Vorsätze aller Art, die er nicht genug verbirgt -- stellt sich Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimension und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er ganz verkannt -- von den proneurs; und von der Heerde, die den Tadlern nachspringt -- und das ist fast gerecht: da Righini wenig erkannt war, und vergessen ist; obgleich ich bei jeder Schönheit in Spontini's Musik gleich Righini an- rufe, und mir sage: wie würde der das schön finden! Spon- tini ist ihm sehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in ihm. "Es winken sich die Weisen aller Zeiten!" über die weg, von denen sie nicht erkannt werden. Liebe, wie sie Righini dichtete, hat er noch nie geschildert. Auch den Olymp in seiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht: auch gli infernali nicht mit poetischer Ahndung des Schreckens und wühlenden Grausens. Auch daß er Liebe schildern kann, glaub' ich; hätte sie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge- sessen! wo sie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird; wo aber die Nation sie sich erzogen hat, daß sie soll in Ge- sellschaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea- tern zu erscheinen hat. Aber eine Artigkeit tragisch und leiden- schaftlich darstellen, muß monströs oder lächerlich ausfallen. Also große reparation de talent an maitre Spontini. Heute bin ich nun zu echauffirt, Also Adieu! V. findet das hier über Spontini sehr gut.
Sonnabend, den 13. Mai 1825.
Heute Nacht träumte mir, ich sei auf einem ganz ge- wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zusammen; von
Vorſätze aller Art, die er nicht genug verbirgt — ſtellt ſich Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimenſion und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er ganz verkannt — von den prôneurs; und von der Heerde, die den Tadlern nachſpringt — und das iſt faſt gerecht: da Righini wenig erkannt war, und vergeſſen iſt; obgleich ich bei jeder Schönheit in Spontini’s Muſik gleich Righini an- rufe, und mir ſage: wie würde der das ſchön finden! Spon- tini iſt ihm ſehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in ihm. „Es winken ſich die Weiſen aller Zeiten!“ über die weg, von denen ſie nicht erkannt werden. Liebe, wie ſie Righini dichtete, hat er noch nie geſchildert. Auch den Olymp in ſeiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht: auch gli infernali nicht mit poetiſcher Ahndung des Schreckens und wühlenden Grauſens. Auch daß er Liebe ſchildern kann, glaub’ ich; hätte ſie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge- ſeſſen! wo ſie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird; wo aber die Nation ſie ſich erzogen hat, daß ſie ſoll in Ge- ſellſchaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea- tern zu erſcheinen hat. Aber eine Artigkeit tragiſch und leiden- ſchaftlich darſtellen, muß monſtrös oder lächerlich ausfallen. Alſo große réparation de talent an maitre Spontini. Heute bin ich nun zu echauffirt, Alſo Adieu! V. findet das hier über Spontini ſehr gut.
Sonnabend, den 13. Mai 1825.
Heute Nacht träumte mir, ich ſei auf einem ganz ge- wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zuſammen; von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0207"n="199"/>
Vorſätze aller Art, die er nicht genug verbirgt —ſtellt ſich<lb/>
Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimenſion<lb/>
und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er<lb/>
ganz verkannt — von den <hirendition="#aq">prôneurs;</hi> und von der Heerde,<lb/>
die den Tadlern nachſpringt — und das iſt faſt gerecht: da<lb/>
Righini wenig erkannt war, und vergeſſen iſt; obgleich <hirendition="#g">ich</hi><lb/>
bei jeder Schönheit in Spontini’s Muſik gleich Righini an-<lb/>
rufe, und mir ſage: wie würde <hirendition="#g">der</hi> das ſchön finden! Spon-<lb/>
tini iſt ihm ſehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in<lb/>
ihm. „Es winken ſich die Weiſen aller Zeiten!“ über die<lb/>
weg, von denen ſie nicht erkannt werden. Liebe, wie ſie<lb/>
Righini dichtete, hat er noch nie geſchildert. Auch den Olymp<lb/>
in ſeiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht:<lb/>
auch <hirendition="#aq">gli infernali</hi> nicht mit poetiſcher Ahndung des Schreckens<lb/>
und wühlenden Grauſens. Auch daß er Liebe ſchildern kann,<lb/>
glaub’ ich; hätte ſie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge-<lb/>ſeſſen! wo ſie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird;<lb/>
wo aber die Nation ſie ſich erzogen hat, daß ſie ſoll in Ge-<lb/>ſellſchaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea-<lb/>
tern zu erſcheinen hat. Aber eine Artigkeit tragiſch und leiden-<lb/>ſchaftlich darſtellen, muß monſtrös oder lächerlich ausfallen.<lb/>
Alſo große <hirendition="#aq">réparation de talent an maitre Spontini.</hi> Heute<lb/>
bin ich nun zu echauffirt, Alſo Adieu! V. findet das hier<lb/>
über Spontini ſehr gut.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonnabend, den 13. Mai 1825.</hi></dateline><lb/><p>Heute Nacht träumte mir, ich ſei auf einem ganz ge-<lb/>
wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zuſammen; von<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[199/0207]
Vorſätze aller Art, die er nicht genug verbirgt — ſtellt ſich
Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimenſion
und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er
ganz verkannt — von den prôneurs; und von der Heerde,
die den Tadlern nachſpringt — und das iſt faſt gerecht: da
Righini wenig erkannt war, und vergeſſen iſt; obgleich ich
bei jeder Schönheit in Spontini’s Muſik gleich Righini an-
rufe, und mir ſage: wie würde der das ſchön finden! Spon-
tini iſt ihm ſehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in
ihm. „Es winken ſich die Weiſen aller Zeiten!“ über die
weg, von denen ſie nicht erkannt werden. Liebe, wie ſie
Righini dichtete, hat er noch nie geſchildert. Auch den Olymp
in ſeiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht:
auch gli infernali nicht mit poetiſcher Ahndung des Schreckens
und wühlenden Grauſens. Auch daß er Liebe ſchildern kann,
glaub’ ich; hätte ſie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge-
ſeſſen! wo ſie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird;
wo aber die Nation ſie ſich erzogen hat, daß ſie ſoll in Ge-
ſellſchaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea-
tern zu erſcheinen hat. Aber eine Artigkeit tragiſch und leiden-
ſchaftlich darſtellen, muß monſtrös oder lächerlich ausfallen.
Alſo große réparation de talent an maitre Spontini. Heute
bin ich nun zu echauffirt, Alſo Adieu! V. findet das hier
über Spontini ſehr gut.
Sonnabend, den 13. Mai 1825.
Heute Nacht träumte mir, ich ſei auf einem ganz ge-
wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zuſammen; von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/207>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.