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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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mich! Sie sind reich und frei, lassen Sie diesen Theil des Le-
bens nicht entschlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein
Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. -- Sieht
Ihr Freund die Bäume, wie ich: schreit er Astolf, wie ich,
wenn er einen schönen, reichen, einen bizarren, einen sehr
grünen sieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht schrei-
ben, wie ich? --

Varnh. nimmt den größten Antheil an unsrer Freund-
schaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.



Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe
hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal-
piti
nicht zu der Kavatine paßte; und ich sagte es. Mehrere
Jahre nachher hörte ich, daß Rossini dieses Recitativ zu einem
andern Musikstück gemacht habe, und daß eine Sängerin
dies nicht singen mochte, oder konnte, und er ihr dieses tanti
palpiti
setzte. --

Karl Finkenstein sah ich zuerst in der italiänischen Oper,
wo die Marchetti in einer Righini'schen Oper sang: ich war
in der Loge der Gesandtschaftssekretaire, er neben mir in der
Gesandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er
mir auf, wegen seiner Blondheit; noch mehr wegen der Art,
wie er zuhörte. Ich sah ihm an, daß er ein Mensch sei, der
sich einbilde, all dergleichen viel besser gehört zu haben: der
Musikdirektor Anselm Weber war auch neben mir; dem machte
ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menschen kenne.
Da erfuhr ich seinen Namen; aber nicht, daß alle seine Ge-
schwister und auch er das Singen so ernst und nachhaltig

III. 28

mich! Sie ſind reich und frei, laſſen Sie dieſen Theil des Le-
bens nicht entſchlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein
Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. — Sieht
Ihr Freund die Bäume, wie ich: ſchreit er Aſtolf, wie ich,
wenn er einen ſchönen, reichen, einen bizarren, einen ſehr
grünen ſieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht ſchrei-
ben, wie ich? —

Varnh. nimmt den größten Antheil an unſrer Freund-
ſchaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.



Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe
hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal-
piti
nicht zu der Kavatine paßte; und ich ſagte es. Mehrere
Jahre nachher hörte ich, daß Roſſini dieſes Recitativ zu einem
andern Muſikſtück gemacht habe, und daß eine Sängerin
dies nicht ſingen mochte, oder konnte, und er ihr dieſes tanti
palpiti
ſetzte. —

Karl Finkenſtein ſah ich zuerſt in der italiäniſchen Oper,
wo die Marchetti in einer Righini’ſchen Oper ſang: ich war
in der Loge der Geſandtſchaftsſekretaire, er neben mir in der
Geſandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er
mir auf, wegen ſeiner Blondheit; noch mehr wegen der Art,
wie er zuhörte. Ich ſah ihm an, daß er ein Menſch ſei, der
ſich einbilde, all dergleichen viel beſſer gehört zu haben: der
Muſikdirektor Anſelm Weber war auch neben mir; dem machte
ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menſchen kenne.
Da erfuhr ich ſeinen Namen; aber nicht, daß alle ſeine Ge-
ſchwiſter und auch er das Singen ſo ernſt und nachhaltig

III. 28
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[433/0441] mich! Sie ſind reich und frei, laſſen Sie dieſen Theil des Le- bens nicht entſchlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. — Sieht Ihr Freund die Bäume, wie ich: ſchreit er Aſtolf, wie ich, wenn er einen ſchönen, reichen, einen bizarren, einen ſehr grünen ſieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht ſchrei- ben, wie ich? — Varnh. nimmt den größten Antheil an unſrer Freund- ſchaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V. Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal- piti nicht zu der Kavatine paßte; und ich ſagte es. Mehrere Jahre nachher hörte ich, daß Roſſini dieſes Recitativ zu einem andern Muſikſtück gemacht habe, und daß eine Sängerin dies nicht ſingen mochte, oder konnte, und er ihr dieſes tanti palpiti ſetzte. — Karl Finkenſtein ſah ich zuerſt in der italiäniſchen Oper, wo die Marchetti in einer Righini’ſchen Oper ſang: ich war in der Loge der Geſandtſchaftsſekretaire, er neben mir in der Geſandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er mir auf, wegen ſeiner Blondheit; noch mehr wegen der Art, wie er zuhörte. Ich ſah ihm an, daß er ein Menſch ſei, der ſich einbilde, all dergleichen viel beſſer gehört zu haben: der Muſikdirektor Anſelm Weber war auch neben mir; dem machte ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menſchen kenne. Da erfuhr ich ſeinen Namen; aber nicht, daß alle ſeine Ge- ſchwiſter und auch er das Singen ſo ernſt und nachhaltig III. 28

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/441>, abgerufen am 28.11.2024.