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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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das des meinigen, noch das meiner Geschwister, noch das mei-
ner Eltern ihrem nicht; und nur im festgestampften Alter,
habe ich mit der andern Jugend, Geburtstage kennen gelernt,
aber nie ihre Datums zu behalten, -- außer Goethens und
unserm König seines. -- Also Nachsicht und Verzeihung mit
der Altfränkischen! Sie werden doch gestehen, daß selbst noch
in Ihrer Jugend, weder Weihnachten noch andre Geburtstage
herrschten, wie sie es jetzt thun. Luftballons, Telegraphen,
Eisenbahnen, Gedanken-Perspektive werden noch kommen
(mit denen man Gedanken durch die Köpfe sieht), Wetter-
macher, und ganz neue, uns unbekannte Feste. Ich lade
Sie und mich schon jetzt darauf ein: denn an Sterben wird
nicht mehr zu denken sein: das ist eine inadvertance, und da-
gegen wird zuerst gewirkt werden. Aber plötzlich Adieu!
Heute ist ein Tag, wo Sie anderes und mehr zu thun haben,
als sich von mir umherführen zu lassen. Heil und Segen
zu dem Feste, und jeder Tag sei Ihnen und den Ihrigen eins!
Die alte Freundin Friederike Varnhagen.



Was man Leben nennt, und was es auch ist, heißt eigent-
lich nicht an seinen Anfang noch an sein Ende denken; dar-
über durch Sensationen und Geisteskombinationen zerstreut
sein. Kinder leben wirklich: oder Andre, die eben so das Le-
ben an sich vorbei gehen lassen können, -- nicht Eitle und
Prahler, die leben gar nicht, -- oder Solche, die ein festes
Bild für ein Leben nach dem Begraben haben; oder Solche,
die aufrichtig das Wunder des Daseins betrachten, dies ohne
vorgefaßte Meinung immer wieder von neuem studiren; und

noch

das des meinigen, noch das meiner Geſchwiſter, noch das mei-
ner Eltern ihrem nicht; und nur im feſtgeſtampften Alter,
habe ich mit der andern Jugend, Geburtstage kennen gelernt,
aber nie ihre Datums zu behalten, — außer Goethens und
unſerm König ſeines. — Alſo Nachſicht und Verzeihung mit
der Altfränkiſchen! Sie werden doch geſtehen, daß ſelbſt noch
in Ihrer Jugend, weder Weihnachten noch andre Geburtstage
herrſchten, wie ſie es jetzt thun. Luftballons, Telegraphen,
Eiſenbahnen, Gedanken-Perſpektive werden noch kommen
(mit denen man Gedanken durch die Köpfe ſieht), Wetter-
macher, und ganz neue, uns unbekannte Feſte. Ich lade
Sie und mich ſchon jetzt darauf ein: denn an Sterben wird
nicht mehr zu denken ſein: das iſt eine inadvertance, und da-
gegen wird zuerſt gewirkt werden. Aber plötzlich Adieu!
Heute iſt ein Tag, wo Sie anderes und mehr zu thun haben,
als ſich von mir umherführen zu laſſen. Heil und Segen
zu dem Feſte, und jeder Tag ſei Ihnen und den Ihrigen eins!
Die alte Freundin Friederike Varnhagen.



Was man Leben nennt, und was es auch iſt, heißt eigent-
lich nicht an ſeinen Anfang noch an ſein Ende denken; dar-
über durch Senſationen und Geiſteskombinationen zerſtreut
ſein. Kinder leben wirklich: oder Andre, die eben ſo das Le-
ben an ſich vorbei gehen laſſen können, — nicht Eitle und
Prahler, die leben gar nicht, — oder Solche, die ein feſtes
Bild für ein Leben nach dem Begraben haben; oder Solche,
die aufrichtig das Wunder des Daſeins betrachten, dies ohne
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[590/0598] das des meinigen, noch das meiner Geſchwiſter, noch das mei- ner Eltern ihrem nicht; und nur im feſtgeſtampften Alter, habe ich mit der andern Jugend, Geburtstage kennen gelernt, aber nie ihre Datums zu behalten, — außer Goethens und unſerm König ſeines. — Alſo Nachſicht und Verzeihung mit der Altfränkiſchen! Sie werden doch geſtehen, daß ſelbſt noch in Ihrer Jugend, weder Weihnachten noch andre Geburtstage herrſchten, wie ſie es jetzt thun. Luftballons, Telegraphen, Eiſenbahnen, Gedanken-Perſpektive werden noch kommen (mit denen man Gedanken durch die Köpfe ſieht), Wetter- macher, und ganz neue, uns unbekannte Feſte. Ich lade Sie und mich ſchon jetzt darauf ein: denn an Sterben wird nicht mehr zu denken ſein: das iſt eine inadvertance, und da- gegen wird zuerſt gewirkt werden. Aber plötzlich Adieu! Heute iſt ein Tag, wo Sie anderes und mehr zu thun haben, als ſich von mir umherführen zu laſſen. Heil und Segen zu dem Feſte, und jeder Tag ſei Ihnen und den Ihrigen eins! Die alte Freundin Friederike Varnhagen. Was man Leben nennt, und was es auch iſt, heißt eigent- lich nicht an ſeinen Anfang noch an ſein Ende denken; dar- über durch Senſationen und Geiſteskombinationen zerſtreut ſein. Kinder leben wirklich: oder Andre, die eben ſo das Le- ben an ſich vorbei gehen laſſen können, — nicht Eitle und Prahler, die leben gar nicht, — oder Solche, die ein feſtes Bild für ein Leben nach dem Begraben haben; oder Solche, die aufrichtig das Wunder des Daſeins betrachten, dies ohne vorgefaßte Meinung immer wieder von neuem ſtudiren; und noch

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/598>, abgerufen am 23.11.2024.