Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

In der Musik waren ihre Lieblinge Gluck, Mozart
und Righini; die italiänische Schule im Gesang, und
nebenher auch im Tanze, allem andern vorausgeltend.
Und damit dem Schätzen und Lieben auch der Gegensatz
des Mißachtens und Verwerfens nicht fehlte, so waren
ihr eben so früh und so entschieden, wie jene im Guten,
die damals beliebten Bühnenherrscher Kotzebue und
Iffland im Schlechten bemerkt, lange vorher, ehe noch
die zum Bewußtsein erwachende litterarische Kritik ihre
muthigen Angriffe gegen diese Götzen der Menge ge¬
richtet hatte. Namentlich klagte sie, daß Iffland, ab¬
gerechnet sein großes persönliches Talent, das doch
dem ächten Genius eines Fleck nicht zu vergleichen war,
durch sein wachsendes Ansehen und Einwirken die Bühne
und Schauspielkunst in Berlin auf weithinaus zu Grunde
richte, in's Gemeine und Manierirte hinabziehe, und
der leitenden Behörde, wie selbst dem Publikum, die
falschesten Maximen und Urtheile einflöße und verhärte.
Diese Polemik hat Wurzel gefaßt, und sich in der
Folge durch namhafte Autoritäten ausgebreitet, doch
lange nicht so sehr, daß nicht noch heutiges Tages das
Verdienst der richtigen Voraussetzung durch vielfältigen
Augenschein leider bewährt stünde. -- --

Ich war nicht so bald in diesen neuen Lebensstrom
eingegangen, als ich schon eilte, auch meinen Freunden
eifrigen Bericht zu geben, ihnen Schritt für Schritt
den neuen Gewinn aufzuzeigen, und ihnen alles zu

In der Muſik waren ihre Lieblinge Gluck, Mozart
und Righini; die italiaͤniſche Schule im Geſang, und
nebenher auch im Tanze, allem andern vorausgeltend.
Und damit dem Schaͤtzen und Lieben auch der Gegenſatz
des Mißachtens und Verwerfens nicht fehlte, ſo waren
ihr eben ſo fruͤh und ſo entſchieden, wie jene im Guten,
die damals beliebten Buͤhnenherrſcher Kotzebue und
Iffland im Schlechten bemerkt, lange vorher, ehe noch
die zum Bewußtſein erwachende litterariſche Kritik ihre
muthigen Angriffe gegen dieſe Goͤtzen der Menge ge¬
richtet hatte. Namentlich klagte ſie, daß Iffland, ab¬
gerechnet ſein großes perſoͤnliches Talent, das doch
dem aͤchten Genius eines Fleck nicht zu vergleichen war,
durch ſein wachſendes Anſehen und Einwirken die Buͤhne
und Schauſpielkunſt in Berlin auf weithinaus zu Grunde
richte, in’s Gemeine und Manierirte hinabziehe, und
der leitenden Behoͤrde, wie ſelbſt dem Publikum, die
falſcheſten Maximen und Urtheile einfloͤße und verhaͤrte.
Dieſe Polemik hat Wurzel gefaßt, und ſich in der
Folge durch namhafte Autoritaͤten ausgebreitet, doch
lange nicht ſo ſehr, daß nicht noch heutiges Tages das
Verdienſt der richtigen Vorausſetzung durch vielfaͤltigen
Augenſchein leider bewaͤhrt ſtuͤnde. — —

