eignung an mich drin. Der Schlag war geschehn: und nur darin konnte ich mich fassen, daß ich schon damals wußte, daß alles Geistige vergeht (nicht so ein zerschlagenes Bein); und sogar bald von Neuem der Art verschlungen wird, ja, das Meiste fast unbeachtet bleibt; thun konnte ich nach voll- brachtem Attentat nichts, als ihm schreiben: nun sähe ich es völlig ein, weßhalb man bei Fürstinnen erst die Erlaubniß er- bittet, ihnen ein Buch zueignen zu dürfen etc. Wir blieben uns aber hold nach wie vor: und Sie haben mir jetzt durch ihn ein großes Kompliment gemacht. Mir gefällt von ihm besonders das eine Seebild, wo er in den Wolken die alten Götter zu sehen glaubt; wunderschön. Leben Sie wohl! so gut Sie jetzt können. -- Nun glaub' ich unveränderlich, da ich noch so jung bin!
F. V.
Anmerk. Gentz hatte nämlich geschrieben:
-- "Wie weit ich es in dieser Lieblingsbeschäftigung, Dichter zu lesen, gebracht habe, werde ich Ihnen an einem Beispiel zeigen, welches na- mentlich für Sie nicht ohne Interesse sein kann. -- Im vergangenen Jahre fielen mir die Reisebilder von Heine in die Hände. Sie können sich leicht vorstellen, daß ich in der politischen Gesinnung des Verfas- sers die meinige nicht wiederfand; und daß mir überdies manches Un- korrekte, Ultra-Originelle, in dieser Schrift zuwider sein mußte. Nichts- destoweniger las ich die drei Bände mit vielem Vergnügen, weil ein großer Theil der eingestreuten Gedichte (nicht alle!) mich im höchsten Grade anzogen. Erst vor einigen Tagen entdeckte ich sein bereits im Jahr 27. gedrucktes, mir aber bisher unbekannt gebliebenes Buch der Lieder, wovon ein Abschnitt Ihnen gewidmet ist; und früher schon hatte mir jemand -- ich weiß wirklich nicht mehr wer? -- gesagt oder geschrieben, daß Heine bei Ihnen in besonderer Gnade stehe. Ich ent- schloß mich daher auch sogleich, diese Lieder zu lesen. -- Eine gewisse An- zahl wirkte auf mich mit einem unbeschreiblichen Zauber; und an diesen ergötze ich mich fortwährend, Morgens und Abends; sie sind mei- ner heutigen Gemüthsstimmung dergestalt homogen, daß ich mich ganz
eignung an mich drin. Der Schlag war geſchehn: und nur darin konnte ich mich faſſen, daß ich ſchon damals wußte, daß alles Geiſtige vergeht (nicht ſo ein zerſchlagenes Bein); und ſogar bald von Neuem der Art verſchlungen wird, ja, das Meiſte faſt unbeachtet bleibt; thun konnte ich nach voll- brachtem Attentat nichts, als ihm ſchreiben: nun ſähe ich es völlig ein, weßhalb man bei Fürſtinnen erſt die Erlaubniß er- bittet, ihnen ein Buch zueignen zu dürfen ꝛc. Wir blieben uns aber hold nach wie vor: und Sie haben mir jetzt durch ihn ein großes Kompliment gemacht. Mir gefällt von ihm beſonders das eine Seebild, wo er in den Wolken die alten Götter zu ſehen glaubt; wunderſchön. Leben Sie wohl! ſo gut Sie jetzt können. — Nun glaub’ ich unveränderlich, da ich noch ſo jung bin!
