in der Hand. Es wird still. "Sehen Sie, meine Herren, ich habe Schuh; aber jetzt hab' ich sie erst bekommen, und nun kann ich sie nicht anziehen, sie sind zu eng!" Applaudirt. Das Stück geht an. Nun komme ich. "Ich habe fein Pa- pier, aber ich kann nicht darauf schreiben." Applaudiren Sie mich: ich habe die Schuh in der Hand: ich schicke Ihnen das feine Papier; hier ist's! Sur cela je vous dis le bon jour; je vous embrasse! Mit der alten Liebe!
Ihre treue alte Fr. V.
Milder als Mairegen sind Kinderküsse. Rosenduft, Nach- tigallton, Lerchenwirbel, -- Goethe hört's nicht mehr. Ein großer Zeuge fehlt. --
Sommer 1832.
An Karl Schall.
Donnerstag, den 7. Juni 1832.
Da unsre Urtheile über Kunstleistungen so oft übereinstim- men; und dem sittliche Motive und Einsichten immer zu Grunde liegen, so schicke ich Ihnen die zwei Hefte. Lesen Sie darin "aus den Denkblättern einer Berlinerin." Als Fouque dies Journälchen anfing, drang er sehr in V., ihm etwas dafür zu geben: der fragte mich, ob ich wohl diese Sprüche dazu benutzen lassen wollte: ich fand nichts dagegen; manches da- für. Sie werden sehn, in wie verschiedenen Zeiten sie aufge- zeichnet sind: dicke große Hefte existiren noch so, das Meiste
in der Hand. Es wird ſtill. „Sehen Sie, meine Herren, ich habe Schuh; aber jetzt hab’ ich ſie erſt bekommen, und nun kann ich ſie nicht anziehen, ſie ſind zu eng!“ Applaudirt. Das Stück geht an. Nun komme ich. „Ich habe fein Pa- pier, aber ich kann nicht darauf ſchreiben.“ Applaudiren Sie mich: ich habe die Schuh in der Hand: ich ſchicke Ihnen das feine Papier; hier iſt’s! Sur cela je vous dis le bon jour; je vous embrasse! Mit der alten Liebe!
Ihre treue alte Fr. V.
Milder als Mairegen ſind Kinderküſſe. Roſenduft, Nach- tigallton, Lerchenwirbel, — Goethe hört’s nicht mehr. Ein großer Zeuge fehlt. —
Sommer 1832.
An Karl Schall.
Donnerstag, den 7. Juni 1832.
Da unſre Urtheile über Kunſtleiſtungen ſo oft übereinſtim- men; und dem ſittliche Motive und Einſichten immer zu Grunde liegen, ſo ſchicke ich Ihnen die zwei Hefte. Leſen Sie darin „aus den Denkblättern einer Berlinerin.“ Als Fouqué dies Journälchen anfing, drang er ſehr in V., ihm etwas dafür zu geben: der fragte mich, ob ich wohl dieſe Sprüche dazu benutzen laſſen wollte: ich fand nichts dagegen; manches da- für. Sie werden ſehn, in wie verſchiedenen Zeiten ſie aufge- zeichnet ſind: dicke große Hefte exiſtiren noch ſo, das Meiſte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0581"n="573"/>
in der Hand. Es wird ſtill. „Sehen Sie, meine Herren, ich<lb/><hirendition="#g">habe</hi> Schuh; aber jetzt hab’ ich ſie erſt bekommen, und nun<lb/>
kann ich ſie nicht anziehen, ſie ſind zu eng!“ Applaudirt.<lb/>
Das Stück geht an. Nun komme ich. „Ich <hirendition="#g">habe</hi> fein Pa-<lb/>
pier, aber ich kann nicht darauf ſchreiben.“ Applaudiren Sie<lb/>
mich: ich habe die Schuh in der Hand: ich ſchicke Ihnen das<lb/>
feine Papier; hier iſt’s! <hirendition="#aq">Sur cela je vous dis le bon jour;<lb/>
je vous embrasse!</hi> Mit der alten Liebe!</p><closer><salute>Ihre treue alte<lb/><hirendition="#et">Fr. V.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Milder als Mairegen ſind Kinderküſſe. Roſenduft, Nach-<lb/>
tigallton, Lerchenwirbel, — Goethe hört’s nicht mehr. Ein<lb/>
großer Zeuge fehlt. —</p><lb/><dateline><hirendition="#et">Sommer 1832.</hi></dateline></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Karl Schall.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Donnerstag, den 7. Juni 1832.</hi></dateline><lb/><p>Da unſre Urtheile über Kunſtleiſtungen ſo oft übereinſtim-<lb/>
men; und dem ſittliche Motive und Einſichten immer zu Grunde<lb/>
liegen, ſo ſchicke ich Ihnen die zwei Hefte. Leſen Sie darin<lb/>„aus den Denkblättern einer Berlinerin.“ Als Fouqu<hirendition="#aq">é</hi> dies<lb/>
Journälchen anfing, drang er ſehr in V., ihm etwas dafür<lb/>
zu geben: der fragte mich, ob ich wohl dieſe Sprüche dazu<lb/>
benutzen laſſen wollte: ich fand nichts dagegen; manches da-<lb/>
für. Sie werden ſehn, in wie verſchiedenen Zeiten ſie aufge-<lb/>
zeichnet ſind: dicke große Hefte exiſtiren noch ſo, das Meiſte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[573/0581]
in der Hand. Es wird ſtill. „Sehen Sie, meine Herren, ich
habe Schuh; aber jetzt hab’ ich ſie erſt bekommen, und nun
kann ich ſie nicht anziehen, ſie ſind zu eng!“ Applaudirt.
Das Stück geht an. Nun komme ich. „Ich habe fein Pa-
pier, aber ich kann nicht darauf ſchreiben.“ Applaudiren Sie
mich: ich habe die Schuh in der Hand: ich ſchicke Ihnen das
feine Papier; hier iſt’s! Sur cela je vous dis le bon jour;
je vous embrasse! Mit der alten Liebe!
Ihre treue alte
Fr. V.
Milder als Mairegen ſind Kinderküſſe. Roſenduft, Nach-
tigallton, Lerchenwirbel, — Goethe hört’s nicht mehr. Ein
großer Zeuge fehlt. —
Sommer 1832.
An Karl Schall.
Donnerstag, den 7. Juni 1832.
Da unſre Urtheile über Kunſtleiſtungen ſo oft übereinſtim-
men; und dem ſittliche Motive und Einſichten immer zu Grunde
liegen, ſo ſchicke ich Ihnen die zwei Hefte. Leſen Sie darin
„aus den Denkblättern einer Berlinerin.“ Als Fouqué dies
Journälchen anfing, drang er ſehr in V., ihm etwas dafür
zu geben: der fragte mich, ob ich wohl dieſe Sprüche dazu
benutzen laſſen wollte: ich fand nichts dagegen; manches da-
für. Sie werden ſehn, in wie verſchiedenen Zeiten ſie aufge-
zeichnet ſind: dicke große Hefte exiſtiren noch ſo, das Meiſte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/581>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.