Ich war nicht ſo bald in dieſen neuen Lebensſtrom
eingegangen, als ich ſchon eilte, auch meinen Freunden
eifrigen Bericht zu geben, ihnen Schritt fuͤr Schritt
den neuen Gewinn aufzuzeigen, und ihnen alles zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="171"/>
In der Mu&#x017F;ik waren ihre Lieblinge Gluck, Mozart<lb/>
und Righini; die italia&#x0364;ni&#x017F;che Schule im Ge&#x017F;ang, und<lb/>
nebenher auch im Tanze, allem andern vorausgeltend.<lb/>
Und damit dem Scha&#x0364;tzen und Lieben auch der Gegen&#x017F;atz<lb/>
des Mißachtens und Verwerfens nicht fehlte, &#x017F;o waren<lb/>
ihr eben &#x017F;o fru&#x0364;h und &#x017F;o ent&#x017F;chieden, wie jene im Guten,<lb/>
die damals beliebten Bu&#x0364;hnenherr&#x017F;cher Kotzebue und<lb/>
Iffland im Schlechten bemerkt, lange vorher, ehe noch<lb/>
die zum Bewußt&#x017F;ein erwachende litterari&#x017F;che Kritik ihre<lb/>
muthigen Angriffe gegen die&#x017F;e Go&#x0364;tzen der Menge ge¬<lb/>
richtet hatte. Namentlich klagte &#x017F;ie, daß Iffland, ab¬<lb/>
gerechnet &#x017F;ein großes per&#x017F;o&#x0364;nliches Talent, das doch<lb/>
dem a&#x0364;chten Genius eines Fleck nicht zu vergleichen war,<lb/>
durch &#x017F;ein wach&#x017F;endes An&#x017F;ehen und Einwirken die Bu&#x0364;hne<lb/>
und Schau&#x017F;pielkun&#x017F;t in Berlin auf weithinaus zu Grunde<lb/>
richte, in&#x2019;s Gemeine und Manierirte hinabziehe, und<lb/>
der leitenden Beho&#x0364;rde, wie &#x017F;elb&#x017F;t dem Publikum, die<lb/>
fal&#x017F;che&#x017F;ten Maximen und Urtheile einflo&#x0364;ße und verha&#x0364;rte.<lb/>
Die&#x017F;e Polemik hat Wurzel gefaßt, und &#x017F;ich in der<lb/>
Folge durch namhafte Autorita&#x0364;ten ausgebreitet, doch<lb/>
lange nicht &#x017F;o &#x017F;ehr, daß nicht noch heutiges Tages das<lb/>
Verdien&#x017F;t der richtigen Voraus&#x017F;etzung durch vielfa&#x0364;ltigen<lb/>
Augen&#x017F;chein leider bewa&#x0364;hrt &#x017F;tu&#x0364;nde. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich war nicht &#x017F;o bald in die&#x017F;en neuen Lebens&#x017F;trom<lb/>
eingegangen, als ich &#x017F;chon eilte, auch meinen Freunden<lb/>
eifrigen Bericht zu geben, ihnen Schritt fu&#x0364;r Schritt<lb/>
den neuen Gewinn aufzuzeigen, und ihnen alles zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0185] In der Muſik waren ihre Lieblinge Gluck, Mozart und Righini; die italiaͤniſche Schule im Geſang, und nebenher auch im Tanze, allem andern vorausgeltend. Und damit dem Schaͤtzen und Lieben auch der Gegenſatz des Mißachtens und Verwerfens nicht fehlte, ſo waren ihr eben ſo fruͤh und ſo entſchieden, wie jene im Guten, die damals beliebten Buͤhnenherrſcher Kotzebue und Iffland im Schlechten bemerkt, lange vorher, ehe noch die zum Bewußtſein erwachende litterariſche Kritik ihre muthigen Angriffe gegen dieſe Goͤtzen der Menge ge¬ richtet hatte. Namentlich klagte ſie, daß Iffland, ab¬ gerechnet ſein großes perſoͤnliches Talent, das doch dem aͤchten Genius eines Fleck nicht zu vergleichen war, durch ſein wachſendes Anſehen und Einwirken die Buͤhne und Schauſpielkunſt in Berlin auf weithinaus zu Grunde richte, in’s Gemeine und Manierirte hinabziehe, und der leitenden Behoͤrde, wie ſelbſt dem Publikum, die falſcheſten Maximen und Urtheile einfloͤße und verhaͤrte. Dieſe Polemik hat Wurzel gefaßt, und ſich in der Folge durch namhafte Autoritaͤten ausgebreitet, doch lange nicht ſo ſehr, daß nicht noch heutiges Tages das Verdienſt der richtigen Vorausſetzung durch vielfaͤltigen Augenſchein leider bewaͤhrt ſtuͤnde. — — Ich war nicht ſo bald in dieſen neuen Lebensſtrom eingegangen, als ich ſchon eilte, auch meinen Freunden eifrigen Bericht zu geben, ihnen Schritt fuͤr Schritt den neuen Gewinn aufzuzeigen, und ihnen alles zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/185
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/185>, abgerufen am 21.11.2024.