Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

sung geht der aus! Nach welcher großen Menschenangelegen-
heit strebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltsam hin!
Auch er führt uns durch accentuirte, scharf gezeichnete Details,
ohne unnütz zu werden und sich daher in's Langweilige zu
verlieren: im genauesten Sinne des Worts, verlieren. Nicht
als Meister, überläßt es Walter Scott dem Leser, noch seine
bessere Beabsichtigung fest zu halten. Er schildert Winkel,
anstatt die Welt. Es ist wahr: daß wer einen Winkel ab-
solut kennte, begriffe und schildern könnte, der würde der sein,
der die Natur verstände wie sie lebt und ist; aber den Zusam-
menhang dieses Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen
verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent diese Verein-
zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird sie: und Walter
Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er so sehr,
so Vielen gefällt, die Einen Geschmack mit ihm haben, und
ihm daher lieber sein müssen. --



An Rose, im Haag.


Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko-
thig Wetter, welches manchmal hell werden
will: auch die Sonne zeigte sich Einmal.

-- -- Es freut mich nicht wenig, daß du wohl bist, und
die Reise gut überstanden hast! Mich schlug ein einziger Vor-
mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennst meine Gesundheit
nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich.
Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feste und Auf-

ſung geht der aus! Nach welcher großen Menſchenangelegen-
heit ſtrebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltſam hin!
Auch er führt uns durch accentuirte, ſcharf gezeichnete Details,
ohne unnütz zu werden und ſich daher in’s Langweilige zu
verlieren: im genaueſten Sinne des Worts, verlieren. Nicht
als Meiſter, überläßt es Walter Scott dem Leſer, noch ſeine
beſſere Beabſichtigung feſt zu halten. Er ſchildert Winkel,
anſtatt die Welt. Es iſt wahr: daß wer einen Winkel ab-
ſolut kennte, begriffe und ſchildern könnte, der würde der ſein,
der die Natur verſtände wie ſie lebt und iſt; aber den Zuſam-
menhang dieſes Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen
verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent dieſe Verein-
zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird ſie: und Walter
Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er ſo ſehr,
ſo Vielen gefällt, die Einen Geſchmack mit ihm haben, und
ihm daher lieber ſein müſſen. —



An Roſe, im Haag.


Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko-
thig Wetter, welches manchmal hell werden
will: auch die Sonne zeigte ſich Einmal.

— — Es freut mich nicht wenig, daß du wohl biſt, und
die Reiſe gut überſtanden haſt! Mich ſchlug ein einziger Vor-
mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennſt meine Geſundheit
nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich.
Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feſte und Auf-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="126"/>
&#x017F;ung geht der aus! Nach welcher großen Men&#x017F;chenangelegen-<lb/>
heit &#x017F;trebt und zielt der auf reinem Wege unaufhalt&#x017F;am hin!<lb/>
Auch er führt uns durch accentuirte, &#x017F;charf gezeichnete Details,<lb/>
ohne unnütz zu werden und &#x017F;ich daher in&#x2019;s Langweilige zu<lb/>
verlieren: im genaue&#x017F;ten Sinne des Worts, <hi rendition="#g">verlieren. Nicht</hi><lb/>
als Mei&#x017F;ter, überläßt es Walter Scott dem <hi rendition="#g">Le&#x017F;er</hi>, noch &#x017F;eine<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ere Beab&#x017F;ichtigung fe&#x017F;t zu halten. Er &#x017F;childert Winkel,<lb/>
an&#x017F;tatt die Welt. Es i&#x017F;t wahr: daß wer <hi rendition="#g">einen</hi> Winkel ab-<lb/>
&#x017F;olut kennte, begriffe und &#x017F;childern könnte, der würde der &#x017F;ein,<lb/>
der die Natur ver&#x017F;tände wie &#x017F;ie lebt und i&#x017F;t; aber den Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang die&#x017F;es Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen<lb/>
verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent die&#x017F;e Verein-<lb/>
zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird &#x017F;ie: und Walter<lb/>
Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er &#x017F;o &#x017F;ehr,<lb/>
&#x017F;o Vielen gefällt, die Einen Ge&#x017F;chmack mit ihm haben, und<lb/>
ihm daher lieber &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Ro&#x017F;e, im Haag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, den 15. November 1823.</hi> </dateline><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko-<lb/>
thig Wetter, welches manchmal hell werden<lb/>
will: auch die Sonne zeigte &#x017F;ich Einmal.</hi> </p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x2014; Es freut mich nicht wenig, daß du wohl bi&#x017F;t, und<lb/>
die Rei&#x017F;e gut über&#x017F;tanden ha&#x017F;t! Mich &#x017F;chlug ein einziger Vor-<lb/>
mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kenn&#x017F;t meine Ge&#x017F;undheit<lb/>
nicht! Grad zwei Monat im <hi rendition="#g">ganzen</hi> Jahr war ich ziemlich.<lb/>
Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Fe&#x017F;te und Auf-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0134] ſung geht der aus! Nach welcher großen Menſchenangelegen- heit ſtrebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltſam hin! Auch er führt uns durch accentuirte, ſcharf gezeichnete Details, ohne unnütz zu werden und ſich daher in’s Langweilige zu verlieren: im genaueſten Sinne des Worts, verlieren. Nicht als Meiſter, überläßt es Walter Scott dem Leſer, noch ſeine beſſere Beabſichtigung feſt zu halten. Er ſchildert Winkel, anſtatt die Welt. Es iſt wahr: daß wer einen Winkel ab- ſolut kennte, begriffe und ſchildern könnte, der würde der ſein, der die Natur verſtände wie ſie lebt und iſt; aber den Zuſam- menhang dieſes Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent dieſe Verein- zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird ſie: und Walter Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er ſo ſehr, ſo Vielen gefällt, die Einen Geſchmack mit ihm haben, und ihm daher lieber ſein müſſen. — An Roſe, im Haag. Berlin, den 15. November 1823. Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko- thig Wetter, welches manchmal hell werden will: auch die Sonne zeigte ſich Einmal. — — Es freut mich nicht wenig, daß du wohl biſt, und die Reiſe gut überſtanden haſt! Mich ſchlug ein einziger Vor- mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennſt meine Geſundheit nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich. Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feſte und Auf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/134
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/134>, abgerufen am 26.11.2024.