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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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sand ich seinen Vater bey ihm, und er stellte
mich diesem so vor, daß ich merken konnte, er
hätte ihm von mir etwas gesagt. Jch war ängst-
lich, ich hatte noch immer eine gewisse Furcht vor
allen erwachsenen, älteren Leuten, als den Fein-
den der jungen. Der Marchese flößte mir aber
bald Zutrauen ein, er begegnete mir freundlich
und mit Schonung. Als ich einigen Muth ge-
faßt hatte, fragte er mich nach den genauern
Umständen meiner Geschichte, Manfredi hatte
ihm nur das allgemeine davon mitgetheilt. Jch
erzählte nun meine Lebensart, klagte über den
Zwang zu Studien, die mir Langeweile mach-
ten; daß ich zum Kloster bestimmt, aber ent-
schlossen wäre, mich bis in den Tod zu wider-
setzen; daß an dieser Härte und diesem Zwang
niemand Schuld wäre, als der mir satale Prior,
der Beichtvater meiner Mutter, dem sie nicht
allein das Heil ihrer Seele, sondern auch die
Führung aller weltlichen Dinge anvertraut hät-
te. Ja, rief ich mit dem größten Affekt, ich
will lieber den Tod als das Kloster! ich will
die abscheulichen Mönchskleider nicht länger tra-

ſand ich ſeinen Vater bey ihm, und er ſtellte
mich dieſem ſo vor, daß ich merken konnte, er
haͤtte ihm von mir etwas geſagt. Jch war aͤngſt-
lich, ich hatte noch immer eine gewiſſe Furcht vor
allen erwachſenen, aͤlteren Leuten, als den Fein-
den der jungen. Der Marcheſe floͤßte mir aber
bald Zutrauen ein, er begegnete mir freundlich
und mit Schonung. Als ich einigen Muth ge-
faßt hatte, fragte er mich nach den genauern
Umſtaͤnden meiner Geſchichte, Manfredi hatte
ihm nur das allgemeine davon mitgetheilt. Jch
erzaͤhlte nun meine Lebensart, klagte uͤber den
Zwang zu Studien, die mir Langeweile mach-
ten; daß ich zum Kloſter beſtimmt, aber ent-
ſchloſſen waͤre, mich bis in den Tod zu wider-
ſetzen; daß an dieſer Haͤrte und dieſem Zwang
niemand Schuld waͤre, als der mir ſatale Prior,
der Beichtvater meiner Mutter, dem ſie nicht
allein das Heil ihrer Seele, ſondern auch die
Fuͤhrung aller weltlichen Dinge anvertraut haͤt-
te. Ja, rief ich mit dem groͤßten Affekt, ich
will lieber den Tod als das Kloſter! ich will
die abſcheulichen Moͤnchskleider nicht laͤnger tra-

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[119/0127] ſand ich ſeinen Vater bey ihm, und er ſtellte mich dieſem ſo vor, daß ich merken konnte, er haͤtte ihm von mir etwas geſagt. Jch war aͤngſt- lich, ich hatte noch immer eine gewiſſe Furcht vor allen erwachſenen, aͤlteren Leuten, als den Fein- den der jungen. Der Marcheſe floͤßte mir aber bald Zutrauen ein, er begegnete mir freundlich und mit Schonung. Als ich einigen Muth ge- faßt hatte, fragte er mich nach den genauern Umſtaͤnden meiner Geſchichte, Manfredi hatte ihm nur das allgemeine davon mitgetheilt. Jch erzaͤhlte nun meine Lebensart, klagte uͤber den Zwang zu Studien, die mir Langeweile mach- ten; daß ich zum Kloſter beſtimmt, aber ent- ſchloſſen waͤre, mich bis in den Tod zu wider- ſetzen; daß an dieſer Haͤrte und dieſem Zwang niemand Schuld waͤre, als der mir ſatale Prior, der Beichtvater meiner Mutter, dem ſie nicht allein das Heil ihrer Seele, ſondern auch die Fuͤhrung aller weltlichen Dinge anvertraut haͤt- te. Ja, rief ich mit dem groͤßten Affekt, ich will lieber den Tod als das Kloſter! ich will die abſcheulichen Moͤnchskleider nicht laͤnger tra-

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/127>, abgerufen am 27.11.2024.