lassen, es ist mir in manchen Augenblicken ganz unmöglich zu denken, daß ich dich wie- der lassen soll! Jch bin sehr reich, ich weiß es, vielleicht ist es Unrecht, mehr zu verlangen, als ich besitze: aber ich bin in der Freundschaft unersättlich, und an dich fühle ich mich mit unnennbaren Banden geknüpft! -- Jch begrei- fe dein Gefühl, mein Freund! dies sey dir Bürge, daß ich dessen werth bin; du bist mir theurer, als ich es sagen kann. Daß du bey allen Gütern, die dir nie fehlten, selbst in dem Besitz der Geliebten noch Raum für Freund- schaft hast, und dir den Sinn dafür erhieltest, macht dich mir verwandt und ewig werth. Wie kann dich aber eine Trennung so wehmü- thig ergreifen, die doch eben durch keine beson- ders unglücklichen Umstände bezeichnet ist? Wie felten dürfen Freunde ihren Lauf bey einander beginnen und vollenden? Jst das Band, das Freunde verknüpft, durch die Trennung gelöst? Muß nicht, in der Welt zerstreut, von ihnen ausgeführt werden, was sie vereint beschlossen? O, daß ich Armer, Einsamer, dich reichbeglei-
laſſen, es iſt mir in manchen Augenblicken ganz unmoͤglich zu denken, daß ich dich wie- der laſſen ſoll! Jch bin ſehr reich, ich weiß es, vielleicht iſt es Unrecht, mehr zu verlangen, als ich beſitze: aber ich bin in der Freundſchaft unerſaͤttlich, und an dich fuͤhle ich mich mit unnennbaren Banden geknuͤpft! — Jch begrei- fe dein Gefuͤhl, mein Freund! dies ſey dir Buͤrge, daß ich deſſen werth bin; du biſt mir theurer, als ich es ſagen kann. Daß du bey allen Guͤtern, die dir nie fehlten, ſelbſt in dem Beſitz der Geliebten noch Raum fuͤr Freund- ſchaft haſt, und dir den Sinn dafuͤr erhielteſt, macht dich mir verwandt und ewig werth. Wie kann dich aber eine Trennung ſo wehmuͤ- thig ergreifen, die doch eben durch keine beſon- ders ungluͤcklichen Umſtaͤnde bezeichnet iſt? Wie felten duͤrfen Freunde ihren Lauf bey einander beginnen und vollenden? Jſt das Band, das Freunde verknuͤpft, durch die Trennung geloͤſt? Muß nicht, in der Welt zerſtreut, von ihnen ausgefuͤhrt werden, was ſie vereint beſchloſſen? O, daß ich Armer, Einſamer, dich reichbeglei-
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laſſen, es iſt mir in manchen Augenblicken
ganz unmoͤglich zu denken, daß ich dich wie-
der laſſen ſoll! Jch bin ſehr reich, ich weiß es,
vielleicht iſt es Unrecht, mehr zu verlangen,
als ich beſitze: aber ich bin in der Freundſchaft
unerſaͤttlich, und an dich fuͤhle ich mich mit
unnennbaren Banden geknuͤpft! — Jch begrei-
fe dein Gefuͤhl, mein Freund! dies ſey dir
Buͤrge, daß ich deſſen werth bin; du biſt mir
theurer, als ich es ſagen kann. Daß du bey
allen Guͤtern, die dir nie fehlten, ſelbſt in dem
Beſitz der Geliebten noch Raum fuͤr Freund-
ſchaft haſt, und dir den Sinn dafuͤr erhielteſt,
macht dich mir verwandt und ewig werth.
Wie kann dich aber eine Trennung ſo wehmuͤ-
thig ergreifen, die doch eben durch keine beſon-
ders ungluͤcklichen Umſtaͤnde bezeichnet iſt? Wie
felten duͤrfen Freunde ihren Lauf bey einander
beginnen und vollenden? Jſt das Band, das
Freunde verknuͤpft, durch die Trennung geloͤſt?
Muß nicht, in der Welt zerſtreut, von ihnen
ausgefuͤhrt werden, was ſie vereint beſchloſſen?
O, daß ich Armer, Einſamer, dich reichbeglei-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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