mehrmals sehr liebreich an, und gab mir Anlaß man¬ cherlei Urtheile zu äußern, weitere Gespräche verknüpften sich damit, und wiewohl alles in bester Gestalt und ohne eigentliches Gefecht ablief, so hatte das Ganze doch etwas von kriegerischer Demonstration, bei welcher man die Truppen, die sich schlagen könnten, wenigstens hin und her rücken läßt. Mir fiel aber gar nichts bei der Sache auf, und mir ahnete nichts von der ge¬ fährlichen Rolle, in die man mich gestellt hatte. Ich war, freimüthig wie immer, und bescheiden aus wahrer Achtung. Erst viele Jahre nachher sagte mir Perthes, der auch zugegen und im Geheimniß gewesen, daß man mich habe auf's Korn nehmen und zum Uebermuth ver¬ leiten wollen, da man denn nachher um so leichter mich würde in Verwirrung und in mir die Schlegel'sche Schule zu einer Niederlage gebracht haben. Aber Perthes meinte, ich habe mich damals vortrefflich aus der Sache gezogen, mit solcher schicklichen Haltung und gemessenen Gewandtheit, daß man mir nichts anhaben gekonnt, sondern mit Verwunderung mich habe gelten lassen. Er fügte hinzu, ich hätte schon damals meinen Beruf zum Diplomatiker völlig bewährt. Wenn ich dieses Lob einmal annehmen soll, so trägt lediglich meine Unbefangenheit davon die Ehre, denn ich kann betheuern, daß ich weder Absicht merkte noch hatte, und diese Wirkung einer Eigenschaft, an deren Statt man meistentheils lieber Klugheit voraussetzen will, habe
mehrmals ſehr liebreich an, und gab mir Anlaß man¬ cherlei Urtheile zu aͤußern, weitere Geſpraͤche verknuͤpften ſich damit, und wiewohl alles in beſter Geſtalt und ohne eigentliches Gefecht ablief, ſo hatte das Ganze doch etwas von kriegeriſcher Demonſtration, bei welcher man die Truppen, die ſich ſchlagen koͤnnten, wenigſtens hin und her ruͤcken laͤßt. Mir fiel aber gar nichts bei der Sache auf, und mir ahnete nichts von der ge¬ faͤhrlichen Rolle, in die man mich geſtellt hatte. Ich war, freimuͤthig wie immer, und beſcheiden aus wahrer Achtung. Erſt viele Jahre nachher ſagte mir Perthes, der auch zugegen und im Geheimniß geweſen, daß man mich habe auf's Korn nehmen und zum Uebermuth ver¬ leiten wollen, da man denn nachher um ſo leichter mich wuͤrde in Verwirrung und in mir die Schlegel’ſche Schule zu einer Niederlage gebracht haben. Aber Perthes meinte, ich habe mich damals vortrefflich aus der Sache gezogen, mit ſolcher ſchicklichen Haltung und gemeſſenen Gewandtheit, daß man mir nichts anhaben gekonnt, ſondern mit Verwunderung mich habe gelten laſſen. Er fuͤgte hinzu, ich haͤtte ſchon damals meinen Beruf zum Diplomatiker voͤllig bewaͤhrt. Wenn ich dieſes Lob einmal annehmen ſoll, ſo traͤgt lediglich meine Unbefangenheit davon die Ehre, denn ich kann betheuern, daß ich weder Abſicht merkte noch hatte, und dieſe Wirkung einer Eigenſchaft, an deren Statt man meiſtentheils lieber Klugheit vorausſetzen will, habe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0087"n="73"/>
mehrmals ſehr liebreich an, und gab mir Anlaß man¬<lb/>
cherlei Urtheile zu aͤußern, weitere Geſpraͤche verknuͤpften<lb/>ſich damit, und wiewohl alles in beſter Geſtalt und<lb/>
