stimmt. Ich fragte nach den "Flegeljahren," und hörte zu meiner größten Freude, daß er sie ganz gewiß fort¬ setzen wird; er betrachtet sie wie sein bestes Werk, worin er recht eigentlich wohne, da sei ihm alles heimisch und behaglich, wie eine freundliche Stube, ein bequemes Sopha, und vertraute fröhliche Gesellschaft. Auch ist er überzeugt, seine eigenthümlichste und wahrste Richtung in diesem Buche befolgt, seine wahre Art gewiß darin getroffen zu haben, andre seiner Bücher, meinte er, könnte er mit seinem Talent gemacht haben, in den Flegeljahren aber habe sein Talent ihn selbst ergriffen, auch seien Vult und Walt nur die beiden entgegenge¬ setzten und doch verwandten Personen, aus deren Ver¬ einigung er bestehe.
Wir sprachen noch vielerlei über Schriften und deren Abfassung, deren Triebwerke und Hülfsmittel. Dabei kamen wir denn auch auf das Darstellen von Gegenden und Landschaften. Jean Paul ist darin em großer Mei¬ ster; kein Wunder, da er von je mit der Natur gelebt, in seinen früheren Jahren oft halbe Tage im Freien zugebracht, Wolken und Luft, Land und Wasser, ja jede Blattwindung und Halmstellung, liebevoll beobachtet, das Größte wie das Kleinste, und zu seiner Erinnerung immer alles aufgeschrieben, so viel dies nur möglich war. Er erschrak ordentlich, als ich es wagte, Goethe'n als weniger geschickt in dieser Parthie zu bezeichnen, und erinnerte sogleich an zwei im "Werther" beschriebene
ſtimmt. Ich fragte nach den „Flegeljahren,“ und hoͤrte zu meiner groͤßten Freude, daß er ſie ganz gewiß fort¬ ſetzen wird; er betrachtet ſie wie ſein beſtes Werk, worin er recht eigentlich wohne, da ſei ihm alles heimiſch und behaglich, wie eine freundliche Stube, ein bequemes Sopha, und vertraute froͤhliche Geſellſchaft. Auch iſt er uͤberzeugt, ſeine eigenthuͤmlichſte und wahrſte Richtung in dieſem Buche befolgt, ſeine wahre Art gewiß darin getroffen zu haben, andre ſeiner Buͤcher, meinte er, koͤnnte er mit ſeinem Talent gemacht haben, in den Flegeljahren aber habe ſein Talent ihn ſelbſt ergriffen, auch ſeien Vult und Walt nur die beiden entgegenge¬ ſetzten und doch verwandten Perſonen, aus deren Ver¬ einigung er beſtehe.
Wir ſprachen noch vielerlei uͤber Schriften und deren Abfaſſung, deren Triebwerke und Huͤlfsmittel. Dabei kamen wir denn auch auf das Darſtellen von Gegenden und Landſchaften. Jean Paul iſt darin em großer Mei¬ ſter; kein Wunder, da er von je mit der Natur gelebt, in ſeinen fruͤheren Jahren oft halbe Tage im Freien zugebracht, Wolken und Luft, Land und Waſſer, ja jede Blattwindung und Halmſtellung, liebevoll beobachtet, das Groͤßte wie das Kleinſte, und zu ſeiner Erinnerung immer alles aufgeſchrieben, ſo viel dies nur moͤglich war. Er erſchrak ordentlich, als ich es wagte, Goethe'n als weniger geſchickt in dieſer Parthie zu bezeichnen, und erinnerte ſogleich an zwei im „Werther“ beſchriebene
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ſtimmt. Ich fragte nach den „Flegeljahren,“ und hoͤrte
zu meiner groͤßten Freude, daß er ſie ganz gewiß fort¬
ſetzen wird; er betrachtet ſie wie ſein beſtes Werk, worin
er recht eigentlich wohne, da ſei ihm alles heimiſch und
behaglich, wie eine freundliche Stube, ein bequemes
Sopha, und vertraute froͤhliche Geſellſchaft. Auch iſt
er uͤberzeugt, ſeine eigenthuͤmlichſte und wahrſte Richtung
in dieſem Buche befolgt, ſeine wahre Art gewiß darin
getroffen zu haben, andre ſeiner Buͤcher, meinte er,
koͤnnte er mit ſeinem Talent gemacht haben, in den
Flegeljahren aber habe ſein Talent ihn ſelbſt ergriffen,
auch ſeien Vult und Walt nur die beiden entgegenge¬
ſetzten und doch verwandten Perſonen, aus deren Ver¬
einigung er beſtehe.
Wir ſprachen noch vielerlei uͤber Schriften und deren
Abfaſſung, deren Triebwerke und Huͤlfsmittel. Dabei
kamen wir denn auch auf das Darſtellen von Gegenden
und Landſchaften. Jean Paul iſt darin em großer Mei¬
ſter; kein Wunder, da er von je mit der Natur gelebt,
in ſeinen fruͤheren Jahren oft halbe Tage im Freien
zugebracht, Wolken und Luft, Land und Waſſer, ja jede
Blattwindung und Halmſtellung, liebevoll beobachtet,
das Groͤßte wie das Kleinſte, und zu ſeiner Erinnerung
immer alles aufgeſchrieben, ſo viel dies nur moͤglich
war. Er erſchrak ordentlich, als ich es wagte, Goethe'n
als weniger geſchickt in dieſer Parthie zu bezeichnen,
und erinnerte ſogleich an zwei im „Werther“ beſchriebene
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/85>, abgerufen am 27.11.2024.
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