Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Bücher, Personen und Verhältnisse, die jeder von seiner
Seite kannte, und auch dem andern bekannt wußte,
den ergiebigen Stoff nicht mangeln ließen. Wir sprachen
von Friedrich Schlegel, von Tieck, von Frau von Stael,
von Goethe, theils in litterarischer, theils in gesellschaft¬
licher Hinsicht, und unsre eigne Sinnesweise konnte sich
an diesen bedeutenden Anknüpfungspunkten sehr gut
entfalten und ungewöhnliche Bekenntnisse mit vieler
Freiheit wagen, ohne die Zurückhaltung einer ersten
Bekanntschaft zu überschreiten.

Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, so
fand sich andre Gesellschaft ein; der Major von Schack,
vom Regimente Gendarmes, der das Unglück und die
Schmach des preußischen Militairs mit großer Fassung
trug, und noch sogar einigen Schimmer in die jüngst¬
vergangene Zeit zurückwarf, wo er und die Seinigen
als Glanz und Blüthe dieses stolzen Kriegswesens er¬
schienen waren; der stattliche, weltmännisch frei und klug
sich bewegende, in allen Klugheiten erfahrene, dabei
persönlich tapfre Edelmann würde doch schwerlich einen
so günstigen Eindruck gemacht haben, hätte ihm nicht
als Zuflucht das Bessere in ihm und als Auflösungs¬
mittel von Schlechterem, ein unerschöpflicher Humor
gedient, der in Witz und Satire einen geistigen Gehalt
kund gab, und dadurch manchem andern Stoff ein
Gegengewicht wurde; ihn begleitete bei seinen podagri¬
schen Leiden ein führender Freund, ein ausgemachter

Buͤcher, Perſonen und Verhaͤltniſſe, die jeder von ſeiner
Seite kannte, und auch dem andern bekannt wußte,
den ergiebigen Stoff nicht mangeln ließen. Wir ſprachen
von Friedrich Schlegel, von Tieck, von Frau von Staël,
von Goethe, theils in litterariſcher, theils in geſellſchaft¬
licher Hinſicht, und unſre eigne Sinnesweiſe konnte ſich
an dieſen bedeutenden Anknuͤpfungspunkten ſehr gut
entfalten und ungewoͤhnliche Bekenntniſſe mit vieler
Freiheit wagen, ohne die Zuruͤckhaltung einer erſten
Bekanntſchaft zu uͤberſchreiten.

Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, ſo
fand ſich andre Geſellſchaft ein; der Major von Schack,
vom Regimente Gendarmes, der das Ungluͤck und die
Schmach des preußiſchen Militairs mit großer Faſſung
trug, und noch ſogar einigen Schimmer in die juͤngſt¬
vergangene Zeit zuruͤckwarf, wo er und die Seinigen
als Glanz und Bluͤthe dieſes ſtolzen Kriegsweſens er¬
ſchienen waren; der ſtattliche, weltmaͤnniſch frei und klug
ſich bewegende, in allen Klugheiten erfahrene, dabei
perſoͤnlich tapfre Edelmann wuͤrde doch ſchwerlich einen
ſo guͤnſtigen Eindruck gemacht haben, haͤtte ihm nicht
als Zuflucht das Beſſere in ihm und als Aufloͤſungs¬
mittel von Schlechterem, ein unerſchoͤpflicher Humor
gedient, der in Witz und Satire einen geiſtigen Gehalt
kund gab, und dadurch manchem andern Stoff ein
Gegengewicht wurde; ihn begleitete bei ſeinen podagri¬
ſchen Leiden ein fuͤhrender Freund, ein ausgemachter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="160"/>
Bu&#x0364;cher, Per&#x017F;onen und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, die jeder von &#x017F;einer<lb/>
Seite kannte, und auch dem andern bekannt wußte,<lb/>
den ergiebigen Stoff nicht mangeln ließen. Wir &#x017F;prachen<lb/>
von Friedrich Schlegel, von Tieck, von Frau von Staël,<lb/>
von Goethe, theils in litterari&#x017F;cher, theils in ge&#x017F;ell&#x017F;chaft¬<lb/>
licher Hin&#x017F;icht, und un&#x017F;re eigne Sinneswei&#x017F;e konnte &#x017F;ich<lb/>
an die&#x017F;en bedeutenden Anknu&#x0364;pfungspunkten &#x017F;ehr gut<lb/>
entfalten und ungewo&#x0364;hnliche Bekenntni&#x017F;&#x017F;e mit vieler<lb/>
Freiheit wagen, ohne die Zuru&#x0364;ckhaltung einer er&#x017F;ten<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft zu u&#x0364;ber&#x017F;chreiten.</p><lb/>
          <p>Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, &#x017F;o<lb/>
fand &#x017F;ich andre Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein; der Major von Schack,<lb/>
vom Regimente Gendarmes, der das Unglu&#x0364;ck und die<lb/>
Schmach des preußi&#x017F;chen Militairs mit großer Fa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
trug, und noch &#x017F;ogar einigen Schimmer in die ju&#x0364;ng&#x017F;<lb/>
vergangene Zeit zuru&#x0364;ckwarf, wo er und die Seinigen<lb/>
als Glanz und Blu&#x0364;the die&#x017F;es &#x017F;tolzen Kriegswe&#x017F;ens er¬<lb/>
&#x017F;chienen waren; der &#x017F;tattliche, weltma&#x0364;nni&#x017F;ch frei und klug<lb/>
&#x017F;ich bewegende, in allen Klugheiten erfahrene, dabei<lb/>
per&#x017F;o&#x0364;nlich tapfre Edelmann wu&#x0364;rde doch &#x017F;chwerlich einen<lb/>
&#x017F;o gu&#x0364;n&#x017F;tigen Eindruck gemacht haben, ha&#x0364;tte ihm nicht<lb/>
als Zuflucht das Be&#x017F;&#x017F;ere in ihm und als Auflo&#x0364;&#x017F;ungs¬<lb/>
mittel von Schlechterem, ein uner&#x017F;cho&#x0364;pflicher Humor<lb/>
gedient, der in Witz und Satire einen gei&#x017F;tigen Gehalt<lb/>
kund gab, und dadurch manchem andern Stoff ein<lb/>
Gegengewicht wurde; ihn begleitete bei &#x017F;einen podagri¬<lb/>
&#x017F;chen Leiden ein fu&#x0364;hrender Freund, ein ausgemachter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0174] Buͤcher, Perſonen und Verhaͤltniſſe, die jeder von ſeiner Seite kannte, und auch dem andern bekannt wußte, den ergiebigen Stoff nicht mangeln ließen. Wir ſprachen von Friedrich Schlegel, von Tieck, von Frau von Staël, von Goethe, theils in litterariſcher, theils in geſellſchaft¬ licher Hinſicht, und unſre eigne Sinnesweiſe konnte ſich an dieſen bedeutenden Anknuͤpfungspunkten ſehr gut entfalten und ungewoͤhnliche Bekenntniſſe mit vieler Freiheit wagen, ohne die Zuruͤckhaltung einer erſten Bekanntſchaft zu uͤberſchreiten. Nicht gar zu lange waren wir allein geblieben, ſo fand ſich andre Geſellſchaft ein; der Major von Schack, vom Regimente Gendarmes, der das Ungluͤck und die Schmach des preußiſchen Militairs mit großer Faſſung trug, und noch ſogar einigen Schimmer in die juͤngſt¬ vergangene Zeit zuruͤckwarf, wo er und die Seinigen als Glanz und Bluͤthe dieſes ſtolzen Kriegsweſens er¬ ſchienen waren; der ſtattliche, weltmaͤnniſch frei und klug ſich bewegende, in allen Klugheiten erfahrene, dabei perſoͤnlich tapfre Edelmann wuͤrde doch ſchwerlich einen ſo guͤnſtigen Eindruck gemacht haben, haͤtte ihm nicht als Zuflucht das Beſſere in ihm und als Aufloͤſungs¬ mittel von Schlechterem, ein unerſchoͤpflicher Humor gedient, der in Witz und Satire einen geiſtigen Gehalt kund gab, und dadurch manchem andern Stoff ein Gegengewicht wurde; ihn begleitete bei ſeinen podagri¬ ſchen Leiden ein fuͤhrender Freund, ein ausgemachter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/174
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/174>, abgerufen am 24.11.2024.