Was ich hier erlernen soll, Weiß ich ja schon längstens. Schönes Wetter nimm mich auf, Oder bleibe bei uns!
Mittwoch, den 10. März 1830. bei olysischem, reinen, sonnerleuchteten Welter, 11 Uhr Morgens.
An Adelheid Fürstin von Carolath.
Berlin, den 18. März 1830. 12 Uhr.
Warmes Regenwetter.
Warum ist es möglich, einen solchen Frevel zu begehn! (Sechsmal hab' ich nun schon eine nicht schreibende Feder!!! das begründet bei meinen Nerven die Möglichkeit; sonst hätte ich ihn gar nicht begehn können:) auf einen Brief wie der Ihrige nicht zu antworten: auf solch Geschenk nicht! Wel- ches mir mein Haus beliebt macht, verschönt. Unzähligemal, zwanzig-dreißigmal sehe ich es des Tages an, und betrachte es; und liebe es. Alle Menschen bewundern es. Gestern Abend Gräfin Yorck, Mlle. Solmar, die schöne Robert, General Pfuel, Willisen. Alle Abend Andere. All Ihr Liebes, all Ihre Grazie, all Ihr Gutes, alle weibliche und menschliche Empfindungen, finde ich darin; die Frau, das Mädchen, die Dame, welche ihre große Welt kennt, und von ihr erzogen ist, finde ich darin; Taille, Anzug, alles. Und endlich vermisse ich, durch das lange und viele Betrachten -- a force de le regarder -- doch etwas. Einen großen hervorstechenden Bestandtheil der ganzen Adelheid; einen, der allem andern Reiz -- für
Was ich hier erlernen ſoll, Weiß ich ja ſchon längſtens. Schönes Wetter nimm mich auf, Oder bleibe bei uns!
Mittwoch, den 10. März 1830. bei olyſiſchem, reinen, ſonnerleuchteten Welter, 11 Uhr Morgens.
An Adelheid Fürſtin von Carolath.
Berlin, den 18. März 1830. 12 Uhr.
Warmes Regenwetter.
Warum iſt es möglich, einen ſolchen Frevel zu begehn! (Sechsmal hab’ ich nun ſchon eine nicht ſchreibende Feder!!! das begründet bei meinen Nerven die Möglichkeit; ſonſt hätte ich ihn gar nicht begehn können:) auf einen Brief wie der Ihrige nicht zu antworten: auf ſolch Geſchenk nicht! Wel- ches mir mein Haus beliebt macht, verſchönt. Unzähligemal, zwanzig-dreißigmal ſehe ich es des Tages an, und betrachte es; und liebe es. Alle Menſchen bewundern es. Geſtern Abend Gräfin Yorck, Mlle. Solmar, die ſchöne Robert, General Pfuel, Williſen. Alle Abend Andere. All Ihr Liebes, all Ihre Grazie, all Ihr Gutes, alle weibliche und menſchliche Empfindungen, finde ich darin; die Frau, das Mädchen, die Dame, welche ihre große Welt kennt, und von ihr erzogen iſt, finde ich darin; Taille, Anzug, alles. Und endlich vermiſſe ich, durch das lange und viele Betrachten — à force de le regarder — doch etwas. Einen großen hervorſtechenden Beſtandtheil der ganzen Adelheid; einen, der allem andern Reiz — für
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Was ich hier erlernen ſoll,
Weiß ich ja ſchon längſtens.
Schönes Wetter nimm mich auf,
Oder bleibe bei uns!
Mittwoch, den 10. März 1830.
bei olyſiſchem, reinen, ſonnerleuchteten Welter,
11 Uhr Morgens.
An Adelheid Fürſtin von Carolath.
Berlin, den 18. März 1830. 12 Uhr.
Warmes Regenwetter.
Warum iſt es möglich, einen ſolchen Frevel zu begehn!
(Sechsmal hab’ ich nun ſchon eine nicht ſchreibende Feder!!!
das begründet bei meinen Nerven die Möglichkeit; ſonſt hätte
ich ihn gar nicht begehn können:) auf einen Brief wie der
Ihrige nicht zu antworten: auf ſolch Geſchenk nicht! Wel-
ches mir mein Haus beliebt macht, verſchönt. Unzähligemal,
zwanzig-dreißigmal ſehe ich es des Tages an, und betrachte
es; und liebe es. Alle Menſchen bewundern es. Geſtern Abend
Gräfin Yorck, Mlle. Solmar, die ſchöne Robert, General Pfuel,
Williſen. Alle Abend Andere. All Ihr Liebes, all Ihre Grazie,
all Ihr Gutes, alle weibliche und menſchliche Empfindungen,
finde ich darin; die Frau, das Mädchen, die Dame, welche
ihre große Welt kennt, und von ihr erzogen iſt, finde ich
darin; Taille, Anzug, alles. Und endlich vermiſſe ich, durch
das lange und viele Betrachten — à force de le regarder —
doch etwas. Einen großen hervorſtechenden Beſtandtheil der
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/433>, abgerufen am 29.11.2024.
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