trieben, und er wirklich meinte, in der Welt würde nicht besser gesungen, als in Madlitz. --
Als der Musikdirektor Anselm Weber hier angestellt wurde, -- nach Wessely, der zuerst hier die Mozart'schen Opern mit sparsamen Orchestermitteln auf die Berliner Bühne brachte, und sehr gut aufführen ließ, -- und ich mehrere der von ihm dirigirten Opern hörte, fand ich, daß er alles in dem Sinne der Ouvertüre der Zauberflöte, -- die damals eine Revolution zu nennen war, und die Weber vortrefflichst geben ließ, -- vortragen ließ; und ich sagte es, erstaunten Leuten, die nur höflich genug waren, mir nicht zu antworten: warum nicht gar! -- Bedeutend lange nachher lernte ich Weber persönlich kennen, und er kam sehr gerne, und also viel zu mir, spielte mir vor, -- er war nächst Kalkbrenner der Feinste im Vor- trag des Pianospiels, -- und ich war in Musikangelegenhei- ten sein Konfident. So erzählte er mir einen Tag seine ganze Entwicklung in musikalischer Hinsicht: und schüttete mir sein Herz aus, wie er die Komponisten liebe, was er an ihnen liebe, wie er zu seinen Erkenntnissen gekommen sei; er endigte so: "Ich kam zu Vogler (dem Abt, ich glaube es war in Köln), unter dem mußt' ich streng studiren," und er lobte ihn als verehrten Meister viel; auch konnte man sehr deutlich hören, daß dessen Manier in Vortrag und Komposition un- verkennbar und [...]unvertilgbar in ihn eingedrungen war: "dann reiste ich aber nach München; und ging unbefangen in die Zauberflöte; und wie ich die Ouvertüre hörte, glaubte ich umzusinken, zu schweben; ich war nicht mehr im Schau- spielhaus, nicht auf der Erde mehr: das ist die Musik! schrie
trieben, und er wirklich meinte, in der Welt würde nicht beſſer geſungen, als in Madlitz. —
Als der Muſikdirektor Anſelm Weber hier angeſtellt wurde, — nach Weſſely, der zuerſt hier die Mozart’ſchen Opern mit ſparſamen Orcheſtermitteln auf die Berliner Bühne brachte, und ſehr gut aufführen ließ, — und ich mehrere der von ihm dirigirten Opern hörte, fand ich, daß er alles in dem Sinne der Ouvertüre der Zauberflöte, — die damals eine Revolution zu nennen war, und die Weber vortrefflichſt geben ließ, — vortragen ließ; und ich ſagte es, erſtaunten Leuten, die nur höflich genug waren, mir nicht zu antworten: warum nicht gar! — Bedeutend lange nachher lernte ich Weber perſönlich kennen, und er kam ſehr gerne, und alſo viel zu mir, ſpielte mir vor, — er war nächſt Kalkbrenner der Feinſte im Vor- trag des Pianoſpiels, — und ich war in Muſikangelegenhei- ten ſein Konfident. So erzählte er mir einen Tag ſeine ganze Entwicklung in muſikaliſcher Hinſicht: und ſchüttete mir ſein Herz aus, wie er die Komponiſten liebe, was er an ihnen liebe, wie er zu ſeinen Erkenntniſſen gekommen ſei; er endigte ſo: „Ich kam zu Vogler (dem Abt, ich glaube es war in Köln), unter dem mußt’ ich ſtreng ſtudiren,“ und er lobte ihn als verehrten Meiſter viel; auch konnte man ſehr deutlich hören, daß deſſen Manier in Vortrag und Kompoſition un- verkennbar und […]unvertilgbar in ihn eingedrungen war: „dann reiſte ich aber nach München; und ging unbefangen in die Zauberflöte; und wie ich die Ouvertüre hörte, glaubte ich umzuſinken, zu ſchweben; ich war nicht mehr im Schau- ſpielhaus, nicht auf der Erde mehr: das iſt die Muſik! ſchrie
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trieben, und er wirklich meinte, in der Welt würde nicht
beſſer geſungen, als in Madlitz. —
Als der Muſikdirektor Anſelm Weber hier angeſtellt wurde,
— nach Weſſely, der zuerſt hier die Mozart’ſchen Opern mit
ſparſamen Orcheſtermitteln auf die Berliner Bühne brachte,
und ſehr gut aufführen ließ, — und ich mehrere der von ihm
dirigirten Opern hörte, fand ich, daß er alles in dem Sinne
der Ouvertüre der Zauberflöte, — die damals eine Revolution
zu nennen war, und die Weber vortrefflichſt geben ließ, —
vortragen ließ; und ich ſagte es, erſtaunten Leuten, die nur
höflich genug waren, mir nicht zu antworten: warum nicht
gar! — Bedeutend lange nachher lernte ich Weber perſönlich
kennen, und er kam ſehr gerne, und alſo viel zu mir, ſpielte
mir vor, — er war nächſt Kalkbrenner der Feinſte im Vor-
trag des Pianoſpiels, — und ich war in Muſikangelegenhei-
ten ſein Konfident. So erzählte er mir einen Tag ſeine ganze
Entwicklung in muſikaliſcher Hinſicht: und ſchüttete mir ſein
Herz aus, wie er die Komponiſten liebe, was er an ihnen
liebe, wie er zu ſeinen Erkenntniſſen gekommen ſei; er endigte
ſo: „Ich kam zu Vogler (dem Abt, ich glaube es war in
Köln), unter dem mußt’ ich ſtreng ſtudiren,“ und er lobte ihn
als verehrten Meiſter viel; auch konnte man ſehr deutlich
hören, daß deſſen Manier in Vortrag und Kompoſition un-
verkennbar und unvertilgbar in ihn eingedrungen war:
„dann reiſte ich aber nach München; und ging unbefangen
in die Zauberflöte; und wie ich die Ouvertüre hörte, glaubte
ich umzuſinken, zu ſchweben; ich war nicht mehr im Schau-
ſpielhaus, nicht auf der Erde mehr: das iſt die Muſik! ſchrie
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/442>, abgerufen am 28.11.2024.
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