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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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du in deiner Unvernunft und demüthigen Ge-
nügsamkeit ein glückliches Thier bist." --

Er ließ den Kopf des Schimmels, und
stand gedankenvoll eine Weile an ihn gelehnt.
Sein Auge schweifte umher, bald beschaute
es die ihn noch umgebenden Gegenstände mit
dem innigsten Vergnügen, bald drang
es mit Sehnsucht in die Ferne. Es gab
für ihn Momente, wo er sich keines drü-
ckenden und keines vergangnen Verhältnis-
ses bewußt war. Jhm war, besonders in
der Einsamkeit und im Freyen, als hätte
er alles, was ihm jemals weh gethan, zu-
rückgelassen, und ginge nun einer heitern
Aussicht entgegen. Er konnte sich einbilden,
vor einem Augenblicke gestorben, und mit
dieser bessern Empfindung in ein schöneres.
Daseyn übergegangen zu seyn. --

"Welche sehnende, ahndende Hoffnung
treibt mich wieder zu euch Menschen? war-
um ergebe ich mich denn aufs neue euren
unsinnigen Anstalten? Jst es mir denn nicht
bekannt, daß ich dessen, was ich bey euch

du in deiner Unvernunft und demuͤthigen Ge-
nuͤgſamkeit ein gluͤckliches Thier biſt.‟ —

Er ließ den Kopf des Schimmels, und
ſtand gedankenvoll eine Weile an ihn gelehnt.
Sein Auge ſchweifte umher, bald beſchaute
es die ihn noch umgebenden Gegenſtaͤnde mit
dem innigſten Vergnuͤgen, bald drang
es mit Sehnſucht in die Ferne. Es gab
fuͤr ihn Momente, wo er ſich keines druͤ-
ckenden und keines vergangnen Verhaͤltniſ-
ſes bewußt war. Jhm war, beſonders in
der Einſamkeit und im Freyen, als haͤtte
er alles, was ihm jemals weh gethan, zu-
ruͤckgelaſſen, und ginge nun einer heitern
Ausſicht entgegen. Er konnte ſich einbilden,
vor einem Augenblicke geſtorben, und mit
dieſer beſſern Empfindung in ein ſchoͤneres.
Daſeyn uͤbergegangen zu ſeyn. —

„Welche ſehnende, ahndende Hoffnung
treibt mich wieder zu euch Menſchen? war-
um ergebe ich mich denn aufs neue euren
unſinnigen Anſtalten? Jſt es mir denn nicht
bekannt, daß ich deſſen, was ich bey euch

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[7/0015] du in deiner Unvernunft und demuͤthigen Ge- nuͤgſamkeit ein gluͤckliches Thier biſt.‟ — Er ließ den Kopf des Schimmels, und ſtand gedankenvoll eine Weile an ihn gelehnt. Sein Auge ſchweifte umher, bald beſchaute es die ihn noch umgebenden Gegenſtaͤnde mit dem innigſten Vergnuͤgen, bald drang es mit Sehnſucht in die Ferne. Es gab fuͤr ihn Momente, wo er ſich keines druͤ- ckenden und keines vergangnen Verhaͤltniſ- ſes bewußt war. Jhm war, beſonders in der Einſamkeit und im Freyen, als haͤtte er alles, was ihm jemals weh gethan, zu- ruͤckgelaſſen, und ginge nun einer heitern Ausſicht entgegen. Er konnte ſich einbilden, vor einem Augenblicke geſtorben, und mit dieſer beſſern Empfindung in ein ſchoͤneres. Daſeyn uͤbergegangen zu ſeyn. — „Welche ſehnende, ahndende Hoffnung treibt mich wieder zu euch Menſchen? war- um ergebe ich mich denn aufs neue euren unſinnigen Anſtalten? Jſt es mir denn nicht bekannt, daß ich deſſen, was ich bey euch

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/15>, abgerufen am 21.11.2024.