Ideen entstehn: sie fordern Frauen auf, ihre Inspirationen mitzutheilen u. s. w." -- Ich verstehe; sagte ich: es ist schon in den Ehen so, wie sie sagen, die Saint-Simonisten, in den schlechten schon: sie fügen sich, und wollen auch frei sein; der ganze menschliche Zustand ist so: unbedingt -- von innen, -- und bedingt -- von außen. So ist auch, und kann nicht anders sein, die Ehe: aber mit Bewußtsein soll dies geschehn; und ich setze jetzt hinzu: daß dies überhaupt der Inbegriff höchster Bildung, religiöser, ist: Einwilligung, durch Einsicht und Herzensübung, in das Gegebene, Vorgefundene, Mög- liche. Anschließen an das, was wir Höchstes kennen. Nun will ich den Globe lesen. --
Abends. Ich haben nichts hinzuzusetzen. --
An Ernestine Robert.
Berlin, Dienstag den 31. Januar 1832.
Je suis tres-sensible a la part que vous prenez a ma sante! So unverständig ich mich gerade gestern bei Ihnen befinden mußte, so war doch meine Nacht unverhältnißmäßig besser, als seit längerer Zeit. Das wird Sie freuen: und dar- um erzähle ich es gerne. Aber schreiben kann ich nicht; wie ich sehe! Sonst schrieb' ich Ferdinand heute nach Bonn un- wiederruflich. Sagen Sie ihm dies gütigst. Und, daß ich mich höchst freue, daß er den "vaterländischen Rost" abreibt: und sich durch neue Sprachkenntniß, neue Lebenspforten öff- net! Unsern Geist frei zu machen sind wir hier; der hier ein
Ideen entſtehn: ſie fordern Frauen auf, ihre Inſpirationen mitzutheilen u. ſ. w.“ — Ich verſtehe; ſagte ich: es iſt ſchon in den Ehen ſo, wie ſie ſagen, die Saint-Simoniſten, in den ſchlechten ſchon: ſie fügen ſich, und wollen auch frei ſein; der ganze menſchliche Zuſtand iſt ſo: unbedingt — von innen, — und bedingt — von außen. So iſt auch, und kann nicht anders ſein, die Ehe: aber mit Bewußtſein ſoll dies geſchehn; und ich ſetze jetzt hinzu: daß dies überhaupt der Inbegriff höchſter Bildung, religiöſer, iſt: Einwilligung, durch Einſicht und Herzensübung, in das Gegebene, Vorgefundene, Mög- liche. Anſchließen an das, was wir Höchſtes kennen. Nun will ich den Globe leſen. —
Abends. Ich haben nichts hinzuzuſetzen. —
An Erneſtine Robert.
Berlin, Dienstag den 31. Januar 1832.
Je suis très-sensible à la part que vous prenez à ma santé! So unverſtändig ich mich gerade geſtern bei Ihnen befinden mußte, ſo war doch meine Nacht unverhältnißmäßig beſſer, als ſeit längerer Zeit. Das wird Sie freuen: und dar- um erzähle ich es gerne. Aber ſchreiben kann ich nicht; wie ich ſehe! Sonſt ſchrieb’ ich Ferdinand heute nach Bonn un- wiederruflich. Sagen Sie ihm dies gütigſt. Und, daß ich mich höchſt freue, daß er den „vaterländiſchen Roſt“ abreibt: und ſich durch neue Sprachkenntniß, neue Lebenspforten öff- net! Unſern Geiſt frei zu machen ſind wir hier; der hier ein
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Ideen entſtehn: ſie fordern Frauen auf, ihre Inſpirationen
mitzutheilen u. ſ. w.“ — Ich verſtehe; ſagte ich: es iſt ſchon
in den Ehen ſo, wie ſie ſagen, die Saint-Simoniſten, in den
ſchlechten ſchon: ſie fügen ſich, und wollen auch frei ſein; der
ganze menſchliche Zuſtand iſt ſo: unbedingt — von innen, —
und bedingt — von außen. So iſt auch, und kann nicht
anders ſein, die Ehe: aber mit Bewußtſein ſoll dies geſchehn;
und ich ſetze jetzt hinzu: daß dies überhaupt der Inbegriff
höchſter Bildung, religiöſer, iſt: Einwilligung, durch Einſicht
und Herzensübung, in das Gegebene, Vorgefundene, Mög-
liche. Anſchließen an das, was wir Höchſtes kennen. Nun
will ich den Globe leſen. —
Abends. Ich haben nichts hinzuzuſetzen. —
An Erneſtine Robert.
Berlin, Dienstag den 31. Januar 1832.
Je suis très-sensible à la part que vous prenez à ma
santé! So unverſtändig ich mich gerade geſtern bei Ihnen
befinden mußte, ſo war doch meine Nacht unverhältnißmäßig
beſſer, als ſeit längerer Zeit. Das wird Sie freuen: und dar-
um erzähle ich es gerne. Aber ſchreiben kann ich nicht; wie
ich ſehe! Sonſt ſchrieb’ ich Ferdinand heute nach Bonn un-
wiederruflich. Sagen Sie ihm dies gütigſt. Und, daß ich
mich höchſt freue, daß er den „vaterländiſchen Roſt“ abreibt:
und ſich durch neue Sprachkenntniß, neue Lebenspforten öff-
net! Unſern Geiſt frei zu machen ſind wir hier; der hier ein
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/559>, abgerufen am 23.11.2024.
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