er wissen wie er ist, so muß er Andere über sich hören, die sehen ihn wie er eigentlich ist." Mir kommt es ganz anders vor. Was wir für einen Eindruck machen; das können wir nur von Andern erfahren: und das auch von dem Dümmsten und Närrischten; aber wie wir sind, weiß kein Mensch besser, als wir selbst: und sei dieses Wissen auch noch so dunkel durch Verwirrung. Wir sehen uns konkav; und die Andern sehen uns konvex: wiederhole ich hier. Es heißt auch: in ei- nen Menschen hinein gehn, um ihn zu beurtheilen. Aber jeder sitzt in sich selbst. Wir sind zwar Alle gleich: aber nur an unsern Gränzen: innen ist eine Unendlichkeit von Schöp- fungen auf das Eine Exempel angewandt erfunden, ersonnen (concu). Hier ist der größte Witz; sogar sein Ursprung, für unser Bewußtsein, zu finden; die Persönlichkeiten; nämlich, die verschiedenen Personen. --
Im Frühling 1825.
Doktor Erhard hatte uns von afrikanischen Völkern und Königen erzählt, deren Grausamkeiten ich gar nicht vergessen konnte; von Kinderschlachten, aufgehäuften Menschenköpfen zum Staat bei Audienzen u. s. w. Den andern Tag fing ich immer wieder davon an; und sagte noch: vieles, was wir noch thun, wird in künftigen Zeiten den dann Lebenden eben so vorkommen; unglaublich! So sprachen wir hin und her; endlich sagt Varnh. von deutschen Soldaten, die bei jedem Strafhieb um sich zu bedanken mit der Hand an den Helm gegriffen hätten. Ich bekam Thränen in die Augen.
V. Du weinst?! Worüber?
er wiſſen wie er iſt, ſo muß er Andere über ſich hören, die ſehen ihn wie er eigentlich iſt.“ Mir kommt es ganz anders vor. Was wir für einen Eindruck machen; das können wir nur von Andern erfahren: und das auch von dem Dümmſten und Närriſchten; aber wie wir ſind, weiß kein Menſch beſſer, als wir ſelbſt: und ſei dieſes Wiſſen auch noch ſo dunkel durch Verwirrung. Wir ſehen uns konkav; und die Andern ſehen uns konvex: wiederhole ich hier. Es heißt auch: in ei- nen Menſchen hinein gehn, um ihn zu beurtheilen. Aber jeder ſitzt in ſich ſelbſt. Wir ſind zwar Alle gleich: aber nur an unſern Gränzen: innen iſt eine Unendlichkeit von Schöp- fungen auf das Eine Exempel angewandt erfunden, erſonnen (conçu). Hier iſt der größte Witz; ſogar ſein Urſprung, für unſer Bewußtſein, zu finden; die Perſönlichkeiten; nämlich, die verſchiedenen Perſonen. —
Im Frühling 1825.
Doktor Erhard hatte uns von afrikaniſchen Völkern und Königen erzählt, deren Grauſamkeiten ich gar nicht vergeſſen konnte; von Kinderſchlachten, aufgehäuften Menſchenköpfen zum Staat bei Audienzen u. ſ. w. Den andern Tag fing ich immer wieder davon an; und ſagte noch: vieles, was wir noch thun, wird in künftigen Zeiten den dann Lebenden eben ſo vorkommen; unglaublich! So ſprachen wir hin und her; endlich ſagt Varnh. von deutſchen Soldaten, die bei jedem Strafhieb um ſich zu bedanken mit der Hand an den Helm gegriffen hätten. Ich bekam Thränen in die Augen.
V. Du weinſt?! Worüber?
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er wiſſen wie er iſt, ſo muß er Andere über ſich hören, die
ſehen ihn wie er eigentlich iſt.“ Mir kommt es ganz anders
vor. Was wir für einen Eindruck machen; das können wir
nur von Andern erfahren: und das auch von dem Dümmſten
und Närriſchten; aber wie wir ſind, weiß kein Menſch beſſer,
als wir ſelbſt: und ſei dieſes Wiſſen auch noch ſo dunkel
durch Verwirrung. Wir ſehen uns konkav; und die Andern
ſehen uns konvex: wiederhole ich hier. Es heißt auch: in ei-
nen Menſchen hinein gehn, um ihn zu beurtheilen. Aber
jeder ſitzt in ſich ſelbſt. Wir ſind zwar Alle gleich: aber nur
an unſern Gränzen: innen iſt eine Unendlichkeit von Schöp-
fungen auf das Eine Exempel angewandt erfunden, erſonnen
(conçu). Hier iſt der größte Witz; ſogar ſein Urſprung, für
unſer Bewußtſein, zu finden; die Perſönlichkeiten; nämlich,
die verſchiedenen Perſonen. —
Im Frühling 1825.
Doktor Erhard hatte uns von afrikaniſchen Völkern und
Königen erzählt, deren Grauſamkeiten ich gar nicht vergeſſen
konnte; von Kinderſchlachten, aufgehäuften Menſchenköpfen
zum Staat bei Audienzen u. ſ. w. Den andern Tag fing ich
immer wieder davon an; und ſagte noch: vieles, was wir
noch thun, wird in künftigen Zeiten den dann Lebenden eben
ſo vorkommen; unglaublich! So ſprachen wir hin und her;
endlich ſagt Varnh. von deutſchen Soldaten, die bei jedem
Strafhieb um ſich zu bedanken mit der Hand an den Helm
gegriffen hätten. Ich bekam Thränen in die Augen.
V. Du weinſt?! Worüber?
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/209>, abgerufen am 25.11.2024.
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