alles. Wen sie geliebt hatte, kam nie vor: überhaupt Ihr Name nicht. Aber seit vier Jahren weiß ich es: Frau von -- sagte es mir damals, ihre Intimste, noch von Stockholm her: Generalsfrauen, deutsche, aus einem Kreise. So geht das Lotterierad der Welt! -- Welche dumme Waisenkinder drehen uns scheinbar, wie die Papierrollen auch nur scheinbar gedreht werden! -- Die ist glücklos todt. Sie, geliebt, und lie- bend, von einer zwanzigjährigen Tanzgrazie, zum erstenmal ganz glücklich; endlich hochstehend genug, um frei, ihr leben zu können! Dies sage ich Ihnen, damit Sie sich auch den äußern Glücksfall ganz auf's Herz drücken! savourer. Haben Sie wohl solch Gedächtniß, daß Sie sich erinnern, wie vor vielen Jahren Sie mir Briefe von Fräulein J., die ich nicht kannte, zeigten? und die ich nicht so schön finden konnte, weil sie mir zu hergebracht und unwesentlich schienen? Es ist eine brave Frau geworden; die ich immer einen braven Mann nannte. Nicht, daß sie Männliches hatte, außer das Recht- schaffene, welches man von einem Mann fordert. Nun habe ich schon Brustschmerzen: thäten Sie das auch für mich? Viele Seiten liegen für Sie seit Fannychens Ankunft fertig; wollen Sie sie etwa, so vollende ich sie. Eins möchte ich wissen! Sie werden erstaunen: warum wird Prinz W.'s Polier so bei Ihnen befördert? Man ist doch sonst krumm, wenn man sich bückt; wie der Brandenburger sagt. Diesen Punkt nicht zu beantworten, wird Ihnen besonderes Vergnügen machen! Viel zu sehr
Ihre F. V.
alles. Wen ſie geliebt hatte, kam nie vor: überhaupt Ihr Name nicht. Aber ſeit vier Jahren weiß ich es: Frau von — ſagte es mir damals, ihre Intimſte, noch von Stockholm her: Generalsfrauen, deutſche, aus einem Kreiſe. So geht das Lotterierad der Welt! — Welche dumme Waiſenkinder drehen uns ſcheinbar, wie die Papierrollen auch nur ſcheinbar gedreht werden! — Die iſt glücklos todt. Sie, geliebt, und lie- bend, von einer zwanzigjährigen Tanzgrazie, zum erſtenmal ganz glücklich; endlich hochſtehend genug, um frei, ihr leben zu können! Dies ſage ich Ihnen, damit Sie ſich auch den äußern Glücksfall ganz auf’s Herz drücken! savourer. Haben Sie wohl ſolch Gedächtniß, daß Sie ſich erinnern, wie vor vielen Jahren Sie mir Briefe von Fräulein J., die ich nicht kannte, zeigten? und die ich nicht ſo ſchön finden konnte, weil ſie mir zu hergebracht und unweſentlich ſchienen? Es iſt eine brave Frau geworden; die ich immer einen braven Mann nannte. Nicht, daß ſie Männliches hatte, außer das Recht- ſchaffene, welches man von einem Mann fordert. Nun habe ich ſchon Bruſtſchmerzen: thäten Sie das auch für mich? Viele Seiten liegen für Sie ſeit Fannychens Ankunft fertig; wollen Sie ſie etwa, ſo vollende ich ſie. Eins möchte ich wiſſen! Sie werden erſtaunen: warum wird Prinz W.’s Polier ſo bei Ihnen befördert? Man iſt doch ſonſt krumm, wenn man ſich bückt; wie der Brandenburger ſagt. Dieſen Punkt nicht zu beantworten, wird Ihnen beſonderes Vergnügen machen! Viel zu ſehr
Ihre F. V.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0557"n="549"/><hirendition="#g">alles</hi>. Wen ſie geliebt hatte, kam nie vor: überhaupt <hirendition="#g">Ihr</hi><lb/>
Name nicht. Aber ſeit vier Jahren weiß ich es: Frau von —<lb/>ſagte es mir damals, ihre Intimſte, noch von Stockholm her:<lb/>
