Axiome, Stellen aus meinen Briefen all, die er habhaft wer- den kann und konnte, aus meinen Denkbüchern, fein abge- schrieben, und verabreichte F. diese. Sie können sie nicht ohne Interesse lesen; es geht mir selbst so. Jetzt haben Sie Zeit; (wie komisch, bezöge man das Wort auf die politische Zeit) ja Lücken; füllen Sie ein paar damit aus. Es sind innre Bilder von mir: zusammen, ein Bild. Und ohne alle Affektation: aus tiefem Herzensleben, aus stillem Denken ge- schöpft: und gewiß anregend.
-- Als ein unerwartetes, nie erhofftes Benefiz erschien mir Ihre Erwähnung Heine's. Ich denke grade wie Sie über alle Punkte, deren Sie erwähnen; finde aber viele vor- trefflich; und ihm noch obenein eine große Gabe des Styls; mit Bedacht sage ich Gabe. Eine von dieser Art hatte Fried- rich Schlegel (ohne seine Kunst und Gedanken); ich nannte das immer: ein Sieb im Ohr haben, welches nichts Schlech- tes durchläßt. Außer diesem hat Heine noch viele Gaben. Auch Varnhagen will, ich soll Ihnen von ihm sagen, er fände seine Verse nicht schlecht, mit noch etwas, was mir jetzt nicht klar ist. V. wird's Ihnen wohl selbst in bessern Zeiten schrei- ben. -- Heine wurde uns vor mehreren Jahren zugeführt, wie so Viele, und immer zu Viele; da er fein und absonder- lich ist, verstand ich ihn oft, und er mich, wo ihn Andre nicht vernahmen, das gewann ihn mir; und er nahm mich als Patronin. Ich lobte ihn wie Alle, gern; und ließ ihm nichts durch, sah ich's vor dem Druck: doch das geschah kaum; und ich tadelte dann scharf. Mit einemmale bekam ich sein ferti- ges, eingebundenes Buch von Hamburg, wo er war, die Zu-
Axiome, Stellen aus meinen Briefen all, die er habhaft wer- den kann und konnte, aus meinen Denkbüchern, fein abge- ſchrieben, und verabreichte F. dieſe. Sie können ſie nicht ohne Intereſſe leſen; es geht mir ſelbſt ſo. Jetzt haben Sie Zeit; (wie komiſch, bezöge man das Wort auf die politiſche Zeit) ja Lücken; füllen Sie ein paar damit aus. Es ſind innre Bilder von mir: zuſammen, ein Bild. Und ohne alle Affektation: aus tiefem Herzensleben, aus ſtillem Denken ge- ſchöpft: und gewiß anregend.
— Als ein unerwartetes, nie erhofftes Benefiz erſchien mir Ihre Erwähnung Heine’s. Ich denke grade wie Sie über alle Punkte, deren Sie erwähnen; finde aber viele vor- trefflich; und ihm noch obenein eine große Gabe des Styls; mit Bedacht ſage ich Gabe. Eine von dieſer Art hatte Fried- rich Schlegel (ohne ſeine Kunſt und Gedanken); ich nannte das immer: ein Sieb im Ohr haben, welches nichts Schlech- tes durchläßt. Außer dieſem hat Heine noch viele Gaben. Auch Varnhagen will, ich ſoll Ihnen von ihm ſagen, er fände ſeine Verſe nicht ſchlecht, mit noch etwas, was mir jetzt nicht klar iſt. V. wird’s Ihnen wohl ſelbſt in beſſern Zeiten ſchrei- ben. — Heine wurde uns vor mehreren Jahren zugeführt, wie ſo Viele, und immer zu Viele; da er fein und abſonder- lich iſt, verſtand ich ihn oft, und er mich, wo ihn Andre nicht vernahmen, das gewann ihn mir; und er nahm mich als Patronin. Ich lobte ihn wie Alle, gern; und ließ ihm nichts durch, ſah ich’s vor dem Druck: doch das geſchah kaum; und ich tadelte dann ſcharf. Mit einemmale bekam ich ſein ferti- ges, eingebundenes Buch von Hamburg, wo er war, die Zu-
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Axiome, Stellen aus meinen Briefen all, die er habhaft wer-
den kann und konnte, aus meinen Denkbüchern, fein abge-
ſchrieben, und verabreichte F. dieſe. Sie können ſie nicht
ohne Intereſſe leſen; es geht mir ſelbſt ſo. Jetzt haben Sie
Zeit; (wie komiſch, bezöge man das Wort auf die politiſche
Zeit) ja Lücken; füllen Sie ein paar damit aus. Es ſind
innre Bilder von mir: zuſammen, ein Bild. Und ohne alle
Affektation: aus tiefem Herzensleben, aus ſtillem Denken ge-
ſchöpft: und gewiß anregend.
— Als ein unerwartetes, nie erhofftes Benefiz erſchien
mir Ihre Erwähnung Heine’s. Ich denke grade wie Sie
über alle Punkte, deren Sie erwähnen; finde aber viele vor-
trefflich; und ihm noch obenein eine große Gabe des Styls;
mit Bedacht ſage ich Gabe. Eine von dieſer Art hatte Fried-
rich Schlegel (ohne ſeine Kunſt und Gedanken); ich nannte
das immer: ein Sieb im Ohr haben, welches nichts Schlech-
tes durchläßt. Außer dieſem hat Heine noch viele Gaben.
Auch Varnhagen will, ich ſoll Ihnen von ihm ſagen, er fände
ſeine Verſe nicht ſchlecht, mit noch etwas, was mir jetzt nicht
klar iſt. V. wird’s Ihnen wohl ſelbſt in beſſern Zeiten ſchrei-
ben. — Heine wurde uns vor mehreren Jahren zugeführt,
wie ſo Viele, und immer zu Viele; da er fein und abſonder-
lich iſt, verſtand ich ihn oft, und er mich, wo ihn Andre nicht
vernahmen, das gewann ihn mir; und er nahm mich als
Patronin. Ich lobte ihn wie Alle, gern; und ließ ihm nichts
durch, ſah ich’s vor dem Druck: doch das geſchah kaum; und
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/460>, abgerufen am 26.11.2024.
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