daß er mir alles aufs schönste und unter vie- len Schmeicheleyen vortrug, konnte doch nichts den Abscheu überwinden, den ich mit der größten Heftigkeit gegen Kloster und Mönche faßte.
Er war sonderbar, dieser Haß, denn ich kannte ja die Welt noch nicht, und wuß- te nichts von ihren Freuden. Aber es war mir immer, als spräche etwas in meinem Jnnern zu mir: es giebt noch viel schöne Dinge, aber weit von hier! Doch alles, was ich einwenden mochte, half nichts, woll: te ich diese vier Jahre noch im Hause mei- ner Mutter bleiben dürfen, so mußte ich mir alles gefallen lassen; und nun war es beschlossen, daß sowohl ich, als meine Schwester zum Kloster bestimmt wären, und daß wir, dieser Absicht gemäß, schon jetzt unsre Lebensart daran gewöhnen sollten.
Anfangs wurde ich und meine Schwester täg- lich zu meiner Mutter gefühnt, nach und nach wurden aber diese Befuche immer seltner, meine Schwester blieb meiner alten Wärterin
daß er mir alles aufs ſchoͤnſte und unter vie- len Schmeicheleyen vortrug, konnte doch nichts den Abſcheu uͤberwinden, den ich mit der groͤßten Heftigkeit gegen Kloſter und Moͤnche faßte.
Er war ſonderbar, dieſer Haß, denn ich kannte ja die Welt noch nicht, und wuß- te nichts von ihren Freuden. Aber es war mir immer, als ſpraͤche etwas in meinem Jnnern zu mir: es giebt noch viel ſchoͤne Dinge, aber weit von hier! Doch alles, was ich einwenden mochte, half nichts, woll: te ich dieſe vier Jahre noch im Hauſe mei- ner Mutter bleiben duͤrfen, ſo mußte ich mir alles gefallen laſſen; und nun war es beſchloſſen, daß ſowohl ich, als meine Schweſter zum Kloſter beſtimmt waͤren, und daß wir, dieſer Abſicht gemaͤß, ſchon jetzt unſre Lebensart daran gewoͤhnen ſollten.
Anfangs wurde ich und meine Schweſter taͤg- lich zu meiner Mutter gefuͤhnt, nach und nach wurden aber dieſe Befuche immer ſeltner, meine Schweſter blieb meiner alten Waͤrterin
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daß er mir alles aufs ſchoͤnſte und unter vie-
len Schmeicheleyen vortrug, konnte doch
nichts den Abſcheu uͤberwinden, den ich mit
der groͤßten Heftigkeit gegen Kloſter und
Moͤnche faßte.
Er war ſonderbar, dieſer Haß, denn
ich kannte ja die Welt noch nicht, und wuß-
te nichts von ihren Freuden. Aber es war
mir immer, als ſpraͤche etwas in meinem
Jnnern zu mir: es giebt noch viel ſchoͤne
Dinge, aber weit von hier! Doch alles,
was ich einwenden mochte, half nichts, woll:
te ich dieſe vier Jahre noch im Hauſe mei-
ner Mutter bleiben duͤrfen, ſo mußte ich
mir alles gefallen laſſen; und nun war es
beſchloſſen, daß ſowohl ich, als meine
Schweſter zum Kloſter beſtimmt waͤren, und
daß wir, dieſer Abſicht gemaͤß, ſchon jetzt
unſre Lebensart daran gewoͤhnen ſollten.
Anfangs wurde ich und meine Schweſter taͤg-
lich zu meiner Mutter gefuͤhnt, nach und nach
wurden aber dieſe Befuche immer ſeltner,
meine Schweſter blieb meiner alten Waͤrterin
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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