kleinen Schönheiten mag ich ihm nicht besonders nach- und anrechnen. Die hat er mit allen jetzt gemein: Einer so, der Andre anders: und bei ihm liegt so etwas noch beim Tint- faß umher.
Hier aber haben Sie Globes. Le pain quotidien, welches man haben muß. Sie werden durch meine Striche und Worte sehn, was ich für schön, schön gesagt, und wichtig finde; aber nicht, wie erschütternd, auch zerreißend, auch beglückend es auf mich wirkt: es trifft einen ganz lebendigen, geordneten Vor- rath in mir an. Ich litt nicht allein, aber mit allen Men- schen: und unendlich: vielleicht einzig. Jeden Menschen hat Gott zum Virtuosen bestimmt: ich habe -- ganz gewiß -- meine Kunst völlig geübt. Auch interessirt mich nichts ganz, als was die Erde für uns bessern kann: sie und unsre Hand- lungen darauf.
Heute bin ich gewiß zu Hause: morgen auch. Freitag im Königsstädter. Vertreten Sie mich bei Gräfin Y., der die Novelle gefällt!
Ich muß noch einen Globe endigen: bald sollen Sie ihn erhalten. Meine ganze Nahrung. Aber welchen Durst und Hunger hatte ich auch: und wußte genau, wer und was mir die Lebensmittel vorenthielt: aus bloßem Hunger; wie ich al- les erfahre. Aber Sie: strotzen von Undank, und bleiben weg. Nun will ich Einmal heute sehn! Emilie soll ich auch nicht sehn. Dabei lasse ich es nicht.
F. V.
kleinen Schönheiten mag ich ihm nicht beſonders nach- und anrechnen. Die hat er mit allen jetzt gemein: Einer ſo, der Andre anders: und bei ihm liegt ſo etwas noch beim Tint- faß umher.
Hier aber haben Sie Globes. Le pain quotidien, welches man haben muß. Sie werden durch meine Striche und Worte ſehn, was ich für ſchön, ſchön geſagt, und wichtig finde; aber nicht, wie erſchütternd, auch zerreißend, auch beglückend es auf mich wirkt: es trifft einen ganz lebendigen, geordneten Vor- rath in mir an. Ich litt nicht allein, aber mit allen Men- ſchen: und unendlich: vielleicht einzig. Jeden Menſchen hat Gott zum Virtuoſen beſtimmt: ich habe — ganz gewiß — meine Kunſt völlig geübt. Auch intereſſirt mich nichts ganz, als was die Erde für uns beſſern kann: ſie und unſre Hand- lungen darauf.
Heute bin ich gewiß zu Hauſe: morgen auch. Freitag im Königsſtädter. Vertreten Sie mich bei Gräfin Y., der die Novelle gefällt!
Ich muß noch einen Globe endigen: bald ſollen Sie ihn erhalten. Meine ganze Nahrung. Aber welchen Durſt und Hunger hatte ich auch: und wußte genau, wer und was mir die Lebensmittel vorenthielt: aus bloßem Hunger; wie ich al- les erfahre. Aber Sie: ſtrotzen von Undank, und bleiben weg. Nun will ich Einmal heute ſehn! Emilie ſoll ich auch nicht ſehn. Dabei laſſe ich es nicht.
F. V.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0576"n="568"/>
kleinen Schönheiten mag ich <hirendition="#g">ihm</hi> nicht beſonders nach- und<lb/>
anrechnen. Die hat er mit allen jetzt gemein: Einer ſo, der<lb/>
Andre anders: und bei ihm liegt ſo etwas noch beim Tint-<lb/>
faß umher.</p><lb/><p>Hier aber haben Sie <hirendition="#aq">Globes. Le pain quotidien,</hi> welches<lb/>
man haben muß. Sie werden durch meine Striche und Worte<lb/>ſehn, was ich für ſchön, ſchön geſagt, und wichtig finde; aber<lb/>
nicht, wie erſchütternd, auch zerreißend, auch beglückend es auf<lb/>
mich wirkt: es trifft einen ganz lebendigen, geordneten Vor-<lb/>
rath in mir an. Ich litt nicht allein, aber mit allen Men-<lb/>ſchen: und unendlich: vielleicht einzig. Jeden Menſchen hat<lb/>
Gott zum Virtuoſen beſtimmt: ich <hirendition="#g">habe</hi>— ganz gewiß —<lb/>
meine Kunſt völlig geübt. Auch intereſſirt mich nichts ganz,<lb/>
als was die <hirendition="#g">Erde</hi> für uns beſſern kann: ſie und unſre Hand-<lb/>
lungen darauf.</p><lb/><p>Heute bin ich gewiß zu Hauſe: morgen auch. Freitag<lb/>
im Königsſtädter. Vertreten Sie mich bei Gräfin Y., der die<lb/>
Novelle gefällt!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Ich muß noch einen <hirendition="#aq">Globe</hi> endigen: bald ſollen Sie ihn<lb/>
erhalten. Meine ganze Nahrung. Aber welchen Durſt und<lb/>
Hunger hatte ich auch: und wußte genau, wer und was mir<lb/>
die Lebensmittel vorenthielt: aus bloßem Hunger; wie ich al-<lb/>
les erfahre. Aber <hirendition="#g">Sie</hi>: ſtrotzen von Undank, und bleiben<lb/>
weg. Nun will ich Einmal heute ſehn! Emilie ſoll ich auch<lb/>
nicht ſehn. Dabei laſſe ich es nicht.</p><closer><salute><hirendition="#et">F. V.</hi></salute></closer></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[568/0576]
kleinen Schönheiten mag ich ihm nicht beſonders nach- und
anrechnen. Die hat er mit allen jetzt gemein: Einer ſo, der
Andre anders: und bei ihm liegt ſo etwas noch beim Tint-
faß umher.
Hier aber haben Sie Globes. Le pain quotidien, welches
man haben muß. Sie werden durch meine Striche und Worte
ſehn, was ich für ſchön, ſchön geſagt, und wichtig finde; aber
nicht, wie erſchütternd, auch zerreißend, auch beglückend es auf
mich wirkt: es trifft einen ganz lebendigen, geordneten Vor-
rath in mir an. Ich litt nicht allein, aber mit allen Men-
ſchen: und unendlich: vielleicht einzig. Jeden Menſchen hat
Gott zum Virtuoſen beſtimmt: ich habe — ganz gewiß —
meine Kunſt völlig geübt. Auch intereſſirt mich nichts ganz,
als was die Erde für uns beſſern kann: ſie und unſre Hand-
lungen darauf.
Heute bin ich gewiß zu Hauſe: morgen auch. Freitag
im Königsſtädter. Vertreten Sie mich bei Gräfin Y., der die
Novelle gefällt!
Ich muß noch einen Globe endigen: bald ſollen Sie ihn
erhalten. Meine ganze Nahrung. Aber welchen Durſt und
Hunger hatte ich auch: und wußte genau, wer und was mir
die Lebensmittel vorenthielt: aus bloßem Hunger; wie ich al-
les erfahre. Aber Sie: ſtrotzen von Undank, und bleiben
weg. Nun will ich Einmal heute ſehn! Emilie ſoll ich auch
nicht ſehn. Dabei laſſe ich es nicht.
F. V.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/576>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.