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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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einen lieben können; und das konnt' ich gleich, wie ich ihn
sah; der erste Eindruck ist aber nur ewig wahr, und richtig.
In meinem Schlafzimmer hab' ich Prinz Louis Ferdinands
Büste, und trotz dies mein geliebter verlorner Freund ist, so
ist mir die Büste doch auch wegen des Grafen Ähnlichkeit
lieb; und dies ist sehr viel! Ich weiß aber, Louis selbst wäre
damit zufrieden. Dies lies ihm alles. Ja sogar seinen Bru-
der hab' ich durch ihn lieb, der leisen, doch verbreiteten Ähn-
lichkeit wegen. Sag' dem Grafen, wie ich jetzt nicht schreiben
kann; mir es aber vorbehalte; wie erfreut ich von seinem
guten Gruß bin, und daß er mir noch wohl will. Bleiben
wir leben, so entgeht er uns nicht: wir leben noch viel mit
ihm. Ich nehme an allem, was ihn betrifft, den regesten
Antheil. Dem Geheimrath Wolf werde ich das Blättchen mit
ein paar Worten schicken. Dienstag Abend, grad als Marwitz
kam, mußt' ich hin zu ihm zu einem Thee, wo Woltmanns
waren: ziemlich tiede, aber doch natürlich alles: ich noch mehr
todt als lebendig. --

Mir gefällt der Vorfall mit Goethen und dein Schreiben
an ihn. Wenn er wissen will, wer die Verfasser sind, mich
kannst du nennen! und alle meine Türpitüden! -- wie Gentz
mir einmal schrieb, ich schriebe Briefe, wo die Blüthen und
Früchte drin liegen, mit samt den Wurzeln und der Erde
dran aus dem Boden gezogen. Und Würmchen. Dies ist
meine Türpitüde. Mir liegt gar nichts dran, ob es gedruckt
wird: wenn Goethe es nur gesehen hat; er nur weiß, welche
bewußte Liebe für ihn schon mit ihm zugleich lebt. Wie ver-
göttert er in Deutschland, in Berlin wird. Das Publikum

einen lieben können; und das konnt’ ich gleich, wie ich ihn
ſah; der erſte Eindruck iſt aber nur ewig wahr, und richtig.
In meinem Schlafzimmer hab’ ich Prinz Louis Ferdinands
Büſte, und trotz dies mein geliebter verlorner Freund iſt, ſo
iſt mir die Büſte doch auch wegen des Grafen Ähnlichkeit
lieb; und dies iſt ſehr viel! Ich weiß aber, Louis ſelbſt wäre
damit zufrieden. Dies lies ihm alles. Ja ſogar ſeinen Bru-
der hab’ ich durch ihn lieb, der leiſen, doch verbreiteten Ähn-
lichkeit wegen. Sag’ dem Grafen, wie ich jetzt nicht ſchreiben
kann; mir es aber vorbehalte; wie erfreut ich von ſeinem
guten Gruß bin, und daß er mir noch wohl will. Bleiben
wir leben, ſo entgeht er uns nicht: wir leben noch viel mit
ihm. Ich nehme an allem, was ihn betrifft, den regeſten
Antheil. Dem Geheimrath Wolf werde ich das Blättchen mit
ein paar Worten ſchicken. Dienstag Abend, grad als Marwitz
kam, mußt’ ich hin zu ihm zu einem Thee, wo Woltmanns
waren: ziemlich tiède, aber doch natürlich alles: ich noch mehr
todt als lebendig. —

Mir gefällt der Vorfall mit Goethen und dein Schreiben
an ihn. Wenn er wiſſen will, wer die Verfaſſer ſind, mich
kannſt du nennen! und alle meine Türpitüden! — wie Gentz
mir einmal ſchrieb, ich ſchriebe Briefe, wo die Blüthen und
Früchte drin liegen, mit ſamt den Wurzeln und der Erde
dran aus dem Boden gezogen. Und Würmchen. Dies iſt
meine Türpitüde. Mir liegt gar nichts dran, ob es gedruckt
wird: wenn Goethe es nur geſehen hat; er nur weiß, welche
bewußte Liebe für ihn ſchon mit ihm zugleich lebt. Wie ver-
göttert er in Deutſchland, in Berlin wird. Das Publikum

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[574/0588] einen lieben können; und das konnt’ ich gleich, wie ich ihn ſah; der erſte Eindruck iſt aber nur ewig wahr, und richtig. In meinem Schlafzimmer hab’ ich Prinz Louis Ferdinands Büſte, und trotz dies mein geliebter verlorner Freund iſt, ſo iſt mir die Büſte doch auch wegen des Grafen Ähnlichkeit lieb; und dies iſt ſehr viel! Ich weiß aber, Louis ſelbſt wäre damit zufrieden. Dies lies ihm alles. Ja ſogar ſeinen Bru- der hab’ ich durch ihn lieb, der leiſen, doch verbreiteten Ähn- lichkeit wegen. Sag’ dem Grafen, wie ich jetzt nicht ſchreiben kann; mir es aber vorbehalte; wie erfreut ich von ſeinem guten Gruß bin, und daß er mir noch wohl will. Bleiben wir leben, ſo entgeht er uns nicht: wir leben noch viel mit ihm. Ich nehme an allem, was ihn betrifft, den regeſten Antheil. Dem Geheimrath Wolf werde ich das Blättchen mit ein paar Worten ſchicken. Dienstag Abend, grad als Marwitz kam, mußt’ ich hin zu ihm zu einem Thee, wo Woltmanns waren: ziemlich tiède, aber doch natürlich alles: ich noch mehr todt als lebendig. — Mir gefällt der Vorfall mit Goethen und dein Schreiben an ihn. Wenn er wiſſen will, wer die Verfaſſer ſind, mich kannſt du nennen! und alle meine Türpitüden! — wie Gentz mir einmal ſchrieb, ich ſchriebe Briefe, wo die Blüthen und Früchte drin liegen, mit ſamt den Wurzeln und der Erde dran aus dem Boden gezogen. Und Würmchen. Dies iſt meine Türpitüde. Mir liegt gar nichts dran, ob es gedruckt wird: wenn Goethe es nur geſehen hat; er nur weiß, welche bewußte Liebe für ihn ſchon mit ihm zugleich lebt. Wie ver- göttert er in Deutſchland, in Berlin wird. Das Publikum

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/588>, abgerufen am 18.06.2024.