sich nichts reizenderes erdenken, als dieses kleine anmuthige Wesen. Meine größte Lust war es, sie zu schmücken, und sie jeden Tag in unserm Zirkel in immer neuem Kostume und unerwar- teten Abänderungen aufs kostbarste zu kleiden, darauf verwandte ich nicht eben den kleinsten Theil meiner Einkünfte. Jch mahlte sie unter jeder Gestalt, und in allen ersinnlichen Stel- lungen, als Göttin, als Heilige, als Prie- sterin, als Nymphe: diese Bilder sollen mir sehr gut gelungen seyn. Wir führten das ein- fachste und doch tollste Leben, das sich erden- ken läßt. Jch war der beste Ehemann von der Welt, und ließ mich von ihr beherrschen, so viel sie wußte und vermochte; sie lernte es im- mer besser. Je mehr sie ihre Gewalt über mich kennen lernte, desto impertinenter und launenhafter ward sie; da es mir aber damals auch gar nicht daran fehlte und ich, wenn es darauf ankam, zehnmal launenhafter und toll- köpfiger war als sie, so entstand nicht selten ein gar artiges Gepolter und Lärmen zwischen uns.
ſich nichts reizenderes erdenken, als dieſes kleine anmuthige Weſen. Meine groͤßte Luſt war es, ſie zu ſchmuͤcken, und ſie jeden Tag in unſerm Zirkel in immer neuem Koſtume und unerwar- teten Abaͤnderungen aufs koſtbarſte zu kleiden, darauf verwandte ich nicht eben den kleinſten Theil meiner Einkuͤnfte. Jch mahlte ſie unter jeder Geſtalt, und in allen erſinnlichen Stel- lungen, als Goͤttin, als Heilige, als Prie- ſterin, als Nymphe: dieſe Bilder ſollen mir ſehr gut gelungen ſeyn. Wir fuͤhrten das ein- fachſte und doch tollſte Leben, das ſich erden- ken laͤßt. Jch war der beſte Ehemann von der Welt, und ließ mich von ihr beherrſchen, ſo viel ſie wußte und vermochte; ſie lernte es im- mer beſſer. Je mehr ſie ihre Gewalt uͤber mich kennen lernte, deſto impertinenter und launenhafter ward ſie; da es mir aber damals auch gar nicht daran fehlte und ich, wenn es darauf ankam, zehnmal launenhafter und toll- koͤpfiger war als ſie, ſo entſtand nicht ſelten ein gar artiges Gepolter und Laͤrmen zwiſchen uns.
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ſich nichts reizenderes erdenken, als dieſes kleine
anmuthige Weſen. Meine groͤßte Luſt war es,
ſie zu ſchmuͤcken, und ſie jeden Tag in unſerm
Zirkel in immer neuem Koſtume und unerwar-
teten Abaͤnderungen aufs koſtbarſte zu kleiden,
darauf verwandte ich nicht eben den kleinſten
Theil meiner Einkuͤnfte. Jch mahlte ſie unter
jeder Geſtalt, und in allen erſinnlichen Stel-
lungen, als Goͤttin, als Heilige, als Prie-
ſterin, als Nymphe: dieſe Bilder ſollen mir
ſehr gut gelungen ſeyn. Wir fuͤhrten das ein-
fachſte und doch tollſte Leben, das ſich erden-
ken laͤßt. Jch war der beſte Ehemann von der
Welt, und ließ mich von ihr beherrſchen, ſo
viel ſie wußte und vermochte; ſie lernte es im-
mer beſſer. Je mehr ſie ihre Gewalt uͤber
mich kennen lernte, deſto impertinenter und
launenhafter ward ſie; da es mir aber damals
auch gar nicht daran fehlte und ich, wenn es
darauf ankam, zehnmal launenhafter und toll-
koͤpfiger war als ſie, ſo entſtand nicht ſelten
ein gar artiges Gepolter und Laͤrmen zwiſchen
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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