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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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von der Jugendscholle abgerissen leben mußt? -- und das in
einem Zustand, den du noch Glück nennen mußt, der es ist!
Ich empfinde das jetzt sehr hart. Ich bin, außer daß ich V.
habe, ganz isolirt von allem, was sonst als Menschen und
Dinge zu mir gehörte; und fühle es immer weg. Laß mich
keine Fehlbitte thun! Lieber Karl! bring sie; und geht dies
nicht, schicke sie! Um Gottes willen. Ich möchte gerne, daß
dich, Karl, V. sieht. Bist du denn noch recht klug? d. h.
immer klüger geworden? (Apropos! lies Pradt sur le congres
de Vienne.
) Ist es euch sehr lieb, angenehmer im Haag
zu sein? Gesellschaftlicher? Wohnt ihr gut? So gratulire ich
von Herzen. Ich grüße auch Louis recht sehr! er soll mit
kommen; ein wenig kann er immer Bücher versäumen, und
ein Stückchen Welt lernen. Den 7. November schickte mir
Markus deinen Brief, in welchem du ihm die Stelle im Haag
ankündigtest, er bekam ihn denselben Tag mit einem von mir,
worin ich ihm unsere in Karlsruhe meldete. Dies freute ihn
sehr. Ich dachte an Mama! wie bei jedem großen und klei-
nen Garten, Grasplatz oder Besitzung, daß sie es nicht hatte
und so sehr liebte: und nichts hatte, und sich nichts gönnte,
noch schaffte. So auch ich, mußte spät, nach ihrem Tod hei-
rathen. Doch kannte sie Varnh., und seine Liebe zu mir sah
sie wohl: doch dachte sie es sei wie Andere. -- Wenn du mir
antwortest, schreibe: pour Mad. de Varnhagen, aber mache die
Addresse: dem Königlich Preußischen Geschäftsträger Hrn. Ba-
ron von Otterstedt in Frankfurt am Main. Der ist hier mit
einer sehr braven Frau, und vier Kindern. Er spricht mir
täglich von dir mit dem größten Enthusiasmus; und will im-

von der Jugendſcholle abgeriſſen leben mußt? — und das in
einem Zuſtand, den du noch Glück nennen mußt, der es iſt!
Ich empfinde das jetzt ſehr hart. Ich bin, außer daß ich V.
habe, ganz iſolirt von allem, was ſonſt als Menſchen und
Dinge zu mir gehörte; und fühle es immer weg. Laß mich
keine Fehlbitte thun! Lieber Karl! bring ſie; und geht dies
nicht, ſchicke ſie! Um Gottes willen. Ich möchte gerne, daß
dich, Karl, V. ſieht. Biſt du denn noch recht klug? d. h.
immer klüger geworden? (Apropos! lies Pradt sur le congrès
de Vienne.
) Iſt es euch ſehr lieb, angenehmer im Haag
zu ſein? Geſellſchaftlicher? Wohnt ihr gut? So gratulire ich
von Herzen. Ich grüße auch Louis recht ſehr! er ſoll mit
kommen; ein wenig kann er immer Bücher verſäumen, und
ein Stückchen Welt lernen. Den 7. November ſchickte mir
Markus deinen Brief, in welchem du ihm die Stelle im Haag
ankündigteſt, er bekam ihn denſelben Tag mit einem von mir,
worin ich ihm unſere in Karlsruhe meldete. Dies freute ihn
ſehr. Ich dachte an Mama! wie bei jedem großen und klei-
nen Garten, Grasplatz oder Beſitzung, daß ſie es nicht hatte
und ſo ſehr liebte: und nichts hatte, und ſich nichts gönnte,
noch ſchaffte. So auch ich, mußte ſpät, nach ihrem Tod hei-
rathen. Doch kannte ſie Varnh., und ſeine Liebe zu mir ſah
ſie wohl: doch dachte ſie es ſei wie Andere. — Wenn du mir
antworteſt, ſchreibe: pour Mad. de Varnhagen, aber mache die
Addreſſe: dem Königlich Preußiſchen Geſchäftsträger Hrn. Ba-
ron von Otterſtedt in Frankfurt am Main. Der iſt hier mit
einer ſehr braven Frau, und vier Kindern. Er ſpricht mir
täglich von dir mit dem größten Enthuſiasmus; und will im-

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[366/0374] von der Jugendſcholle abgeriſſen leben mußt? — und das in einem Zuſtand, den du noch Glück nennen mußt, der es iſt! Ich empfinde das jetzt ſehr hart. Ich bin, außer daß ich V. habe, ganz iſolirt von allem, was ſonſt als Menſchen und Dinge zu mir gehörte; und fühle es immer weg. Laß mich keine Fehlbitte thun! Lieber Karl! bring ſie; und geht dies nicht, ſchicke ſie! Um Gottes willen. Ich möchte gerne, daß dich, Karl, V. ſieht. Biſt du denn noch recht klug? d. h. immer klüger geworden? (Apropos! lies Pradt sur le congrès de Vienne.) Iſt es euch ſehr lieb, angenehmer im Haag zu ſein? Geſellſchaftlicher? Wohnt ihr gut? So gratulire ich von Herzen. Ich grüße auch Louis recht ſehr! er ſoll mit kommen; ein wenig kann er immer Bücher verſäumen, und ein Stückchen Welt lernen. Den 7. November ſchickte mir Markus deinen Brief, in welchem du ihm die Stelle im Haag ankündigteſt, er bekam ihn denſelben Tag mit einem von mir, worin ich ihm unſere in Karlsruhe meldete. Dies freute ihn ſehr. Ich dachte an Mama! wie bei jedem großen und klei- nen Garten, Grasplatz oder Beſitzung, daß ſie es nicht hatte und ſo ſehr liebte: und nichts hatte, und ſich nichts gönnte, noch ſchaffte. So auch ich, mußte ſpät, nach ihrem Tod hei- rathen. Doch kannte ſie Varnh., und ſeine Liebe zu mir ſah ſie wohl: doch dachte ſie es ſei wie Andere. — Wenn du mir antworteſt, ſchreibe: pour Mad. de Varnhagen, aber mache die Addreſſe: dem Königlich Preußiſchen Geſchäftsträger Hrn. Ba- ron von Otterſtedt in Frankfurt am Main. Der iſt hier mit einer ſehr braven Frau, und vier Kindern. Er ſpricht mir täglich von dir mit dem größten Enthuſiasmus; und will im-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/374>, abgerufen am 25.11.2024.