Sonnenschein nach Regen; Wind, Wolken; prächti- ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das Wetter ist nach Zeitungen und Briefen allenthalben ganz gleich.
So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen zu haben, dessen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent- lich brauchte ich nur das letztere zu sagen. Weil wir uns, wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au- genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies schön; die etwas großen Hände -- kleine hasse ich -- schön, Teint, schön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in- nig, empfindungsvoll und gescheidt: so sieht sie aus; und so ist sie. Spricht deutsch und französisch so reizend wie ein En- gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit selbst! (Auch zieht sie sich gut an; und du weißt, was das bei mir gilt! Ich kenne solch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr. Hier ist kein's ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit, Fadheit, und Begränztheit; weil, sich all diese bösen Dinge, auf Religiosität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und der hergebrachten Talente, und genossenen Unterricht beziehen wollen: und ich daher nur stolze, steife, brummige, leere, un- taugliche Gänse sehe. Ich nehme in meiner Bekannt- schaft, in Norddeutschland, nur aus: ............ -- Anna glaubt gewiß nicht, daß ich so von ihr denke, noch daß
An Roſe, im Haag.
Sonntag, den 18. Juli 1830. Vormittag halb 12.
Sonnenſchein nach Regen; Wind, Wolken; prächti- ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das Wetter iſt nach Zeitungen und Briefen allenthalben ganz gleich.
So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen zu haben, deſſen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent- lich brauchte ich nur das letztere zu ſagen. Weil wir uns, wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au- genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies ſchön; die etwas großen Hände — kleine haſſe ich — ſchön, Teint, ſchön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in- nig, empfindungsvoll und geſcheidt: ſo ſieht ſie aus; und ſo iſt ſie. Spricht deutſch und franzöſiſch ſo reizend wie ein En- gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit ſelbſt! (Auch zieht ſie ſich gut an; und du weißt, was das bei mir gilt! Ich kenne ſolch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr. Hier iſt kein’s ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit, Fadheit, und Begränztheit; weil, ſich all dieſe böſen Dinge, auf Religioſität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und der hergebrachten Talente, und genoſſenen Unterricht beziehen wollen: und ich daher nur ſtolze, ſteife, brummige, leere, un- taugliche Gänſe ſehe. Ich nehme in meiner Bekannt- ſchaft, in Norddeutſchland, nur aus: ............ — Anna glaubt gewiß nicht, daß ich ſo von ihr denke, noch daß
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An Roſe, im Haag.
Sonntag, den 18. Juli 1830. Vormittag halb 12.
Sonnenſchein nach Regen; Wind, Wolken; prächti-
ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das
Wetter iſt nach Zeitungen und Briefen allenthalben
ganz gleich.
So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der
prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen
zu haben, deſſen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent-
lich brauchte ich nur das letztere zu ſagen. Weil wir uns,
wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres
wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au-
genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies ſchön;
die etwas großen Hände — kleine haſſe ich — ſchön, Teint,
ſchön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in-
nig, empfindungsvoll und geſcheidt: ſo ſieht ſie aus; und ſo
iſt ſie. Spricht deutſch und franzöſiſch ſo reizend wie ein En-
gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit ſelbſt!
(Auch zieht ſie ſich gut an; und du weißt, was das bei mir
gilt! Ich kenne ſolch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr.
Hier iſt kein’s ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit,
Fadheit, und Begränztheit; weil, ſich all dieſe böſen Dinge,
auf Religioſität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und
der hergebrachten Talente, und genoſſenen Unterricht beziehen
wollen: und ich daher nur ſtolze, ſteife, brummige, leere, un-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/448>, abgerufen am 27.11.2024.
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