Nachträglich muß ich sagen: daß das ganze Wasser, Un- ter- und Ober-Wasser, auch krank ist: nicht die Luft allein: und viele wichtige Details habe ich Ihnen noch zu geben.
Wenn Sie diesen Abend, wo -- kein Einziger der Menschen, die gestern bei uns waren, kommen kann -- ein paar artige Damen kommen, mich besuchen wollen: so belohne ich sie mit italiänischer Bewirthung; und morgen, mit le- bendiger Kunst.
Ich bin der Einzige, außer den Saint-Simons, die Wort hält, und nicht lügt. Es ist nicht meine Schuld: es könnten's Alle auch so machen.
Fr. Varnhagen.
Heute Freitag den 20. Januar 1832. kam A. mit dem Globe vom 12. zu mir herein: "Sie müssen den Artikel sur les femmes lesen; über die Ehe ganz neue Gedanken: aber zuletzt ganz mystisch." -- Sagen Sie mir nur den Inhalt! -- "Es soll eine Ehe Statt haben; und bei der auch Freiheit. Man soll in und außer der Ehe leben können. Eine Muster- ehe soll existiren, die das durch die That beweist." -- Vorei- lig! schrie ich: ich verstehe das! Wie von einem kurzen Blitz war meine alte Gedankenmasse auf einen einzigen Augen- blick beleuchtet. -- "Lesen Sie nur; es ist ganz mystisch; wer weiß, was noch für Gedanken zur Weiterbildung dieser
An Leopold Ranke.
Mittwoch, den 18. Januar 1832.
Nachträglich muß ich ſagen: daß das ganze Waſſer, Un- ter- und Ober-Waſſer, auch krank iſt: nicht die Luft allein: und viele wichtige Details habe ich Ihnen noch zu geben.
Wenn Sie dieſen Abend, wo — kein Einziger der Menſchen, die geſtern bei uns waren, kommen kann — ein paar artige Damen kommen, mich beſuchen wollen: ſo belohne ich ſie mit italiäniſcher Bewirthung; und morgen, mit le- bendiger Kunſt.
Ich bin der Einzige, außer den Saint-Simons, die Wort hält, und nicht lügt. Es iſt nicht meine Schuld: es könnten’s Alle auch ſo machen.
Fr. Varnhagen.
Heute Freitag den 20. Januar 1832. kam A. mit dem Globe vom 12. zu mir herein: „Sie müſſen den Artikel sur les femmes leſen; über die Ehe ganz neue Gedanken: aber zuletzt ganz myſtiſch.“ — Sagen Sie mir nur den Inhalt! — „Es ſoll eine Ehe Statt haben; und bei der auch Freiheit. Man ſoll in und außer der Ehe leben können. Eine Muſter- ehe ſoll exiſtiren, die das durch die That beweiſt.“ — Vorei- lig! ſchrie ich: ich verſtehe das! Wie von einem kurzen Blitz war meine alte Gedankenmaſſe auf einen einzigen Augen- blick beleuchtet. — „Leſen Sie nur; es iſt ganz myſtiſch; wer weiß, was noch für Gedanken zur Weiterbildung dieſer
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An Leopold Ranke.
Mittwoch, den 18. Januar 1832.
Nachträglich muß ich ſagen: daß das ganze Waſſer, Un-
ter- und Ober-Waſſer, auch krank iſt: nicht die Luft allein:
und viele wichtige Details habe ich Ihnen noch zu geben.
Wenn Sie dieſen Abend, wo — kein Einziger der
Menſchen, die geſtern bei uns waren, kommen kann — ein
paar artige Damen kommen, mich beſuchen wollen: ſo belohne
ich ſie mit italiäniſcher Bewirthung; und morgen, mit le-
bendiger Kunſt.
Ich bin der Einzige, außer den Saint-Simons, die Wort
hält, und nicht lügt. Es iſt nicht meine Schuld: es könnten’s
Alle auch ſo machen.
Fr. Varnhagen.
Heute Freitag den 20. Januar 1832. kam A. mit dem
Globe vom 12. zu mir herein: „Sie müſſen den Artikel sur
les femmes leſen; über die Ehe ganz neue Gedanken: aber
zuletzt ganz myſtiſch.“ — Sagen Sie mir nur den Inhalt!
— „Es ſoll eine Ehe Statt haben; und bei der auch Freiheit.
Man ſoll in und außer der Ehe leben können. Eine Muſter-
ehe ſoll exiſtiren, die das durch die That beweiſt.“ — Vorei-
lig! ſchrie ich: ich verſtehe das! Wie von einem kurzen Blitz
war meine alte Gedankenmaſſe auf einen einzigen Augen-
blick beleuchtet. — „Leſen Sie nur; es iſt ganz myſtiſch;
wer weiß, was noch für Gedanken zur Weiterbildung dieſer
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/558>, abgerufen am 01.11.2024.
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