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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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und oft schrieb er in meiner Gegenwart improvisirend
artige Verse hin, oder übersetzte die eben gelesenen
deutschen in spanische, die Spinnerin von Goethe, und
ein Lied von mir, waren ihm in Assonanzen, die ich
noch bewahre, besonders wohlgelungen. Zwei Bändchen
seiner handschriftlichen Gedichte, die er als Offizier im
Felde mitführte, hatte er durch einen Ueberfall in den
Pyrenäen eingebüßt, aber da die Quelle seiner Lieder
ihm nach Wunsch immer strömte, so bekümmerte jener
Verlust ihn wenig. Die spanische Litteratur kannte er
gut, und als gründlicher Sprachkenner wurde er dem
Professor Ideler bei seiner in Berlin erschienenen vor¬
trefflichen Ausgabe des Don Quijote sehr behülflich.
Er sprach mir auch von Rahel Levin, die er oft sah,
und deren Witz und Art ihn lebhaft anregte; er konnte
ihr Wesen nicht ganz begreifen, bewunderte aber dessen
Eigenheiten, indem er zugleich versuchte, wiefern sich
ihnen widersprechen ließe. Meinen eifrigen Wunsch,
dort eingeführt zu werden, wollte er erfüllen, wir
kamen aber zu schnell auseinander. Er wurde nach
einiger Zeit vom Geschäftsträger, welches er damals
war, zum Gesandten befördert, und verließ Berlin
noch vor dem Jahre 1806. In der spanischen Revo¬
lution nahm er, gleich den meisten spanischen Diplo¬
maten, mehr gezwungen als willig, Parthei für Joseph
Bonaparte, gerieth später in's Gedränge und zog sich
nach Amerika, wo er das Unglück hatte, in einer Volks¬

II. 5

und oft ſchrieb er in meiner Gegenwart improviſirend
artige Verſe hin, oder uͤberſetzte die eben geleſenen
deutſchen in ſpaniſche, die Spinnerin von Goethe, und
ein Lied von mir, waren ihm in Aſſonanzen, die ich
noch bewahre, beſonders wohlgelungen. Zwei Baͤndchen
ſeiner handſchriftlichen Gedichte, die er als Offizier im
Felde mitfuͤhrte, hatte er durch einen Ueberfall in den
Pyrenaͤen eingebuͤßt, aber da die Quelle ſeiner Lieder
ihm nach Wunſch immer ſtroͤmte, ſo bekuͤmmerte jener
Verluſt ihn wenig. Die ſpaniſche Litteratur kannte er
gut, und als gruͤndlicher Sprachkenner wurde er dem
Profeſſor Ideler bei ſeiner in Berlin erſchienenen vor¬
trefflichen Ausgabe des Don Quijote ſehr behuͤlflich.
Er ſprach mir auch von Rahel Levin, die er oft ſah,
und deren Witz und Art ihn lebhaft anregte; er konnte
ihr Weſen nicht ganz begreifen, bewunderte aber deſſen
Eigenheiten, indem er zugleich verſuchte, wiefern ſich
ihnen widerſprechen ließe. Meinen eifrigen Wunſch,
dort eingefuͤhrt zu werden, wollte er erfuͤllen, wir
kamen aber zu ſchnell auseinander. Er wurde nach
einiger Zeit vom Geſchaͤftstraͤger, welches er damals
war, zum Geſandten befoͤrdert, und verließ Berlin
noch vor dem Jahre 1806. In der ſpaniſchen Revo¬
lution nahm er, gleich den meiſten ſpaniſchen Diplo¬
maten, mehr gezwungen als willig, Parthei fuͤr Joſeph
Bonaparte, gerieth ſpaͤter in’s Gedraͤnge und zog ſich
nach Amerika, wo er das Ungluͤck hatte, in einer Volks¬

II. 5
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[65/0079] und oft ſchrieb er in meiner Gegenwart improviſirend artige Verſe hin, oder uͤberſetzte die eben geleſenen deutſchen in ſpaniſche, die Spinnerin von Goethe, und ein Lied von mir, waren ihm in Aſſonanzen, die ich noch bewahre, beſonders wohlgelungen. Zwei Baͤndchen ſeiner handſchriftlichen Gedichte, die er als Offizier im Felde mitfuͤhrte, hatte er durch einen Ueberfall in den Pyrenaͤen eingebuͤßt, aber da die Quelle ſeiner Lieder ihm nach Wunſch immer ſtroͤmte, ſo bekuͤmmerte jener Verluſt ihn wenig. Die ſpaniſche Litteratur kannte er gut, und als gruͤndlicher Sprachkenner wurde er dem Profeſſor Ideler bei ſeiner in Berlin erſchienenen vor¬ trefflichen Ausgabe des Don Quijote ſehr behuͤlflich. Er ſprach mir auch von Rahel Levin, die er oft ſah, und deren Witz und Art ihn lebhaft anregte; er konnte ihr Weſen nicht ganz begreifen, bewunderte aber deſſen Eigenheiten, indem er zugleich verſuchte, wiefern ſich ihnen widerſprechen ließe. Meinen eifrigen Wunſch, dort eingefuͤhrt zu werden, wollte er erfuͤllen, wir kamen aber zu ſchnell auseinander. Er wurde nach einiger Zeit vom Geſchaͤftstraͤger, welches er damals war, zum Geſandten befoͤrdert, und verließ Berlin noch vor dem Jahre 1806. In der ſpaniſchen Revo¬ lution nahm er, gleich den meiſten ſpaniſchen Diplo¬ maten, mehr gezwungen als willig, Parthei fuͤr Joſeph Bonaparte, gerieth ſpaͤter in’s Gedraͤnge und zog ſich nach Amerika, wo er das Ungluͤck hatte, in einer Volks¬ II. 5

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/79>, abgerufen am 23.11.2024.