ohne eigentliches Gefecht ablief, ſo hatte das Ganze<lb/>
doch etwas von kriegeriſcher Demonſtration, bei welcher<lb/>
man die Truppen, die ſich ſchlagen koͤnnten, wenigſtens<lb/>
hin und her ruͤcken laͤßt. Mir fiel aber gar nichts bei<lb/>
der Sache auf, und mir ahnete nichts von der ge¬<lb/>
faͤhrlichen Rolle, in die man mich geſtellt hatte. Ich<lb/>
war, freimuͤthig wie immer, und beſcheiden aus wahrer<lb/>
Achtung. Erſt viele Jahre nachher ſagte mir Perthes,<lb/>
der auch zugegen und im Geheimniß geweſen, daß man<lb/>
mich habe auf's Korn nehmen und zum Uebermuth ver¬<lb/>
leiten wollen, da man denn nachher um ſo leichter<lb/>
mich wuͤrde in Verwirrung und in mir die Schlegel’ſche<lb/>
Schule zu einer Niederlage gebracht haben. Aber<lb/>
Perthes meinte, ich habe mich damals vortrefflich aus<lb/>
der Sache gezogen, mit ſolcher ſchicklichen Haltung und<lb/>
gemeſſenen Gewandtheit, daß man mir nichts anhaben<lb/>
gekonnt, ſondern mit Verwunderung mich habe gelten<lb/>
laſſen. Er fuͤgte hinzu, ich haͤtte ſchon damals meinen<lb/>
Beruf zum Diplomatiker voͤllig bewaͤhrt. Wenn ich<lb/>
dieſes Lob einmal annehmen ſoll, ſo traͤgt lediglich<lb/>
meine Unbefangenheit davon die Ehre, denn ich kann<lb/>
betheuern, daß ich weder Abſicht merkte noch hatte,<lb/>
und dieſe Wirkung einer Eigenſchaft, an deren Statt<lb/>
man meiſtentheils lieber Klugheit vorausſetzen will, habe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[73/0087]
mehrmals ſehr liebreich an, und gab mir Anlaß man¬
cherlei Urtheile zu aͤußern, weitere Geſpraͤche verknuͤpften
ſich damit, und wiewohl alles in beſter Geſtalt und
ohne eigentliches Gefecht ablief, ſo hatte das Ganze
doch etwas von kriegeriſcher Demonſtration, bei welcher
man die Truppen, die ſich ſchlagen koͤnnten, wenigſtens
hin und her ruͤcken laͤßt. Mir fiel aber gar nichts bei
der Sache auf, und mir ahnete nichts von der ge¬
faͤhrlichen Rolle, in die man mich geſtellt hatte. Ich
war, freimuͤthig wie immer, und beſcheiden aus wahrer
Achtung. Erſt viele Jahre nachher ſagte mir Perthes,
der auch zugegen und im Geheimniß geweſen, daß man
mich habe auf's Korn nehmen und zum Uebermuth ver¬
leiten wollen, da man denn nachher um ſo leichter
mich wuͤrde in Verwirrung und in mir die Schlegel’ſche
Schule zu einer Niederlage gebracht haben. Aber
Perthes meinte, ich habe mich damals vortrefflich aus
der Sache gezogen, mit ſolcher ſchicklichen Haltung und
gemeſſenen Gewandtheit, daß man mir nichts anhaben
gekonnt, ſondern mit Verwunderung mich habe gelten
laſſen. Er fuͤgte hinzu, ich haͤtte ſchon damals meinen
Beruf zum Diplomatiker voͤllig bewaͤhrt. Wenn ich
dieſes Lob einmal annehmen ſoll, ſo traͤgt lediglich
meine Unbefangenheit davon die Ehre, denn ich kann
betheuern, daß ich weder Abſicht merkte noch hatte,
und dieſe Wirkung einer Eigenſchaft, an deren Statt
man meiſtentheils lieber Klugheit vorausſetzen will, habe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/87>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.