die sonst den Dienst meiden mochten, sich jetzt einfan¬ den. Als der Nebel verging, sah man keinen Feind auf der Feddel, die Franzosen lagen ruhig hinter den Deichen, und von Batterieen fand sich keine Spur. Indeß wurde auch in den folgenden Tagen, da alles still blieb, und der Feind sich begnügte, seine künftigen Angriffe vorzubereiten, niemand der Ruhe froh, son¬ dern alles lebte in angstvoller Erwartung, die von dem kleinsten Anlaß in heftige Bewegung gesetzt wurde. Das Unglück, das sich näherte, kündigte sich den ge¬ spannten Gemüthern in finsterer Schrecklichkeit an, die Mittel, es abzuwehren, lagen zu sehr vor Augen, als daß jetzt nicht ihr Mißverhältniß unwidersprechlich ein¬ geleuchtet hätte, und die ruhigen Dänen erschienen eben durch dieses Ruhigbleiben schon als eine unzulängliche, unzuverlässige Hülfe; daß Tettenborn, bei seinem küh¬ nen nnd kriegsmuntern Geiste, mit den Dänen keinen Angriff unternehmen sollte, schien undenkbar, und da dennoch der Angriff auf Wilhelmsburg unterblieb, so konnte man die Ursache nur in dem Nichtwollen der Dänen suchen, welches die Hamburger auf das schlimmste zu deuten alle Ursache hatten. Und doch wußten die Meisten nur halb, wie die Sachen standen, und konn¬ ten die Folgen der unerwarteten Rückkehr des Grafen von Bernstorff noch nicht übersehen.
In manchen Augenblicken schmeichelten sie sich wie¬ der mit der Fortdauer der dänischen Hülfe, mit der
die ſonſt den Dienſt meiden mochten, ſich jetzt einfan¬ den. Als der Nebel verging, ſah man keinen Feind auf der Feddel, die Franzoſen lagen ruhig hinter den Deichen, und von Batterieen fand ſich keine Spur. Indeß wurde auch in den folgenden Tagen, da alles ſtill blieb, und der Feind ſich begnuͤgte, ſeine kuͤnftigen Angriffe vorzubereiten, niemand der Ruhe froh, ſon¬ dern alles lebte in angſtvoller Erwartung, die von dem kleinſten Anlaß in heftige Bewegung geſetzt wurde. Das Ungluͤck, das ſich naͤherte, kuͤndigte ſich den ge¬ ſpannten Gemuͤthern in finſterer Schrecklichkeit an, die Mittel, es abzuwehren, lagen zu ſehr vor Augen, als daß jetzt nicht ihr Mißverhaͤltniß unwiderſprechlich ein¬ geleuchtet haͤtte, und die ruhigen Daͤnen erſchienen eben durch dieſes Ruhigbleiben ſchon als eine unzulaͤngliche, unzuverlaͤſſige Huͤlfe; daß Tettenborn, bei ſeinem kuͤh¬ nen nnd kriegsmuntern Geiſte, mit den Daͤnen keinen Angriff unternehmen ſollte, ſchien undenkbar, und da dennoch der Angriff auf Wilhelmsburg unterblieb, ſo konnte man die Urſache nur in dem Nichtwollen der Daͤnen ſuchen, welches die Hamburger auf das ſchlimmſte zu deuten alle Urſache hatten. Und doch wußten die Meiſten nur halb, wie die Sachen ſtanden, und konn¬ ten die Folgen der unerwarteten Ruͤckkehr des Grafen von Bernſtorff noch nicht uͤberſehen.
In manchen Augenblicken ſchmeichelten ſie ſich wie¬ der mit der Fortdauer der daͤniſchen Huͤlfe, mit der
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die ſonſt den Dienſt meiden mochten, ſich jetzt einfan¬
den. Als der Nebel verging, ſah man keinen Feind
auf der Feddel, die Franzoſen lagen ruhig hinter den
Deichen, und von Batterieen fand ſich keine Spur.
Indeß wurde auch in den folgenden Tagen, da alles
ſtill blieb, und der Feind ſich begnuͤgte, ſeine kuͤnftigen
Angriffe vorzubereiten, niemand der Ruhe froh, ſon¬
dern alles lebte in angſtvoller Erwartung, die von dem
kleinſten Anlaß in heftige Bewegung geſetzt wurde.
Das Ungluͤck, das ſich naͤherte, kuͤndigte ſich den ge¬
ſpannten Gemuͤthern in finſterer Schrecklichkeit an, die
Mittel, es abzuwehren, lagen zu ſehr vor Augen, als
daß jetzt nicht ihr Mißverhaͤltniß unwiderſprechlich ein¬
geleuchtet haͤtte, und die ruhigen Daͤnen erſchienen eben
durch dieſes Ruhigbleiben ſchon als eine unzulaͤngliche,
unzuverlaͤſſige Huͤlfe; daß Tettenborn, bei ſeinem kuͤh¬
nen nnd kriegsmuntern Geiſte, mit den Daͤnen keinen
Angriff unternehmen ſollte, ſchien undenkbar, und da
dennoch der Angriff auf Wilhelmsburg unterblieb, ſo
konnte man die Urſache nur in dem Nichtwollen der
Daͤnen ſuchen, welches die Hamburger auf das ſchlimmſte
zu deuten alle Urſache hatten. Und doch wußten die
Meiſten nur halb, wie die Sachen ſtanden, und konn¬
ten die Folgen der unerwarteten Ruͤckkehr des Grafen
von Bernſtorff noch nicht uͤberſehen.
In manchen Augenblicken ſchmeichelten ſie ſich wie¬
der mit der Fortdauer der daͤniſchen Huͤlfe, mit der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/370>, abgerufen am 25.11.2024.
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