hat ihn in seinen Schriften, und die, die ihn nicht mit Herz- schlag und allen Sinnen verehren, hegen, ewig zu ihrem eig- nen Erstaunen und Freude immer von neuem lieben, die wer- den doch die Andern nicht verstehen, die das manchmal von sich geben mußten. Ich hab' ihm seit drei Wochen, wo Tasso zum erstenmal gegeben wurde, alle Tage anonym schreiben wollen. Auch Krankheit hielt mich ab; dort wurd' ich es. Ein einzig Publikum, Leute mit Büchern sitzen und hören's da. Junge Offiziere, gespannt wie bei Schlachten, stehen und horchen. Meine Wonne! Es mußten achthundert Men- schen Goethens Götterworte hören und in die Seele einnehmen. Es wurde weit besser gespielt, als man je denken sollte. Das Ganze war von tiefer Wirkung, und herzzerreißend bei der Katastrophe. Referire mir ja von Goethe. Gott! wie verab- göttre ich den immer von neuem. Gottlob, daß du sein Le- ben gelesen hast. Wie weint' ich im Tasso bei jeder Stelle; wie der Souffleur im Meister; aus Schönheit. Wie Tasso das Gedicht giebt; welch ein Moment! die Fürsten wie edel, wie einsichtig. Welche Lehre, wie großartig! Ich höre nicht auf! --
Man muß sich von weitem nicht schelten: man versteht sich dann noch weniger, als in der Nähe! Also -- halten wir uns an die Folge all dieser Schelte. An deine und meine Liebe. Ich umarme dich aus Herzensgrunde! und ermuntere dich zu jedem, was dich mir näher bringt. Ich drücke dich in Liebe an mein Herz. Leb' vergnügt! Ich habe beinah kein Vergnügen. Die Bekanntschaft mit Gräfin Pachta freut mich äußerst. Sag' ihr, wie ich von ihr denke. -- Von der
hat ihn in ſeinen Schriften, und die, die ihn nicht mit Herz- ſchlag und allen Sinnen verehren, hegen, ewig zu ihrem eig- nen Erſtaunen und Freude immer von neuem lieben, die wer- den doch die Andern nicht verſtehen, die das manchmal von ſich geben mußten. Ich hab’ ihm ſeit drei Wochen, wo Taſſo zum erſtenmal gegeben wurde, alle Tage anonym ſchreiben wollen. Auch Krankheit hielt mich ab; dort wurd’ ich es. Ein einzig Publikum, Leute mit Büchern ſitzen und hören’s da. Junge Offiziere, geſpannt wie bei Schlachten, ſtehen und horchen. Meine Wonne! Es mußten achthundert Men- ſchen Goethens Götterworte hören und in die Seele einnehmen. Es wurde weit beſſer geſpielt, als man je denken ſollte. Das Ganze war von tiefer Wirkung, und herzzerreißend bei der Kataſtrophe. Referire mir ja von Goethe. Gott! wie verab- göttre ich den immer von neuem. Gottlob, daß du ſein Le- ben geleſen haſt. Wie weint’ ich im Taſſo bei jeder Stelle; wie der Souffleur im Meiſter; aus Schönheit. Wie Taſſo das Gedicht giebt; welch ein Moment! die Fürſten wie edel, wie einſichtig. Welche Lehre, wie großartig! Ich höre nicht auf! —
Man muß ſich von weitem nicht ſchelten: man verſteht ſich dann noch weniger, als in der Nähe! Alſo — halten wir uns an die Folge all dieſer Schelte. An deine und meine Liebe. Ich umarme dich aus Herzensgrunde! und ermuntere dich zu jedem, was dich mir näher bringt. Ich drücke dich in Liebe an mein Herz. Leb’ vergnügt! Ich habe beinah kein Vergnügen. Die Bekanntſchaft mit Gräfin Pachta freut mich äußerſt. Sag’ ihr, wie ich von ihr denke. — Von der
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hat ihn in ſeinen Schriften, und die, die ihn nicht mit Herz-
ſchlag und allen Sinnen verehren, hegen, ewig zu ihrem eig-
nen Erſtaunen und Freude immer von neuem lieben, die wer-
den doch die Andern nicht verſtehen, die das manchmal von
ſich geben mußten. Ich hab’ ihm ſeit drei Wochen, wo Taſſo
zum erſtenmal gegeben wurde, alle Tage anonym ſchreiben
wollen. Auch Krankheit hielt mich ab; dort wurd’ ich es.
Ein einzig Publikum, Leute mit Büchern ſitzen und hören’s
da. Junge Offiziere, geſpannt wie bei Schlachten, ſtehen und
horchen. Meine Wonne! Es mußten achthundert Men-
ſchen Goethens Götterworte hören und in die Seele einnehmen.
Es wurde weit beſſer geſpielt, als man je denken ſollte. Das
Ganze war von tiefer Wirkung, und herzzerreißend bei der
Kataſtrophe. Referire mir ja von Goethe. Gott! wie verab-
göttre ich den immer von neuem. Gottlob, daß du ſein Le-
ben geleſen haſt. Wie weint’ ich im Taſſo bei jeder Stelle;
wie der Souffleur im Meiſter; aus Schönheit. Wie Taſſo
das Gedicht giebt; welch ein Moment! die Fürſten wie edel,
wie einſichtig. Welche Lehre, wie großartig! Ich höre nicht
auf! —
Man muß ſich von weitem nicht ſchelten: man verſteht
ſich dann noch weniger, als in der Nähe! Alſo — halten
wir uns an die Folge all dieſer Schelte. An deine und meine
Liebe. Ich umarme dich aus Herzensgrunde! und ermuntere
dich zu jedem, was dich mir näher bringt. Ich drücke dich
in Liebe an mein Herz. Leb’ vergnügt! Ich habe beinah
kein Vergnügen. Die Bekanntſchaft mit Gräfin Pachta freut
mich äußerſt. Sag’ ihr, wie ich von ihr denke. — Von der
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/589>, abgerufen am 21.11.2024.
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