mich! Sie sind reich und frei, lassen Sie diesen Theil des Le- bens nicht entschlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. -- Sieht Ihr Freund die Bäume, wie ich: schreit er Astolf, wie ich, wenn er einen schönen, reichen, einen bizarren, einen sehr grünen sieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht schrei- ben, wie ich? --
Varnh. nimmt den größten Antheil an unsrer Freund- schaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.
Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal- piti nicht zu der Kavatine paßte; und ich sagte es. Mehrere Jahre nachher hörte ich, daß Rossini dieses Recitativ zu einem andern Musikstück gemacht habe, und daß eine Sängerin dies nicht singen mochte, oder konnte, und er ihr diesestanti palpiti setzte. --
Karl Finkenstein sah ich zuerst in der italiänischen Oper, wo die Marchetti in einer Righini'schen Oper sang: ich war in der Loge der Gesandtschaftssekretaire, er neben mir in der Gesandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er mir auf, wegen seiner Blondheit; noch mehr wegen der Art, wie er zuhörte. Ich sah ihm an, daß er ein Mensch sei, der sich einbilde, all dergleichen viel besser gehört zu haben: der Musikdirektor Anselm Weber war auch neben mir; dem machte ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menschen kenne. Da erfuhr ich seinen Namen; aber nicht, daß alle seine Ge- schwister und auch er das Singen so ernst und nachhaltig
III. 28
mich! Sie ſind reich und frei, laſſen Sie dieſen Theil des Le- bens nicht entſchlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. — Sieht Ihr Freund die Bäume, wie ich: ſchreit er Aſtolf, wie ich, wenn er einen ſchönen, reichen, einen bizarren, einen ſehr grünen ſieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht ſchrei- ben, wie ich? —
Varnh. nimmt den größten Antheil an unſrer Freund- ſchaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.
Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal- piti nicht zu der Kavatine paßte; und ich ſagte es. Mehrere Jahre nachher hörte ich, daß Roſſini dieſes Recitativ zu einem andern Muſikſtück gemacht habe, und daß eine Sängerin dies nicht ſingen mochte, oder konnte, und er ihr dieſestanti palpiti ſetzte. —
Karl Finkenſtein ſah ich zuerſt in der italiäniſchen Oper, wo die Marchetti in einer Righini’ſchen Oper ſang: ich war in der Loge der Geſandtſchaftsſekretaire, er neben mir in der Geſandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er mir auf, wegen ſeiner Blondheit; noch mehr wegen der Art, wie er zuhörte. Ich ſah ihm an, daß er ein Menſch ſei, der ſich einbilde, all dergleichen viel beſſer gehört zu haben: der Muſikdirektor Anſelm Weber war auch neben mir; dem machte ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menſchen kenne. Da erfuhr ich ſeinen Namen; aber nicht, daß alle ſeine Ge- ſchwiſter und auch er das Singen ſo ernſt und nachhaltig
III. 28
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0441"n="433"/>
mich! Sie ſind reich und frei, laſſen Sie dieſen Theil des Le-<lb/>
bens nicht entſchlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein<lb/>
Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. — Sieht<lb/>
Ihr Freund die Bäume, wie ich: ſchreit er Aſtolf, wie ich,<lb/>
wenn er einen ſchönen, reichen, einen bizarren, einen ſehr<lb/>
grünen ſieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm <hirendition="#g">nicht</hi>ſchrei-<lb/>
ben, wie ich? —</p><lb/><p>Varnh. nimmt den größten Antheil an unſrer Freund-<lb/>ſchaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Als ich vor eilf oder zwölf Jahren <hirendition="#aq">Tancredi</hi> in Karlsruhe<lb/>
hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von <hirendition="#aq">tanti pal-<lb/>
piti</hi> nicht zu der Kavatine paßte; und ich ſagte es. Mehrere<lb/>
Jahre nachher hörte ich, daß Roſſini dieſes Recitativ zu einem<lb/>
andern Muſikſtück gemacht habe, und daß eine Sängerin<lb/>
dies nicht ſingen mochte, oder konnte, und er ihr <hirendition="#g">dieſes</hi><hirendition="#aq">tanti<lb/>
palpiti</hi>ſetzte. —</p><lb/><p>Karl Finkenſtein ſah ich zuerſt in der italiäniſchen Oper,<lb/>
wo die Marchetti in einer Righini’ſchen Oper ſang: ich war<lb/>
in der Loge der Geſandtſchaftsſekretaire, er neben mir in der<lb/>
Geſandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er<lb/>
mir auf, wegen ſeiner Blondheit; noch mehr wegen der Art,<lb/>
wie er zuhörte. Ich ſah ihm an, daß er ein Menſch ſei, der<lb/>ſich einbilde, all dergleichen viel beſſer gehört zu haben: der<lb/>
Muſikdirektor Anſelm Weber war auch neben mir; dem machte<lb/>
ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menſchen kenne.<lb/>
Da erfuhr ich ſeinen Namen; aber nicht, daß alle ſeine Ge-<lb/>ſchwiſter und auch er das Singen ſo ernſt und nachhaltig<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">III.</hi> 28</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[433/0441]
mich! Sie ſind reich und frei, laſſen Sie dieſen Theil des Le-
bens nicht entſchlüpfen. Ich bin eine Art Mutter, und ein
Gefährte, und nichts von dem allen, und mehr. — Sieht
Ihr Freund die Bäume, wie ich: ſchreit er Aſtolf, wie ich,
wenn er einen ſchönen, reichen, einen bizarren, einen ſehr
grünen ſieht? Findet er es gut, wenn Sie ihm nicht ſchrei-
ben, wie ich? —
Varnh. nimmt den größten Antheil an unſrer Freund-
ſchaft, und grüßt Sie. Und ich verlange eine Antwort. Fr. V.
Als ich vor eilf oder zwölf Jahren Tancredi in Karlsruhe
hörte, fiel es mir gleich auf, daß das Recitativ von tanti pal-
piti nicht zu der Kavatine paßte; und ich ſagte es. Mehrere
Jahre nachher hörte ich, daß Roſſini dieſes Recitativ zu einem
andern Muſikſtück gemacht habe, und daß eine Sängerin
dies nicht ſingen mochte, oder konnte, und er ihr dieſes tanti
palpiti ſetzte. —
Karl Finkenſtein ſah ich zuerſt in der italiäniſchen Oper,
wo die Marchetti in einer Righini’ſchen Oper ſang: ich war
in der Loge der Geſandtſchaftsſekretaire, er neben mir in der
Geſandtenloge. Weil die Logen ziemlich leer waren, fiel er
mir auf, wegen ſeiner Blondheit; noch mehr wegen der Art,
wie er zuhörte. Ich ſah ihm an, daß er ein Menſch ſei, der
ſich einbilde, all dergleichen viel beſſer gehört zu haben: der
Muſikdirektor Anſelm Weber war auch neben mir; dem machte
ich die Bemerkung, und fragte, ob er den Menſchen kenne.
Da erfuhr ich ſeinen Namen; aber nicht, daß alle ſeine Ge-
ſchwiſter und auch er das Singen ſo ernſt und nachhaltig
III. 28
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/441>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.