Julianen einen blühenden Myrthenkranz zu überreichen. Jetzt kamen auch einige Abge- ordnete aus Eduards und des Grafen nah lie- genden Gütern. Jeder Tisch war für einige Gäste mit berechnet, sie fanden also leicht einen Platz. Sie suchten sich sogleich ihre Ver- wandte oder Bekannte heraus, und wer keine zu finden hatte, wurde von allen eingeladen, er wählte selbst seinen Wirth; die freundlich- ste Hausfrau, das netteste, sittsamste Töch- terchen zählten die meisten Gäste, und ent- schieden die Wahl auf den ersten Blick. Der Graf hatte einige Söhne aus dem Dorfe un- ter seinem Regimente, diesen hatte er heim- lich Urlaub gesandt, nach ihrer Heimat zu- rück zu kehren und sich mit ihren Mädchen zu verbinden, die schon längst auf diese Er- laubniß geharrt hatten. Jetzt kamen die mun- tern Soldaten unvermuthet zwischen den Bäu- men hervor, und begrüßten die freudig er- schreckten Eltern und die erröthenden Bräute, die sich unter den versammelten Mädchen be- fanden, und welche heute ihre Aussteuer von
Julianen einen bluͤhenden Myrthenkranz zu uͤberreichen. Jetzt kamen auch einige Abge- ordnete aus Eduards und des Grafen nah lie- genden Guͤtern. Jeder Tiſch war fuͤr einige Gaͤſte mit berechnet, ſie fanden alſo leicht einen Platz. Sie ſuchten ſich ſogleich ihre Ver- wandte oder Bekannte heraus, und wer keine zu finden hatte, wurde von allen eingeladen, er waͤhlte ſelbſt ſeinen Wirth; die freundlich- ſte Hausfrau, das netteſte, ſittſamſte Toͤch- terchen zaͤhlten die meiſten Gaͤſte, und ent- ſchieden die Wahl auf den erſten Blick. Der Graf hatte einige Soͤhne aus dem Dorfe un- ter ſeinem Regimente, dieſen hatte er heim- lich Urlaub geſandt, nach ihrer Heimat zu- ruͤck zu kehren und ſich mit ihren Maͤdchen zu verbinden, die ſchon laͤngſt auf dieſe Er- laubniß geharrt hatten. Jetzt kamen die mun- tern Soldaten unvermuthet zwiſchen den Baͤu- men hervor, und begruͤßten die freudig er- ſchreckten Eltern und die erroͤthenden Braͤute, die ſich unter den verſammelten Maͤdchen be- fanden, und welche heute ihre Ausſteuer von
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Julianen einen bluͤhenden Myrthenkranz zu
uͤberreichen. Jetzt kamen auch einige Abge-
ordnete aus Eduards und des Grafen nah lie-
genden Guͤtern. Jeder Tiſch war fuͤr einige
Gaͤſte mit berechnet, ſie fanden alſo leicht einen
Platz. Sie ſuchten ſich ſogleich ihre Ver-
wandte oder Bekannte heraus, und wer keine
zu finden hatte, wurde von allen eingeladen,
er waͤhlte ſelbſt ſeinen Wirth; die freundlich-
ſte Hausfrau, das netteſte, ſittſamſte Toͤch-
terchen zaͤhlten die meiſten Gaͤſte, und ent-
ſchieden die Wahl auf den erſten Blick. Der
Graf hatte einige Soͤhne aus dem Dorfe un-
ter ſeinem Regimente, dieſen hatte er heim-
lich Urlaub geſandt, nach ihrer Heimat zu-
ruͤck zu kehren und ſich mit ihren Maͤdchen
zu verbinden, die ſchon laͤngſt auf dieſe Er-
laubniß geharrt hatten. Jetzt kamen die mun-
tern Soldaten unvermuthet zwiſchen den Baͤu-
men hervor, und begruͤßten die freudig er-
ſchreckten Eltern und die erroͤthenden Braͤute,
die ſich unter den verſammelten Maͤdchen be-
fanden, und welche heute ihre Ausſteuer von
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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