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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Sie soviel: noch sind' ich mich immer wieder; und bin ich
nur einigermaßen ungestört, sind' ich auch einen stillen See
in der Seele: Natur, Luft und Wetter fühl' ich wie zu
fünfzehn Jahren; und Menschenseelen auch; wenn ich sie
finde. -- Ich eile, daß Sie diesen Brief erhalten, und umarme
Sie auf's zärtlichste! Welche große schöne Ursach muß der
Himmel haben, uns getrennt zu halten! Ich beuge mich.
Nochmals Dank, daß Sie mir schrieben! Ewigen Dank, wie
ewige Liebe.

Fr. V.



Erbrecht von Ed. Gans. Dritter Band. S. 17. Ei!
das freut mich, daß es gesagt wird; nämlich gedruckt; was
ich immer sage; nämlich stumm: "Daß es nicht wahr ist,
daß das Reich Christi nicht von dieser Welt sei." Wohl!
dieses lügenhafte, jetzt allgemein wiederholte Geständniß ist
Folge lügenhafter Verschweigungen von den Meisten derer,
die es ablegen. Die Forderungen der vorgeblichen Religion
sind nicht rein, fromm und wahrheitsvoll; und darum ver-
weist man sie lieber von unserer nach einer andern Welt.
Aber, nur hier, und gleich, soll Religion herrschen.

S. 153. Gemeinschaft der Güter ist ein Unsinn. Unsre
Güter sind nichts anders, als eine Erweiterung unsrer Person
überhaupt. So wenig nun unsre Person gänzlich weggeschenkt
oder abgegeben werden kann, ohne Sklave zu werden, eben
so wenig können wir unser Vermögen eines Andern Willkür
überlassen, ohne sie verloren zu haben. Zwei können keine
Summe besitzen, wenn sie nicht getheilt wird. Verschenken

Sie ſoviel: noch ſind’ ich mich immer wieder; und bin ich
nur einigermaßen ungeſtört, ſind’ ich auch einen ſtillen See
in der Seele: Natur, Luft und Wetter fühl’ ich wie zu
fünfzehn Jahren; und Menſchenſeelen auch; wenn ich ſie
finde. — Ich eile, daß Sie dieſen Brief erhalten, und umarme
Sie auf’s zärtlichſte! Welche große ſchöne Urſach muß der
Himmel haben, uns getrennt zu halten! Ich beuge mich.
Nochmals Dank, daß Sie mir ſchrieben! Ewigen Dank, wie
ewige Liebe.

Fr. V.



Erbrecht von Ed. Gans. Dritter Band. S. 17. Ei!
das freut mich, daß es geſagt wird; nämlich gedruckt; was
ich immer ſage; nämlich ſtumm: „Daß es nicht wahr iſt,
daß das Reich Chriſti nicht von dieſer Welt ſei.“ Wohl!
dieſes lügenhafte, jetzt allgemein wiederholte Geſtändniß iſt
Folge lügenhafter Verſchweigungen von den Meiſten derer,
die es ablegen. Die Forderungen der vorgeblichen Religion
ſind nicht rein, fromm und wahrheitsvoll; und darum ver-
weiſt man ſie lieber von unſerer nach einer andern Welt.
Aber, nur hier, und gleich, ſoll Religion herrſchen.

S. 153. Gemeinſchaft der Güter iſt ein Unſinn. Unſre
Güter ſind nichts anders, als eine Erweiterung unſrer Perſon
überhaupt. So wenig nun unſre Perſon gänzlich weggeſchenkt
oder abgegeben werden kann, ohne Sklave zu werden, eben
ſo wenig können wir unſer Vermögen eines Andern Willkür
überlaſſen, ohne ſie verloren zu haben. Zwei können keine
Summe beſitzen, wenn ſie nicht getheilt wird. Verſchenken

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[450/0458] Sie ſoviel: noch ſind’ ich mich immer wieder; und bin ich nur einigermaßen ungeſtört, ſind’ ich auch einen ſtillen See in der Seele: Natur, Luft und Wetter fühl’ ich wie zu fünfzehn Jahren; und Menſchenſeelen auch; wenn ich ſie finde. — Ich eile, daß Sie dieſen Brief erhalten, und umarme Sie auf’s zärtlichſte! Welche große ſchöne Urſach muß der Himmel haben, uns getrennt zu halten! Ich beuge mich. Nochmals Dank, daß Sie mir ſchrieben! Ewigen Dank, wie ewige Liebe. Fr. V. 1830. Erbrecht von Ed. Gans. Dritter Band. S. 17. Ei! das freut mich, daß es geſagt wird; nämlich gedruckt; was ich immer ſage; nämlich ſtumm: „Daß es nicht wahr iſt, daß das Reich Chriſti nicht von dieſer Welt ſei.“ Wohl! dieſes lügenhafte, jetzt allgemein wiederholte Geſtändniß iſt Folge lügenhafter Verſchweigungen von den Meiſten derer, die es ablegen. Die Forderungen der vorgeblichen Religion ſind nicht rein, fromm und wahrheitsvoll; und darum ver- weiſt man ſie lieber von unſerer nach einer andern Welt. Aber, nur hier, und gleich, ſoll Religion herrſchen. S. 153. Gemeinſchaft der Güter iſt ein Unſinn. Unſre Güter ſind nichts anders, als eine Erweiterung unſrer Perſon überhaupt. So wenig nun unſre Perſon gänzlich weggeſchenkt oder abgegeben werden kann, ohne Sklave zu werden, eben ſo wenig können wir unſer Vermögen eines Andern Willkür überlaſſen, ohne ſie verloren zu haben. Zwei können keine Summe beſitzen, wenn ſie nicht getheilt wird. Verſchenken

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/458>, abgerufen am 26.11.2024.