F. V.
Anmerk. Gentz hatte nämlich geſchrieben:
— „Wie weit ich es in dieſer Lieblingsbeſchäftigung, Dichter zu leſen, gebracht habe, werde ich Ihnen an einem Beiſpiel zeigen, welches na- mentlich für Sie nicht ohne Intereſſe ſein kann. — Im vergangenen Jahre fielen mir die Reiſebilder von Heine in die Hände. Sie können ſich leicht vorſtellen, daß ich in der politiſchen Geſinnung des Verfaſ- ſers die meinige nicht wiederfand; und daß mir überdies manches Un- korrekte, Ultra-Originelle, in dieſer Schrift zuwider ſein mußte. Nichts- deſtoweniger las ich die drei Bände mit vielem Vergnügen, weil ein großer Theil der eingeſtreuten Gedichte (nicht alle!) mich im höchſten Grade anzogen. Erſt vor einigen Tagen entdeckte ich ſein bereits im Jahr 27. gedrucktes, mir aber bisher unbekannt gebliebenes Buch der Lieder, wovon ein Abſchnitt Ihnen gewidmet iſt; und früher ſchon hatte mir jemand — ich weiß wirklich nicht mehr wer? — geſagt oder geſchrieben, daß Heine bei Ihnen in beſonderer Gnade ſtehe. Ich ent- ſchloß mich daher auch ſogleich, dieſe Lieder zu leſen. — Eine gewiſſe An- zahl wirkte auf mich mit einem unbeſchreiblichen Zauber; und an dieſen ergötze ich mich fortwährend, Morgens und Abends; ſie ſind mei- ner heutigen Gemüthsſtimmung dergeſtalt homogen, daß ich mich ganz
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[453/0461]
eignung an mich drin. Der Schlag war geſchehn: und nur
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und ſogar bald von Neuem der Art verſchlungen wird, ja,
das Meiſte faſt unbeachtet bleibt; thun konnte ich nach voll-
brachtem Attentat nichts, als ihm ſchreiben: nun ſähe ich es
völlig ein, weßhalb man bei Fürſtinnen erſt die Erlaubniß er-
bittet, ihnen ein Buch zueignen zu dürfen ꝛc. Wir blieben
uns aber hold nach wie vor: und Sie haben mir jetzt durch
ihn ein großes Kompliment gemacht. Mir gefällt von ihm
beſonders das eine Seebild, wo er in den Wolken die alten
Götter zu ſehen glaubt; wunderſchön. Leben Sie wohl! ſo
gut Sie jetzt können. — Nun glaub’ ich unveränderlich, da
ich noch ſo jung bin!
F. V.
Anmerk. Gentz hatte nämlich geſchrieben:
— „Wie weit ich es in dieſer Lieblingsbeſchäftigung, Dichter zu leſen,
gebracht habe, werde ich Ihnen an einem Beiſpiel zeigen, welches na-
mentlich für Sie nicht ohne Intereſſe ſein kann. — Im vergangenen
Jahre fielen mir die Reiſebilder von Heine in die Hände. Sie können
ſich leicht vorſtellen, daß ich in der politiſchen Geſinnung des Verfaſ-
ſers die meinige nicht wiederfand; und daß mir überdies manches Un-
korrekte, Ultra-Originelle, in dieſer Schrift zuwider ſein mußte. Nichts-
deſtoweniger las ich die drei Bände mit vielem Vergnügen, weil ein
großer Theil der eingeſtreuten Gedichte (nicht alle!) mich im höchſten
Grade anzogen. Erſt vor einigen Tagen entdeckte ich ſein bereits im
Jahr 27. gedrucktes, mir aber bisher unbekannt gebliebenes Buch der
Lieder, wovon ein Abſchnitt Ihnen gewidmet iſt; und früher ſchon
hatte mir jemand — ich weiß wirklich nicht mehr wer? — geſagt oder
geſchrieben, daß Heine bei Ihnen in beſonderer Gnade ſtehe. Ich ent-
ſchloß mich daher auch ſogleich, dieſe Lieder zu leſen. — Eine gewiſſe An-
zahl wirkte auf mich mit einem unbeſchreiblichen Zauber; und an
dieſen ergötze ich mich fortwährend, Morgens und Abends; ſie ſind mei-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/461>, abgerufen am 26.11.2024.
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