aber man wußte seine Anwesenheit, man war begierig auf seinen Kopf, man forschte nach ihm, und man sprach von Durchsuchung des Hauses. -- Eine Frau in Thränen, ein Mann in Lebens¬ noth, die Hoffnung der Freud' einer gelungenen Rettung, die Aussicht auf England, die Möglichkeit einer Verbesserung meiner Lage, der Reiz des Außerordentlichen -- dies alles wirkte zu¬ sammen. Mein Entschluß war bald gefaßt. "Ich übernehm' es," sagt' ich, "und will meinen Plan bringen". -- Auch dieser war bald fertig! Nur den zweiten Paß zu bekommen hielt schwer. Ich lief drei Tage lang zu allen Engländern, zu allen Freunden, die ich kannte -- nichts! Keiner wollt' es wagen! Zuletzt erst fiel mein guter Heisch mir ein. Wir gingen zum englischen Ge¬ sandten; Heisch mußte sich für einen Hannoveraner ausgeben. Wir bekamen einen Paß. Er wurde gegen einen andern einge¬ tauscht von Lebrun, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dann unterschrieben von Petion, dem Maire, und so war's richtig! -- Der Name von Heisch war zum Glück auf dem Paß verschrieben, und er mußte sich auch verborgen halten am Tage der Flucht. Er schied von mir mit der Versicherung, mir sobald wie möglich zu folgen; die Stael hatte ihm ein Geschenk gemacht, während er noch in Paris war. --
Narbonne schlief bei mir die letzte Nacht vor der Abreise. Morgens um 4 Uhr ging's fort. Wir mußten auf die Wachstube voll Menschen gehn, bevor wir zur Stadt hinaus konnten. Das Wort Engländer und unsre Freimüthigkeit verblendeten die Augen. Geplauder über die Meinung der Engländer von der Revolution zerstreute die Aufmerksamkeit. Unsre Pässe wurden endlich unter¬ schrieben. Wir fuhren fort. Verschiedene Wiederholung derselben Scene unterwegs. Wir kamen glücklich nach Boulogne. Wir flogen im Sturm über's Meer. Wir schliefen die zweite Nacht
aber man wußte ſeine Anweſenheit, man war begierig auf ſeinen Kopf, man forſchte nach ihm, und man ſprach von Durchſuchung des Hauſes. — Eine Frau in Thraͤnen, ein Mann in Lebens¬ noth, die Hoffnung der Freud' einer gelungenen Rettung, die Ausſicht auf England, die Moͤglichkeit einer Verbeſſerung meiner Lage, der Reiz des Außerordentlichen — dies alles wirkte zu¬ ſammen. Mein Entſchluß war bald gefaßt. „Ich uͤbernehm' es,“ ſagt' ich, „und will meinen Plan bringen“. — Auch dieſer war bald fertig! Nur den zweiten Paß zu bekommen hielt ſchwer. Ich lief drei Tage lang zu allen Englaͤndern, zu allen Freunden, die ich kannte — nichts! Keiner wollt' es wagen! Zuletzt erſt fiel mein guter Heiſch mir ein. Wir gingen zum engliſchen Ge¬ ſandten; Heiſch mußte ſich fuͤr einen Hannoveraner ausgeben. Wir bekamen einen Paß. Er wurde gegen einen andern einge¬ tauſcht von Lebrun, Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten, dann unterſchrieben von Petion, dem Maire, und ſo war's richtig! — Der Name von Heiſch war zum Gluͤck auf dem Paß verſchrieben, und er mußte ſich auch verborgen halten am Tage der Flucht. Er ſchied von mir mit der Verſicherung, mir ſobald wie moͤglich zu folgen; die Staël hatte ihm ein Geſchenk gemacht, waͤhrend er noch in Paris war. —
Narbonne ſchlief bei mir die letzte Nacht vor der Abreiſe. Morgens um 4 Uhr ging's fort. Wir mußten auf die Wachſtube voll Menſchen gehn, bevor wir zur Stadt hinaus konnten. Das Wort Englaͤnder und unſre Freimuͤthigkeit verblendeten die Augen. Geplauder uͤber die Meinung der Englaͤnder von der Revolution zerſtreute die Aufmerkſamkeit. Unſre Paͤſſe wurden endlich unter¬ ſchrieben. Wir fuhren fort. Verſchiedene Wiederholung derſelben Scene unterwegs. Wir kamen gluͤcklich nach Boulogne. Wir flogen im Sturm uͤber's Meer. Wir ſchliefen die zweite Nacht
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aber man wußte ſeine Anweſenheit, man war begierig auf ſeinen
Kopf, man forſchte nach ihm, und man ſprach von Durchſuchung
des Hauſes. — Eine Frau in Thraͤnen, ein Mann in Lebens¬
noth, die Hoffnung der Freud' einer gelungenen Rettung, die
Ausſicht auf England, die Moͤglichkeit einer Verbeſſerung meiner
Lage, der Reiz des Außerordentlichen — dies alles wirkte zu¬
ſammen. Mein Entſchluß war bald gefaßt. „Ich uͤbernehm' es,“
ſagt' ich, „und will meinen Plan bringen“. — Auch dieſer war
bald fertig! Nur den zweiten Paß zu bekommen hielt ſchwer.
Ich lief drei Tage lang zu allen Englaͤndern, zu allen Freunden,
die ich kannte — nichts! Keiner wollt' es wagen! Zuletzt erſt
fiel mein guter Heiſch mir ein. Wir gingen zum engliſchen Ge¬
ſandten; Heiſch mußte ſich fuͤr einen Hannoveraner ausgeben.
Wir bekamen einen Paß. Er wurde gegen einen andern einge¬
tauſcht von Lebrun, Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten,
dann unterſchrieben von Petion, dem Maire, und ſo war's
richtig! — Der Name von Heiſch war zum Gluͤck auf dem Paß
verſchrieben, und er mußte ſich auch verborgen halten am Tage
der Flucht. Er ſchied von mir mit der Verſicherung, mir ſobald
wie moͤglich zu folgen; die Staël hatte ihm ein Geſchenk gemacht,
waͤhrend er noch in Paris war. —
Narbonne ſchlief bei mir die letzte Nacht vor der Abreiſe.
Morgens um 4 Uhr ging's fort. Wir mußten auf die Wachſtube
voll Menſchen gehn, bevor wir zur Stadt hinaus konnten. Das
Wort Englaͤnder und unſre Freimuͤthigkeit verblendeten die Augen.
Geplauder uͤber die Meinung der Englaͤnder von der Revolution
zerſtreute die Aufmerkſamkeit. Unſre Paͤſſe wurden endlich unter¬
ſchrieben. Wir fuhren fort. Verſchiedene Wiederholung derſelben
Scene unterwegs. Wir kamen gluͤcklich nach Boulogne. Wir
flogen im Sturm uͤber's Meer. Wir ſchliefen die zweite Nacht
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/51>, abgerufen am 25.11.2024.
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