Annäherung der schwedischen, mit herbeieilender russi¬ scher oder preußischer Verstärkung, mit dem bei Groß- Görschen von den Russen und Preußen erfochtenen Siege und dessen zu hoffender Nachwirkung, auch auf die Verbesserung des Zustandes an der Niederelbe; während der Eingeweihte längst von allem diesen wenig oder nichts hoffen durfte, sondern von allen Seiten nur immer mehr und mehr eine verhängnißvolle Wen¬ dung der Dinge herannahen sah. Die unglücklichen Menschen aus ihrer Täuschung, sofern diese noch be¬ stand, zu reißen, verbot die Klugheit, um nicht die letzte geringe Kraft zu lähmen; sie absichtlich darin zu befestigen, wäre ein grausames Spiel gewesen, das doch nicht lange hätte bestehen können. Unter diesen Umständen schien das Beste, ganz zu schweigen, und nur die Thatsachen reden und wirken zu lassen, da die Triebfedern zur verzweifeltsten Gegenwehr nicht erst in den Gemüthern erweckt zu werden brauchten, sondern jedem Bewußtsein glühend eingedrückt waren. Die in den Zeitungen mitgetheilten Nachrichten von dem Vor¬ rücken der schwedischen Truppen an die Elbe, und andre dergleichen Angaben, waren nicht auf die Ham¬ burger, sonder auf die Franzosen berechnet, die über Altona unsre Tagesblätter bekamen, und durch solche Vorspiegelungen allerdings langsamer und vorsichtiger wurden. Es erschien kein Aufruf, kein Tagesbefehl, der Versprechungen gegeben oder gefordert hätte, man
Annaͤherung der ſchwediſchen, mit herbeieilender ruſſi¬ ſcher oder preußiſcher Verſtaͤrkung, mit dem bei Groß- Goͤrſchen von den Ruſſen und Preußen erfochtenen Siege und deſſen zu hoffender Nachwirkung, auch auf die Verbeſſerung des Zuſtandes an der Niederelbe; waͤhrend der Eingeweihte laͤngſt von allem dieſen wenig oder nichts hoffen durfte, ſondern von allen Seiten nur immer mehr und mehr eine verhaͤngnißvolle Wen¬ dung der Dinge herannahen ſah. Die ungluͤcklichen Menſchen aus ihrer Taͤuſchung, ſofern dieſe noch be¬ ſtand, zu reißen, verbot die Klugheit, um nicht die letzte geringe Kraft zu laͤhmen; ſie abſichtlich darin zu befeſtigen, waͤre ein grauſames Spiel geweſen, das doch nicht lange haͤtte beſtehen koͤnnen. Unter dieſen Umſtaͤnden ſchien das Beſte, ganz zu ſchweigen, und nur die Thatſachen reden und wirken zu laſſen, da die Triebfedern zur verzweifeltſten Gegenwehr nicht erſt in den Gemuͤthern erweckt zu werden brauchten, ſondern jedem Bewußtſein gluͤhend eingedruͤckt waren. Die in den Zeitungen mitgetheilten Nachrichten von dem Vor¬ ruͤcken der ſchwediſchen Truppen an die Elbe, und andre dergleichen Angaben, waren nicht auf die Ham¬ burger, ſonder auf die Franzoſen berechnet, die uͤber Altona unſre Tagesblaͤtter bekamen, und durch ſolche Vorſpiegelungen allerdings langſamer und vorſichtiger wurden. Es erſchien kein Aufruf, kein Tagesbefehl, der Verſprechungen gegeben oder gefordert haͤtte, man
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Annaͤherung der ſchwediſchen, mit herbeieilender ruſſi¬
ſcher oder preußiſcher Verſtaͤrkung, mit dem bei Groß-
Goͤrſchen von den Ruſſen und Preußen erfochtenen
Siege und deſſen zu hoffender Nachwirkung, auch auf
die Verbeſſerung des Zuſtandes an der Niederelbe;
waͤhrend der Eingeweihte laͤngſt von allem dieſen wenig
oder nichts hoffen durfte, ſondern von allen Seiten
nur immer mehr und mehr eine verhaͤngnißvolle Wen¬
dung der Dinge herannahen ſah. Die ungluͤcklichen
Menſchen aus ihrer Taͤuſchung, ſofern dieſe noch be¬
ſtand, zu reißen, verbot die Klugheit, um nicht die
letzte geringe Kraft zu laͤhmen; ſie abſichtlich darin zu
befeſtigen, waͤre ein grauſames Spiel geweſen, das
doch nicht lange haͤtte beſtehen koͤnnen. Unter dieſen
Umſtaͤnden ſchien das Beſte, ganz zu ſchweigen, und
nur die Thatſachen reden und wirken zu laſſen, da die
Triebfedern zur verzweifeltſten Gegenwehr nicht erſt in
den Gemuͤthern erweckt zu werden brauchten, ſondern
jedem Bewußtſein gluͤhend eingedruͤckt waren. Die in
den Zeitungen mitgetheilten Nachrichten von dem Vor¬
ruͤcken der ſchwediſchen Truppen an die Elbe, und
andre dergleichen Angaben, waren nicht auf die Ham¬
burger, ſonder auf die Franzoſen berechnet, die uͤber
Altona unſre Tagesblaͤtter bekamen, und durch ſolche
Vorſpiegelungen allerdings langſamer und vorſichtiger
wurden. Es erſchien kein Aufruf, kein Tagesbefehl,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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