zurück. Welche lose, bequeme Erfindung: wie gar die Ver- hältnisse darin nicht auf dem Piedestal, woraus die Bürger- welt besteht, die wir Alle kennen, die uns Alle hemmt; in der, und auf der alles, was Weltleben ist, vorgehen muß (wenn es nicht leer und willkürlich erscheinen soll), und uns einzig zu Betrachtungen anreizt, die alle große Autoren uns zu ma- chen zwingen, weil sie sich wahren Boden nehmen; auf dem genug zu phantasiren ist; er selbst aber muß nicht phantasirt werden; außer ab sichtlich, etwa um uns ernst ein Vorbild zu zeigen, wie es zugehn sollte; oder uns lächlen zu lassen, oder uns zu empören; wie es zugeht. Hier konfundiren sich On- kel und Neffe, die in der ersten und zweiten Generation nicht aus dem Reisen, dem Mondschein, der Verhältnißlosigkeit, und dem Geldüberfluß kommen; und aus dem Raisonniren über Goethe, und dem unerfüllten Bestreben die Natur zu empfinden, und dem Leser dies mit Bröckelchen darzuthun, wovon nicht Eines die Macht hat, uns solchen herrlichen Gegenständen einen Moment näher zu bringen: diese Ohn- macht erinnert ihn wohl an Goethen! Stumm hätte ihn das kleinste Lied von dem angeführt machen sollen. Packt und schüttelt ihn denn solches gar nicht? Nur abführen thut es ihn? (Abführen, ist hier glücklich! -- in den schwachen Gedärmen.) -- Von der Liebe, und ihren Gegenständen den Mädchen, gar nicht zu sprechen! Und der arme Mondschein, der da Monate lang eingefangen ist; und der gar keinen Süchtigen schafft; nur Tieck einen Buchtitel gnädigst lie- fern muß. O! Lob' er nur Goethe nicht nachträglich; und dann novellire er so viel man ihn nur immer lesen mag! Die
zurück. Welche loſe, bequeme Erfindung: wie gar die Ver- hältniſſe darin nicht auf dem Piedeſtal, woraus die Bürger- welt beſteht, die wir Alle kennen, die uns Alle hemmt; in der, und auf der alles, was Weltleben iſt, vorgehen muß (wenn es nicht leer und willkürlich erſcheinen ſoll), und uns einzig zu Betrachtungen anreizt, die alle große Autoren uns zu ma- chen zwingen, weil ſie ſich wahren Boden nehmen; auf dem genug zu phantaſiren iſt; er ſelbſt aber muß nicht phantaſirt werden; außer ab ſichtlich, etwa um uns ernſt ein Vorbild zu zeigen, wie es zugehn ſollte; oder uns lächlen zu laſſen, oder uns zu empören; wie es zugeht. Hier konfundiren ſich On- kel und Neffe, die in der erſten und zweiten Generation nicht aus dem Reiſen, dem Mondſchein, der Verhältnißloſigkeit, und dem Geldüberfluß kommen; und aus dem Raiſonniren über Goethe, und dem unerfüllten Beſtreben die Natur zu empfinden, und dem Leſer dies mit Bröckelchen darzuthun, wovon nicht Eines die Macht hat, uns ſolchen herrlichen Gegenſtänden einen Moment näher zu bringen: dieſe Ohn- macht erinnert ihn wohl an Goethen! Stumm hätte ihn das kleinſte Lied von dem angeführt machen ſollen. Packt und ſchüttelt ihn denn ſolches gar nicht? Nur abführen thut es ihn? (Abführen, iſt hier glücklich! — in den ſchwachen Gedärmen.) — Von der Liebe, und ihren Gegenſtänden den Mädchen, gar nicht zu ſprechen! Und der arme Mondſchein, der da Monate lang eingefangen iſt; und der gar keinen Süchtigen ſchafft; nur Tieck einen Buchtitel gnädigſt lie- fern muß. O! Lob’ er nur Goethe nicht nachträglich; und dann novellire er ſo viel man ihn nur immer leſen mag! Die
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zurück. Welche loſe, bequeme Erfindung: wie gar die Ver-
hältniſſe darin nicht auf dem Piedeſtal, woraus die Bürger-
welt beſteht, die wir Alle kennen, die uns Alle hemmt; in der,
und auf der alles, was Weltleben iſt, vorgehen muß (wenn
es nicht leer und willkürlich erſcheinen ſoll), und uns einzig
zu Betrachtungen anreizt, die alle große Autoren uns zu ma-
chen zwingen, weil ſie ſich wahren Boden nehmen; auf dem
genug zu phantaſiren iſt; er ſelbſt aber muß nicht phantaſirt
werden; außer ab ſichtlich, etwa um uns ernſt ein Vorbild zu
zeigen, wie es zugehn ſollte; oder uns lächlen zu laſſen, oder
uns zu empören; wie es zugeht. Hier konfundiren ſich On-
kel und Neffe, die in der erſten und zweiten Generation nicht
aus dem Reiſen, dem Mondſchein, der Verhältnißloſigkeit,
und dem Geldüberfluß kommen; und aus dem Raiſonniren
über Goethe, und dem unerfüllten Beſtreben die Natur zu
empfinden, und dem Leſer dies mit Bröckelchen darzuthun,
wovon nicht Eines die Macht hat, uns ſolchen herrlichen
Gegenſtänden einen Moment näher zu bringen: dieſe Ohn-
macht erinnert ihn wohl an Goethen! Stumm hätte ihn das
kleinſte Lied von dem angeführt machen ſollen. Packt und
ſchüttelt ihn denn ſolches gar nicht? Nur abführen thut es
ihn? (Abführen, iſt hier glücklich! — in den ſchwachen
Gedärmen.) — Von der Liebe, und ihren Gegenſtänden den
Mädchen, gar nicht zu ſprechen! Und der arme Mondſchein,
der da Monate lang eingefangen iſt; und der gar keinen
Süchtigen ſchafft; nur Tieck einen Buchtitel gnädigſt lie-
fern muß. O! Lob’ er nur Goethe nicht nachträglich; und
dann novellire er ſo viel man ihn nur immer leſen mag! Die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/575>, abgerufen am 25.11.2024.
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