch zu erfüllen. Warum ver- birgt er sich uns? -- Mir ist nichts be- kannt, Herr Graf, als was Sie selbst be- merkt haben, nehmlich daß er nicht so heiter als gewöhnlich ist. -- Haben Sie sonst kei- ne Vermuthung? -- Die steigende Unge-
Florentin I. 19
Sie ſchon ſo fruͤh vor? — Die Geſellſchaft trennte ſich geſtern ſehr fruͤh, wir blieben noch zuſammen, ein Buch, das wir vor ei- nigen Tagen zu leſen angeſangen hatten, zog uns ſo fort, daß wir nicht eher aufhoͤren konnten, bis es geendigt war; es war nun nicht mehr Zeit ſich niederzulegen, wir gin- gen hinaus, und erwarteten den Morgen. — Seit einigen Tagen, fing der Graf wieder an, habe ich ein nachdenklicheres, truͤberes We- ſen an Eduard bemerkt, als ihm gewoͤhnlich iſt. Hat er Jhnen etwa die Urſache ver- traut, Florentin? oder haben Sie ſonſt Ge- legenheit gehabt zu bemerken, was ihn druͤckt? Sie muͤſſen uns kein Geheimniß daraus ma- chen, es iſt vielleicht nicht unmoͤglich ſeinem Verdruß abzuhelfen, oder irgend einen ge- heimen Wunſch zu erfuͤllen. Warum ver- birgt er ſich uns? — Mir iſt nichts be- kannt, Herr Graf, als was Sie ſelbſt be- merkt haben, nehmlich daß er nicht ſo heiter als gewoͤhnlich iſt. — Haben Sie ſonſt kei- ne Vermuthung? — Die ſteigende Unge-
Florentin I. 19
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Sie ſchon ſo fruͤh vor? — Die Geſellſchaft
trennte ſich geſtern ſehr fruͤh, wir blieben
noch zuſammen, ein Buch, das wir vor ei-
nigen Tagen zu leſen angeſangen hatten, zog
uns ſo fort, daß wir nicht eher aufhoͤren
konnten, bis es geendigt war; es war nun
nicht mehr Zeit ſich niederzulegen, wir gin-
gen hinaus, und erwarteten den Morgen. —
Seit einigen Tagen, fing der Graf wieder an,
habe ich ein nachdenklicheres, truͤberes We-
ſen an Eduard bemerkt, als ihm gewoͤhnlich
iſt. Hat er Jhnen etwa die Urſache ver-
traut, Florentin? oder haben Sie ſonſt Ge-
legenheit gehabt zu bemerken, was ihn druͤckt?
Sie muͤſſen uns kein Geheimniß daraus ma-
chen, es iſt vielleicht nicht unmoͤglich ſeinem
Verdruß abzuhelfen, oder irgend einen ge-
heimen Wunſch zu erfuͤllen. Warum ver-
birgt er ſich uns? — Mir iſt nichts be-
kannt, Herr Graf, als was Sie ſelbſt be-
merkt haben, nehmlich daß er nicht ſo heiter
als gewoͤhnlich iſt. — Haben Sie ſonſt kei-
ne Vermuthung? — Die ſteigende Unge-
Florentin I. 19
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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