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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet,
sie komme stets als ein "minister of heaven," dann aber wie-
der mit Dank und Freundlichkeit entlassen.

Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört
hatte, empfand Rahel ein unwiderstehliches Bedürfniß, sich
umzukleiden; da sie es sich nicht ausreden ließ, so geschah es,
aber mit größter Vorsicht. Sie selbst war dabei lebhaft thä-
tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er-
langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte sich höchst erquickt,
und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der sie etwas
schlummern könnte. Sie sagte mir deßhalb gute Nacht, und
hieß mich gleichfalls schlafen gehen. Auch Dore sollte sich
niederlegen und schlafen, die aber nicht geneigt war noch
Zeit hatte, dieser Weisung zu folgen.

Es mochte nach Mitternacht sein, und ich lag noch wach,
als Dore mich rief, ich möchte kommen, es sei sehr schlimm.
Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel,
anstatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit stets anwachsenden
Beschwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Brust-
krampf übergegangen waren. Ich fand sie in einem Zustande,
der wenig geringer schien, als der vor sechs Tagen. Die für
solchen Fall, den man zwar nicht wahrscheinlich, aber doch
möglich erachtet hatte, dagelassenen Mittel wurden eifrig an-
gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der schreck-
liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore's
Armen sich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die
Brust sei nicht auszuhalten, es stoße ihr das Herz ab; fürch-

Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet,
ſie komme ſtets als ein „minister of heaven,” dann aber wie-
der mit Dank und Freundlichkeit entlaſſen.

Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört
hatte, empfand Rahel ein unwiderſtehliches Bedürfniß, ſich
umzukleiden; da ſie es ſich nicht ausreden ließ, ſo geſchah es,
aber mit größter Vorſicht. Sie ſelbſt war dabei lebhaft thä-
tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er-
langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte ſich höchſt erquickt,
und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der ſie etwas
ſchlummern könnte. Sie ſagte mir deßhalb gute Nacht, und
hieß mich gleichfalls ſchlafen gehen. Auch Dore ſollte ſich
niederlegen und ſchlafen, die aber nicht geneigt war noch
Zeit hatte, dieſer Weiſung zu folgen.

Es mochte nach Mitternacht ſein, und ich lag noch wach,
als Dore mich rief, ich möchte kommen, es ſei ſehr ſchlimm.
Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel,
anſtatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit ſtets anwachſenden
Beſchwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Bruſt-
krampf übergegangen waren. Ich fand ſie in einem Zuſtande,
der wenig geringer ſchien, als der vor ſechs Tagen. Die für
ſolchen Fall, den man zwar nicht wahrſcheinlich, aber doch
möglich erachtet hatte, dagelaſſenen Mittel wurden eifrig an-
gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der ſchreck-
liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore’s
Armen ſich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die
Bruſt ſei nicht auszuhalten, es ſtoße ihr das Herz ab; fürch-

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[47/0061] Rahels Bette, und wurde von ihr mit den Worten angeredet, ſie komme ſtets als ein „minister of heaven,” dann aber wie- der mit Dank und Freundlichkeit entlaſſen. Beim Eintritt der Nacht, und als der Schweiß aufgehört hatte, empfand Rahel ein unwiderſtehliches Bedürfniß, ſich umzukleiden; da ſie es ſich nicht ausreden ließ, ſo geſchah es, aber mit größter Vorſicht. Sie ſelbſt war dabei lebhaft thä- tig, und bezeigte eine außerordentliche Befriedigung, dies er- langt und vollbracht zu haben. Sie fühlte ſich höchſt erquickt, und hoffte nun auch eine Lage zu finden, in der ſie etwas ſchlummern könnte. Sie ſagte mir deßhalb gute Nacht, und hieß mich gleichfalls ſchlafen gehen. Auch Dore ſollte ſich niederlegen und ſchlafen, die aber nicht geneigt war noch Zeit hatte, dieſer Weiſung zu folgen. Es mochte nach Mitternacht ſein, und ich lag noch wach, als Dore mich rief, ich möchte kommen, es ſei ſehr ſchlimm. Seit dem Augenblicke, daß ich weggegangen war, hatte Rahel, anſtatt die gehoffte Ruhe zu finden, mit ſtets anwachſenden Beſchwerden zu ringen gehabt, die jetzt in völligen Bruſt- krampf übergegangen waren. Ich fand ſie in einem Zuſtande, der wenig geringer ſchien, als der vor ſechs Tagen. Die für ſolchen Fall, den man zwar nicht wahrſcheinlich, aber doch möglich erachtet hatte, dagelaſſenen Mittel wurden eifrig an- gewandt, allein diesmal mit minderem Erfolg. Der ſchreck- liche Kampf dauerte fort, und die theure Leidende, in Dore’s Armen ſich windend, rief mehrmals, der Andrang gegen die Bruſt ſei nicht auszuhalten, es ſtoße ihr das Herz ab; fürch-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/61>, abgerufen am 17.05.2024.