jeder Tag, den man hier stehn bleibe und den Feind unthätig festhalte, sei als ein Sieg zu betrachten, unter solchen Umständen sehr wohl gelten, besonders da auch die politische Aussicht, die schon zum Theil sich erfüllte, durch Zeitgewinn die günstigsten Wandlungen versprach. Daß vielfachere und raschere Thätigkeit dem Feinde hätte verderblich werden, daß die Vorkehrungen hätten ausgedehnter und eifriger sein können, läßt sich wohl behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geist der Kriegführung wesentlich von dem Körper abhängig ist, mit dem er wirken soll, und daß dieser aus alten Einrichtungen und Gewöhnungen durch den kräftigsten Willen nicht plötzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen Vorschlägen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die aber in's Werk zu setzen damals allzu schwierig dünkte. Das Absehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf eine Feldschlacht gerichtet, für welche die Truppen frei verfügbar bleiben, und an keine Verschanzungen gebun¬ den sein sollten, als deren Zweckmäßigkeit für die künftig möglichen Umstände doch nichts voraus zu berechnen war, und deren Vorhandensein dann störend und nach¬ theilig werden konnte. Jenem wesentlichen Zwecke, das Heer für eine Schlacht in Bereitschaft zu halten, mußte die Hauptsorge des Feldherrn gewidmet bleiben und ihm rastlos zu thun geben, alle übrigen Hülfsmittel konnten erst nach jenem in Betracht kommen, so sehr
II. 13
jeder Tag, den man hier ſtehn bleibe und den Feind unthaͤtig feſthalte, ſei als ein Sieg zu betrachten, unter ſolchen Umſtaͤnden ſehr wohl gelten, beſonders da auch die politiſche Ausſicht, die ſchon zum Theil ſich erfuͤllte, durch Zeitgewinn die guͤnſtigſten Wandlungen verſprach. Daß vielfachere und raſchere Thaͤtigkeit dem Feinde haͤtte verderblich werden, daß die Vorkehrungen haͤtten ausgedehnter und eifriger ſein koͤnnen, laͤßt ſich wohl behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geiſt der Kriegfuͤhrung weſentlich von dem Koͤrper abhaͤngig iſt, mit dem er wirken ſoll, und daß dieſer aus alten Einrichtungen und Gewoͤhnungen durch den kraͤftigſten Willen nicht ploͤtzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen Vorſchlaͤgen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die aber in’s Werk zu ſetzen damals allzu ſchwierig duͤnkte. Das Abſehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf eine Feldſchlacht gerichtet, fuͤr welche die Truppen frei verfuͤgbar bleiben, und an keine Verſchanzungen gebun¬ den ſein ſollten, als deren Zweckmaͤßigkeit fuͤr die kuͤnftig moͤglichen Umſtaͤnde doch nichts voraus zu berechnen war, und deren Vorhandenſein dann ſtoͤrend und nach¬ theilig werden konnte. Jenem weſentlichen Zwecke, das Heer fuͤr eine Schlacht in Bereitſchaft zu halten, mußte die Hauptſorge des Feldherrn gewidmet bleiben und ihm raſtlos zu thun geben, alle uͤbrigen Huͤlfsmittel konnten erſt nach jenem in Betracht kommen, ſo ſehr
II. 13
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="193"/>
jeder Tag, den man hier ſtehn bleibe und den Feind<lb/>
unthaͤtig feſthalte, ſei als ein Sieg zu betrachten, unter<lb/>ſolchen Umſtaͤnden ſehr wohl gelten, beſonders da auch<lb/>
die politiſche Ausſicht, die ſchon zum Theil ſich erfuͤllte,<lb/>
durch Zeitgewinn die guͤnſtigſten Wandlungen verſprach.<lb/>
Daß vielfachere und raſchere Thaͤtigkeit dem Feinde<lb/>
haͤtte verderblich werden, daß die Vorkehrungen haͤtten<lb/>
ausgedehnter und eifriger ſein koͤnnen, laͤßt ſich wohl<lb/>
behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geiſt<lb/>
der Kriegfuͤhrung weſentlich von dem Koͤrper abhaͤngig<lb/>
iſt, mit dem er wirken ſoll, und daß dieſer aus alten<lb/>
Einrichtungen und Gewoͤhnungen durch den kraͤftigſten<lb/>
Willen nicht ploͤtzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit<lb/>
umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen<lb/>
Vorſchlaͤgen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die<lb/>
aber in’s Werk zu ſetzen damals allzu ſchwierig duͤnkte.<lb/>
Das Abſehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf<lb/>
eine Feldſchlacht gerichtet, fuͤr welche die Truppen frei<lb/>
verfuͤgbar bleiben, und an keine Verſchanzungen gebun¬<lb/>
den ſein ſollten, als deren Zweckmaͤßigkeit fuͤr die kuͤnftig<lb/>
moͤglichen Umſtaͤnde doch nichts voraus zu berechnen<lb/>
war, und deren Vorhandenſein dann ſtoͤrend und nach¬<lb/>
theilig werden konnte. Jenem weſentlichen Zwecke, das<lb/>
Heer fuͤr eine Schlacht in Bereitſchaft zu halten, mußte<lb/>
die Hauptſorge des Feldherrn gewidmet bleiben und<lb/>
ihm raſtlos zu thun geben, alle uͤbrigen Huͤlfsmittel<lb/>
konnten erſt nach jenem in Betracht kommen, ſo ſehr<lb/><fwplace="bottom"type="sig">II. <hirendition="#b">13</hi><lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[193/0207]
jeder Tag, den man hier ſtehn bleibe und den Feind
unthaͤtig feſthalte, ſei als ein Sieg zu betrachten, unter
ſolchen Umſtaͤnden ſehr wohl gelten, beſonders da auch
die politiſche Ausſicht, die ſchon zum Theil ſich erfuͤllte,
durch Zeitgewinn die guͤnſtigſten Wandlungen verſprach.
Daß vielfachere und raſchere Thaͤtigkeit dem Feinde
haͤtte verderblich werden, daß die Vorkehrungen haͤtten
ausgedehnter und eifriger ſein koͤnnen, laͤßt ſich wohl
behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geiſt
der Kriegfuͤhrung weſentlich von dem Koͤrper abhaͤngig
iſt, mit dem er wirken ſoll, und daß dieſer aus alten
Einrichtungen und Gewoͤhnungen durch den kraͤftigſten
Willen nicht ploͤtzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit
umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen
Vorſchlaͤgen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die
aber in’s Werk zu ſetzen damals allzu ſchwierig duͤnkte.
Das Abſehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf
eine Feldſchlacht gerichtet, fuͤr welche die Truppen frei
verfuͤgbar bleiben, und an keine Verſchanzungen gebun¬
den ſein ſollten, als deren Zweckmaͤßigkeit fuͤr die kuͤnftig
moͤglichen Umſtaͤnde doch nichts voraus zu berechnen
war, und deren Vorhandenſein dann ſtoͤrend und nach¬
theilig werden konnte. Jenem weſentlichen Zwecke, das
Heer fuͤr eine Schlacht in Bereitſchaft zu halten, mußte
die Hauptſorge des Feldherrn gewidmet bleiben und
ihm raſtlos zu thun geben, alle uͤbrigen Huͤlfsmittel
konnten erſt nach jenem in Betracht kommen, ſo ſehr
II. 13
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/207>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.