Jn unsern gewöhnlichen Abendzusammen- künften, die bey mir gehalten wurden, ward entweder über das Werk eines großen Meisters, das wir denselben Tag gesehen hatten, gespro- chen, oder es stellte einer unter uns, der eine Arbeit vollendet hatte, sie zur Beurtheilung auf, oder man las auch wohl einen alten Dich- ter laut vor. Mitten in den ernsthaftesten Beschäftigungen entstand dann nicht selten, zur großen Verwunderung aller Anwesenden, ein plötzlicher lauter Lärm und Zank zwischen mir und meiner Frau, wovon niemand den Grund errathen konnte. Gewöhnlich war es aber nichts anders, als daß sie mir, von den an- dern unbemerkt, ein Gesicht geschnitten, das mir, wie sie wohl wußte, verhaßt an ihr war; dieß beantwortete ich ihr dann mit einer imper- tinenten Gebehrde, die sie nicht leiden konnte, so ging es eine Zeitlang hin und her, ohne daß es die andern bemerkten, bis wir dann laut auf einander losfuhren. Natürlich endigte der Krieg eben so lustig, als er entstanden war. Unsre Haushaltung bestand aber herrlich, zur
Jn unſern gewoͤhnlichen Abendzuſammen- kuͤnften, die bey mir gehalten wurden, ward entweder uͤber das Werk eines großen Meiſters, das wir denſelben Tag geſehen hatten, geſpro- chen, oder es ſtellte einer unter uns, der eine Arbeit vollendet hatte, ſie zur Beurtheilung auf, oder man las auch wohl einen alten Dich- ter laut vor. Mitten in den ernſthafteſten Beſchaͤftigungen entſtand dann nicht ſelten, zur großen Verwunderung aller Anweſenden, ein ploͤtzlicher lauter Laͤrm und Zank zwiſchen mir und meiner Frau, wovon niemand den Grund errathen konnte. Gewoͤhnlich war es aber nichts anders, als daß ſie mir, von den an- dern unbemerkt, ein Geſicht geſchnitten, das mir, wie ſie wohl wußte, verhaßt an ihr war; dieß beantwortete ich ihr dann mit einer imper- tinenten Gebehrde, die ſie nicht leiden konnte, ſo ging es eine Zeitlang hin und her, ohne daß es die andern bemerkten, bis wir dann laut auf einander losfuhren. Natuͤrlich endigte der Krieg eben ſo luſtig, als er entſtanden war. Unſre Haushaltung beſtand aber herrlich, zur
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Jn unſern gewoͤhnlichen Abendzuſammen-
kuͤnften, die bey mir gehalten wurden, ward
entweder uͤber das Werk eines großen Meiſters,
das wir denſelben Tag geſehen hatten, geſpro-
chen, oder es ſtellte einer unter uns, der eine
Arbeit vollendet hatte, ſie zur Beurtheilung
auf, oder man las auch wohl einen alten Dich-
ter laut vor. Mitten in den ernſthafteſten
Beſchaͤftigungen entſtand dann nicht ſelten, zur
großen Verwunderung aller Anweſenden, ein
ploͤtzlicher lauter Laͤrm und Zank zwiſchen mir
und meiner Frau, wovon niemand den Grund
errathen konnte. Gewoͤhnlich war es aber
nichts anders, als daß ſie mir, von den an-
dern unbemerkt, ein Geſicht geſchnitten, das
mir, wie ſie wohl wußte, verhaßt an ihr war;
dieß beantwortete ich ihr dann mit einer imper-
tinenten Gebehrde, die ſie nicht leiden konnte,
ſo ging es eine Zeitlang hin und her, ohne daß
es die andern bemerkten, bis wir dann laut
auf einander losfuhren. Natuͤrlich endigte der
Krieg eben ſo luſtig, als er entſtanden war.
Unſre Haushaltung beſtand aber herrlich, zur
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/182>, abgerufen am 16.02.2025.
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