Gräuel ist, der mir Heimath, Asyl, und Ruhe, und Muße raubt; und mich bei mehrerem Einkommen schlechter leben und mehr ausgeben läßt. Alles für die Zukunft, Roseken! die immer einen Schritt vorwärts geht. Aber lebte Mama nur ein bischen, und sähe Rahle verheirathet, und vergöttert von dem Mann; der sie ohne einen Sous genommen hat; denn noch hab' ich keinen Sous von meinem Vermögen zu se- hen bekommen. Nicht einmal werden mir Interessen angebo- ten, das heißt, geschickt; wie sich's gebührte. (Wir sind aber ganz gut: ich und die Brüder:) aber, was ich trage, meine Fluchtreise vor der Hochzeit, vor Brautwerden, alles, hab' ich von V. Von dem schreibe ich nichts: den mußt du mit mir sehen, dann wirst, dann kannst du's glauben. Frank- furt ist näher zu Amsterdam als zu Berlin: bei Karlsruh ist ein berühmtes warmes Bad gegen Rheumatism; dorthin hat mir Markus zugeschworen kommt er mich diesen Sommer mit Frau und Kinder besuchen; in der göttlichsten Gegend; du wirst doch nicht sterben wollen, ohne je etwas für dich zu thun? (Karl meint das auch nicht:) ohne uns zu sehen -- sieh wie unsere Bekannte wegsterben zu Hause! Komme also, dein Knabe ist erwachsen, mit oder ohne ihn nach Karlsruhe! Hundert Dukaten, die ich zur holländischen Reise hingelegt hatte, will ich dir, geliebte Schwester, auf der Stelle assigni- ren. Dies ist keine Schande! Wer sie erst bei der Hand hat, der giebt sie zu solch einer Freude. Was hat man denn sonst! Was erlebt man denn? Ganze Reihen kleiner Le- benswidersprüche. Große Kriege, Flucht, Krankheit. Ist es nicht genug, daß du in einem dich untergrabenden Klima,
Gräuel iſt, der mir Heimath, Aſyl, und Ruhe, und Muße raubt; und mich bei mehrerem Einkommen ſchlechter leben und mehr ausgeben läßt. Alles für die Zukunft, Roſeken! die immer einen Schritt vorwärts geht. Aber lebte Mama nur ein bischen, und ſähe Rahle verheirathet, und vergöttert von dem Mann; der ſie ohne einen Sous genommen hat; denn noch hab’ ich keinen Sous von meinem Vermögen zu ſe- hen bekommen. Nicht einmal werden mir Intereſſen angebo- ten, das heißt, geſchickt; wie ſich’s gebührte. (Wir ſind aber ganz gut: ich und die Brüder:) aber, was ich trage, meine Fluchtreiſe vor der Hochzeit, vor Brautwerden, alles, hab’ ich von V. Von dem ſchreibe ich nichts: den mußt du mit mir ſehen, dann wirſt, dann kannſt du’s glauben. Frank- furt iſt näher zu Amſterdam als zu Berlin: bei Karlsruh iſt ein berühmtes warmes Bad gegen Rheumatism; dorthin hat mir Markus zugeſchworen kommt er mich dieſen Sommer mit Frau und Kinder beſuchen; in der göttlichſten Gegend; du wirſt doch nicht ſterben wollen, ohne je etwas für dich zu thun? (Karl meint das auch nicht:) ohne uns zu ſehen — ſieh wie unſere Bekannte wegſterben zu Hauſe! Komme alſo, dein Knabe iſt erwachſen, mit oder ohne ihn nach Karlsruhe! Hundert Dukaten, die ich zur holländiſchen Reiſe hingelegt hatte, will ich dir, geliebte Schweſter, auf der Stelle aſſigni- ren. Dies iſt keine Schande! Wer ſie erſt bei der Hand hat, der giebt ſie zu ſolch einer Freude. Was hat man denn ſonſt! Was erlebt man denn? Ganze Reihen kleiner Le- benswiderſprüche. Große Kriege, Flucht, Krankheit. Iſt es nicht genug, daß du in einem dich untergrabenden Klima,
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Gräuel iſt, der mir Heimath, Aſyl, und Ruhe, und Muße
raubt; und mich bei mehrerem Einkommen ſchlechter leben und
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immer einen Schritt vorwärts geht. Aber lebte Mama nur
ein bischen, und ſähe Rahle verheirathet, und vergöttert
von dem Mann; der ſie ohne einen Sous genommen hat;
denn noch hab’ ich keinen Sous von meinem Vermögen zu ſe-
hen bekommen. Nicht einmal werden mir Intereſſen angebo-
ten, das heißt, geſchickt; wie ſich’s gebührte. (Wir ſind
aber ganz gut: ich und die Brüder:) aber, was ich trage,
meine Fluchtreiſe vor der Hochzeit, vor Brautwerden, alles,
hab’ ich von V. Von dem ſchreibe ich nichts: den mußt du
mit mir ſehen, dann wirſt, dann kannſt du’s glauben. Frank-
furt iſt näher zu Amſterdam als zu Berlin: bei Karlsruh iſt
ein berühmtes warmes Bad gegen Rheumatism; dorthin hat
mir Markus zugeſchworen kommt er mich dieſen Sommer
mit Frau und Kinder beſuchen; in der göttlichſten Gegend;
du wirſt doch nicht ſterben wollen, ohne je etwas für dich
zu thun? (Karl meint das auch nicht:) ohne uns zu ſehen —
ſieh wie unſere Bekannte wegſterben zu Hauſe! Komme alſo,
dein Knabe iſt erwachſen, mit oder ohne ihn nach Karlsruhe!
Hundert Dukaten, die ich zur holländiſchen Reiſe hingelegt
hatte, will ich dir, geliebte Schweſter, auf der Stelle aſſigni-
ren. Dies iſt keine Schande! Wer ſie erſt bei der Hand
hat, der giebt ſie zu ſolch einer Freude. Was hat man denn
ſonſt! Was erlebt man denn? Ganze Reihen kleiner Le-
benswiderſprüche. Große Kriege, Flucht, Krankheit. Iſt
es nicht genug, daß du in einem dich untergrabenden Klima,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/373>, abgerufen am 25.11.2024.
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