Generalsfrauen, deutſche, aus <hirendition="#g">einem</hi> Kreiſe. <hirendition="#g">So geht</hi> das<lb/>
Lotterierad der Welt! — Welche dumme Waiſenkinder drehen<lb/><hirendition="#g">uns</hi>ſcheinbar, wie die Papierrollen auch nur ſcheinbar gedreht<lb/>
werden! —<hirendition="#g">Die</hi> iſt glücklos <hirendition="#g">todt. Sie</hi>, geliebt, und <hirendition="#g">lie-<lb/>
bend</hi>, von einer zwanzigjährigen Tanzgrazie, zum erſtenmal<lb/>
ganz glücklich; endlich hochſtehend genug, um frei, ihr leben<lb/>
zu können! Dies ſage ich Ihnen, damit Sie ſich auch den<lb/>
äußern Glücksfall ganz auf’s Herz drücken! <hirendition="#aq">savourer</hi>. Haben<lb/>
Sie wohl ſolch Gedächtniß, daß Sie ſich erinnern, wie vor<lb/>
vielen Jahren Sie mir Briefe von Fräulein J., die ich nicht<lb/>
kannte, zeigten? und die ich nicht ſo ſchön finden konnte, weil<lb/>ſie mir zu hergebracht und unweſentlich ſchienen? Es iſt eine<lb/>
brave Frau geworden; die ich immer einen braven Mann<lb/>
nannte. Nicht, daß ſie Männliches hatte, außer das Recht-<lb/>ſchaffene, welches man von einem Mann fordert. Nun habe<lb/>
ich ſchon Bruſtſchmerzen: thäten <hirendition="#g">Sie</hi> das auch für <hirendition="#g">mich</hi>?<lb/>
Viele Seiten liegen für Sie ſeit Fannychens Ankunft fertig;<lb/>
wollen Sie ſie etwa, ſo vollende ich ſie. <hirendition="#g">Eins</hi> möchte ich<lb/>
wiſſen! Sie werden erſtaunen: warum wird Prinz W.’s Polier ſo<lb/>
bei Ihnen befördert? Man iſt doch ſonſt krumm, wenn man<lb/>ſich bückt; wie der Brandenburger ſagt. Dieſen Punkt nicht<lb/>
zu beantworten, wird Ihnen beſonderes Vergnügen machen!<lb/><hirendition="#g">Viel zu ſehr</hi></p><closer><salute><hirendition="#et">Ihre F. V.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[549/0557]
alles. Wen ſie geliebt hatte, kam nie vor: überhaupt Ihr
Name nicht. Aber ſeit vier Jahren weiß ich es: Frau von —
ſagte es mir damals, ihre Intimſte, noch von Stockholm her:
Generalsfrauen, deutſche, aus einem Kreiſe. So geht das
Lotterierad der Welt! — Welche dumme Waiſenkinder drehen
uns ſcheinbar, wie die Papierrollen auch nur ſcheinbar gedreht
werden! — Die iſt glücklos todt. Sie, geliebt, und lie-
bend, von einer zwanzigjährigen Tanzgrazie, zum erſtenmal
ganz glücklich; endlich hochſtehend genug, um frei, ihr leben
zu können! Dies ſage ich Ihnen, damit Sie ſich auch den
äußern Glücksfall ganz auf’s Herz drücken! savourer. Haben
Sie wohl ſolch Gedächtniß, daß Sie ſich erinnern, wie vor
vielen Jahren Sie mir Briefe von Fräulein J., die ich nicht
kannte, zeigten? und die ich nicht ſo ſchön finden konnte, weil
ſie mir zu hergebracht und unweſentlich ſchienen? Es iſt eine
brave Frau geworden; die ich immer einen braven Mann
nannte. Nicht, daß ſie Männliches hatte, außer das Recht-
ſchaffene, welches man von einem Mann fordert. Nun habe
ich ſchon Bruſtſchmerzen: thäten Sie das auch für mich?
Viele Seiten liegen für Sie ſeit Fannychens Ankunft fertig;
wollen Sie ſie etwa, ſo vollende ich ſie. Eins möchte ich
wiſſen! Sie werden erſtaunen: warum wird Prinz W.’s Polier ſo
bei Ihnen befördert? Man iſt doch ſonſt krumm, wenn man
ſich bückt; wie der Brandenburger ſagt. Dieſen Punkt nicht
zu beantworten, wird Ihnen beſonderes Vergnügen machen!
Viel zu ſehr
Ihre F. V.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/557>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.