tonisch zu dialogisiren ist bisher auch nur immer mi߬ rathen.
Um so erfreulicher erscheint nun dieses kleine Buch, von dessen Verfasser man mit Recht sagen kann, daß er den ächten Künstlerberuf in sich trägt, wie denn auch seine mannigfachen Schriften bisher seine Dichter- und Rednergabe vielseitig dargelegt haben. Der Inhalt theilt sich in zwei Abschnitte, von welchen der erste, "der Kirchhof" überschrieben, aus einer Reihe von Ge¬ dichten besteht, die bei sehr wechselnder Form in der¬ selben Gemüthsstimmung und Gedankenrichtung ver¬ weilen. Ein wehmüthiger Schmerz und ein inniges Vertrauen athmen in dieser Poesie, die in den schönsten und klarsten Bildern sich bewegt; und besonders in den Sonetten ist ein melodisches Auf- und Niederwogen, wie es der Hauch Petrarcha's selber nicht schöner erre¬ gen könnte; die schwierige poetische Form erscheint hier nur als der natürliche Ausdruck der in frommer Liebe emporgeschwungenen Seele. Den Empfindungen zarter Innigkeit und treuer Sehnsucht gesellen sich auch Ge¬ fühle erhabenen Schmerzes und Unwillens, wie in fol¬ gendem Sonett, das wir als Probe hier einrücken:
"Auf allen Gräbern thronet das Vergessen, Das stumm den Finger an die Lippen drücket, Das alle Blumen von dem Rasen pflücket, Und welken läßt die traurenden Cypressen.
toniſch zu dialogiſiren iſt bisher auch nur immer mi߬ rathen.
Um ſo erfreulicher erſcheint nun dieſes kleine Buch, von deſſen Verfaſſer man mit Recht ſagen kann, daß er den aͤchten Kuͤnſtlerberuf in ſich traͤgt, wie denn auch ſeine mannigfachen Schriften bisher ſeine Dichter- und Rednergabe vielſeitig dargelegt haben. Der Inhalt theilt ſich in zwei Abſchnitte, von welchen der erſte, „der Kirchhof“ uͤberſchrieben, aus einer Reihe von Ge¬ dichten beſteht, die bei ſehr wechſelnder Form in der¬ ſelben Gemuͤthsſtimmung und Gedankenrichtung ver¬ weilen. Ein wehmuͤthiger Schmerz und ein inniges Vertrauen athmen in dieſer Poeſie, die in den ſchoͤnſten und klarſten Bildern ſich bewegt; und beſonders in den Sonetten iſt ein melodiſches Auf- und Niederwogen, wie es der Hauch Petrarcha's ſelber nicht ſchoͤner erre¬ gen koͤnnte; die ſchwierige poetiſche Form erſcheint hier nur als der natuͤrliche Ausdruck der in frommer Liebe emporgeſchwungenen Seele. Den Empfindungen zarter Innigkeit und treuer Sehnſucht geſellen ſich auch Ge¬ fuͤhle erhabenen Schmerzes und Unwillens, wie in fol¬ gendem Sonett, das wir als Probe hier einruͤcken:
„Auf allen Graͤbern thronet das Vergeſſen, Das ſtumm den Finger an die Lippen druͤcket, Das alle Blumen von dem Raſen pfluͤcket, Und welken laͤßt die traurenden Cypreſſen.
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toniſch zu dialogiſiren iſt bisher auch nur immer mi߬
rathen.
Um ſo erfreulicher erſcheint nun dieſes kleine Buch,
von deſſen Verfaſſer man mit Recht ſagen kann, daß
er den aͤchten Kuͤnſtlerberuf in ſich traͤgt, wie denn
auch ſeine mannigfachen Schriften bisher ſeine Dichter-
und Rednergabe vielſeitig dargelegt haben. Der Inhalt
theilt ſich in zwei Abſchnitte, von welchen der erſte,
„der Kirchhof“ uͤberſchrieben, aus einer Reihe von Ge¬
dichten beſteht, die bei ſehr wechſelnder Form in der¬
ſelben Gemuͤthsſtimmung und Gedankenrichtung ver¬
weilen. Ein wehmuͤthiger Schmerz und ein inniges
Vertrauen athmen in dieſer Poeſie, die in den ſchoͤnſten
und klarſten Bildern ſich bewegt; und beſonders in den
Sonetten iſt ein melodiſches Auf- und Niederwogen,
wie es der Hauch Petrarcha's ſelber nicht ſchoͤner erre¬
gen koͤnnte; die ſchwierige poetiſche Form erſcheint hier
nur als der natuͤrliche Ausdruck der in frommer Liebe
emporgeſchwungenen Seele. Den Empfindungen zarter
Innigkeit und treuer Sehnſucht geſellen ſich auch Ge¬
fuͤhle erhabenen Schmerzes und Unwillens, wie in fol¬
gendem Sonett, das wir als Probe hier einruͤcken:
„Auf allen Graͤbern thronet das Vergeſſen,
Das ſtumm den Finger an die Lippen druͤcket,
Das alle Blumen von dem Raſen pfluͤcket,
Und welken laͤßt die traurenden Cypreſſen.
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/432>, abgerufen am 22.11.2024.
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