Am liebsten läse ich mit dem Verfasser -- wie bei jedem Buche -- die bewußten Briefe. Weil kleine Einwürfe oft ein großer Damm sind; und, hat man die nicht gemacht, der Strom des Autors hinführt wo er eben will. Selbst aber vom Strom richtig nach des Verfassers Schlußmeinung geführt, muß ich über die Gegenstände, die er erörtert, das sehen, vor- finden, und wieder denken, welches mir Einer abnöthigen würde, wenn er auch, und auch mit Gründen, das Gegentheil behauptet hätte. Daß nämlich die zu machenden Einrichtun- gen eines Staatswirthschafters tiefer zu suchen sind, als in seinen ökonomischen Zuständen: zu welcher Tiefe der Verfasser der Briefe auch richtig gelangt. Er spricht von der Perfekti- bilität des menschlichen Geistes; und von der seines Wohlle- bens; welches sich alle Wirthschafter und Regierer müssen ge- fallen lassen, wenn sie nicht einsichtig genug sind, von Hause aus grad danach zu handlen. Man ist nicht fromm, wenn man diese Perfektibilität nicht einsieht; und weiß nicht, was fromm ist, wenn man diese Einsicht nicht für Frommheit hält.
Der Grund aller Wirthschaft ist: bedürfen, und haben. Geld: ein Zeichen des Besitzes, den wir nicht unmittelbar ver- zehren müssen. Haben wir nun zu viel Geld, so ist das nur scheinbar, und augenblicklich; da kein Land alles hat, was es verbraucht, und es sich also für Geld solches kann kommen lassen. Hat es zu viel Produkte, so kann es sie verführen;
wollen
An M. Th. Robert.
Den 19. December 1823.
Am liebſten läſe ich mit dem Verfaſſer — wie bei jedem Buche — die bewußten Briefe. Weil kleine Einwürfe oft ein großer Damm ſind; und, hat man die nicht gemacht, der Strom des Autors hinführt wo er eben will. Selbſt aber vom Strom richtig nach des Verfaſſers Schlußmeinung geführt, muß ich über die Gegenſtände, die er erörtert, das ſehen, vor- finden, und wieder denken, welches mir Einer abnöthigen würde, wenn er auch, und auch mit Gründen, das Gegentheil behauptet hätte. Daß nämlich die zu machenden Einrichtun- gen eines Staatswirthſchafters tiefer zu ſuchen ſind, als in ſeinen ökonomiſchen Zuſtänden: zu welcher Tiefe der Verfaſſer der Briefe auch richtig gelangt. Er ſpricht von der Perfekti- bilität des menſchlichen Geiſtes; und von der ſeines Wohlle- bens; welches ſich alle Wirthſchafter und Regierer müſſen ge- fallen laſſen, wenn ſie nicht einſichtig genug ſind, von Hauſe aus grad danach zu handlen. Man iſt nicht fromm, wenn man dieſe Perfektibilität nicht einſieht; und weiß nicht, was fromm iſt, wenn man dieſe Einſicht nicht für Frommheit hält.
Der Grund aller Wirthſchaft iſt: bedürfen, und haben. Geld: ein Zeichen des Beſitzes, den wir nicht unmittelbar ver- zehren müſſen. Haben wir nun zu viel Geld, ſo iſt das nur ſcheinbar, und augenblicklich; da kein Land alles hat, was es verbraucht, und es ſich alſo für Geld ſolches kann kommen laſſen. Hat es zu viel Produkte, ſo kann es ſie verführen;
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An M. Th. Robert.
Den 19. December 1823.
Am liebſten läſe ich mit dem Verfaſſer — wie bei jedem
Buche — die bewußten Briefe. Weil kleine Einwürfe oft ein
großer Damm ſind; und, hat man die nicht gemacht, der
Strom des Autors hinführt wo er eben will. Selbſt aber vom
Strom richtig nach des Verfaſſers Schlußmeinung geführt,
muß ich über die Gegenſtände, die er erörtert, das ſehen, vor-
finden, und wieder denken, welches mir Einer abnöthigen
würde, wenn er auch, und auch mit Gründen, das Gegentheil
behauptet hätte. Daß nämlich die zu machenden Einrichtun-
gen eines Staatswirthſchafters tiefer zu ſuchen ſind, als in
ſeinen ökonomiſchen Zuſtänden: zu welcher Tiefe der Verfaſſer
der Briefe auch richtig gelangt. Er ſpricht von der Perfekti-
bilität des menſchlichen Geiſtes; und von der ſeines Wohlle-
bens; welches ſich alle Wirthſchafter und Regierer müſſen ge-
fallen laſſen, wenn ſie nicht einſichtig genug ſind, von Hauſe
aus grad danach zu handlen. Man iſt nicht fromm, wenn
man dieſe Perfektibilität nicht einſieht; und weiß nicht, was
fromm iſt, wenn man dieſe Einſicht nicht für Frommheit hält.
Der Grund aller Wirthſchaft iſt: bedürfen, und haben.
Geld: ein Zeichen des Beſitzes, den wir nicht unmittelbar ver-
zehren müſſen. Haben wir nun zu viel Geld, ſo iſt das nur
ſcheinbar, und augenblicklich; da kein Land alles hat, was
es verbraucht, und es ſich alſo für Geld ſolches kann kommen
laſſen. Hat es zu viel Produkte, ſo kann es ſie verführen;
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/136>, abgerufen am 26.11.2024.
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