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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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roh; er hingegen sanft, liebend, von schöner
Gestalt, und edlem Gesicht, feinem Anstand,
tadellosen, wahrhaft altadelichen Sitten, stren-
gen Grundsätzen über die Ehre; und doch zog
uns diese Verschiedenheit vielmehr gegenseitig
an. Er konnte am ersten mich von irgend
einer Ausgelassenheit zurückführen, dagegen
konnte ich sicher auf ihn rechnen, wenn es
darauf ankam, irgend etwas rechtes auszufüh-
ren, oder wenn meine Ehre zu retten war.
Hatte ich zu irgend etwas mein Wort gegeben,
so half er es lösen, wenn auch mit Lebensge-
fahr. War es aber vollbracht, so mußte ich
oft die ernsthaftesten Verweise wegen meiner
Unbesonnenheit von ihm hören. Von nie-
mand hätte ich sie ertragen, als von dem, der
den Muth und die Liebe hatte, alles für mich
zu wagen. O du mein guter Genius, der du
meine Jugend, mein schönstes Daseyn schütz-
test, warum haben wir uns trennen müssen?
Seitdem, mein Manfredi, wandre ich einsam
und in der Jrre. -- Florentin sagte diese
letzten Worte mit einer vor Rührung erstickten

roh; er hingegen ſanft, liebend, von ſchoͤner
Geſtalt, und edlem Geſicht, feinem Anſtand,
tadelloſen, wahrhaft altadelichen Sitten, ſtren-
gen Grundſaͤtzen uͤber die Ehre; und doch zog
uns dieſe Verſchiedenheit vielmehr gegenſeitig
an. Er konnte am erſten mich von irgend
einer Ausgelaſſenheit zuruͤckfuͤhren, dagegen
konnte ich ſicher auf ihn rechnen, wenn es
darauf ankam, irgend etwas rechtes auszufuͤh-
ren, oder wenn meine Ehre zu retten war.
Hatte ich zu irgend etwas mein Wort gegeben,
ſo half er es loͤſen, wenn auch mit Lebensge-
fahr. War es aber vollbracht, ſo mußte ich
oft die ernſthafteſten Verweiſe wegen meiner
Unbeſonnenheit von ihm hoͤren. Von nie-
mand haͤtte ich ſie ertragen, als von dem, der
den Muth und die Liebe hatte, alles fuͤr mich
zu wagen. O du mein guter Genius, der du
meine Jugend, mein ſchoͤnſtes Daſeyn ſchuͤtz-
teſt, warum haben wir uns trennen muͤſſen?
Seitdem, mein Manfredi, wandre ich einſam
und in der Jrre. — Florentin ſagte dieſe
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[132/0140] roh; er hingegen ſanft, liebend, von ſchoͤner Geſtalt, und edlem Geſicht, feinem Anſtand, tadelloſen, wahrhaft altadelichen Sitten, ſtren- gen Grundſaͤtzen uͤber die Ehre; und doch zog uns dieſe Verſchiedenheit vielmehr gegenſeitig an. Er konnte am erſten mich von irgend einer Ausgelaſſenheit zuruͤckfuͤhren, dagegen konnte ich ſicher auf ihn rechnen, wenn es darauf ankam, irgend etwas rechtes auszufuͤh- ren, oder wenn meine Ehre zu retten war. Hatte ich zu irgend etwas mein Wort gegeben, ſo half er es loͤſen, wenn auch mit Lebensge- fahr. War es aber vollbracht, ſo mußte ich oft die ernſthafteſten Verweiſe wegen meiner Unbeſonnenheit von ihm hoͤren. Von nie- mand haͤtte ich ſie ertragen, als von dem, der den Muth und die Liebe hatte, alles fuͤr mich zu wagen. O du mein guter Genius, der du meine Jugend, mein ſchoͤnſtes Daſeyn ſchuͤtz- teſt, warum haben wir uns trennen muͤſſen? Seitdem, mein Manfredi, wandre ich einſam und in der Jrre. — Florentin ſagte dieſe letzten Worte mit einer vor Ruͤhrung erſtickten

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/140>, abgerufen am 28.11.2024.