stürmten auf meine Seele los, und die Freude, diesen Mann retten zu können, der so schön, so edel und ruhig vor mir stand, und der süße Gedanke, dieser Frau die Ruhe wiedergeben zu können, die sie für ihren Freund verlor, und die sie für sich selbst nicht verloren haben würde, und die Genugthuung des unbe¬ schränkten Vertrauens, welches man in dieser kitzlichen Sache auf mich setzte, -- dies alles, dem ich nichts als die augenschein¬ liche Gefahr meines eignen Kopfes entgegenzusetzen wußte, wirkte so mächtig auf mich, daß die erste Idee der Möglichkeit sehr bald zur Festigkeit des Entschlusses reifte! -- Die Sache ein¬ mal unternommen, wurde auf ihre Ausführung durch ruhige und überlegte Maßregeln hingearbeitet; ich hatte, was mir niemals gefehlt hat, Freunde, auf die ich zählen konnte, Deutsche über¬ dies, also Leute von kaltem Blut und Courage; Glück, Gegen¬ wart des Geistes und Muth ließen uns manche Gefahren über¬ winden, wir kamen glücklich nach Boulogne, während man vor uns und hinter uns andere Flüchtlinge arretirte; wir flogen im Sturm über die See, und liefen wohlbehalten am 20. August abends um 6 Uhr in dem Hafen von Dover ein. -- Wir setzten hernach unsere Reise weiter fort bis hieher, wo wir uns bei der Madame de la Chatre, einer sehr liebenswürdigen Französin, logirten. Kaum hatten wir uns von der Reise ein bischen er¬ holt, so bekam unsre freundliche Wirthin die traurige Nachricht von der Arrestation verschiedener Personen in Paris, die sie sehr nahe angingen, und die sehr liebte. Von Natur sehr zart und empfindlich, fiel sie bei Lesung des Briefes in fürchterliche Krämpfe, die sich von Stunde zu Stunde erneuerten; und das ging zwei Tage lang so fort. Nach und nach kam Hoffnung und Ruhe wieder; glücklicherweise waren die Freunde der Madame de la Chatre am Abend vor der Ermordung der Gefangenen aus der Abbaye entkommen; man erwartet sie jetzt mit noch verschiednen
ſtuͤrmten auf meine Seele los, und die Freude, dieſen Mann retten zu koͤnnen, der ſo ſchoͤn, ſo edel und ruhig vor mir ſtand, und der ſuͤße Gedanke, dieſer Frau die Ruhe wiedergeben zu koͤnnen, die ſie fuͤr ihren Freund verlor, und die ſie fuͤr ſich ſelbſt nicht verloren haben wuͤrde, und die Genugthuung des unbe¬ ſchraͤnkten Vertrauens, welches man in dieſer kitzlichen Sache auf mich ſetzte, — dies alles, dem ich nichts als die augenſchein¬ liche Gefahr meines eignen Kopfes entgegenzuſetzen wußte, wirkte ſo maͤchtig auf mich, daß die erſte Idee der Moͤglichkeit ſehr bald zur Feſtigkeit des Entſchluſſes reifte! — Die Sache ein¬ mal unternommen, wurde auf ihre Ausfuͤhrung durch ruhige und uͤberlegte Maßregeln hingearbeitet; ich hatte, was mir niemals gefehlt hat, Freunde, auf die ich zaͤhlen konnte, Deutſche uͤber¬ dies, alſo Leute von kaltem Blut und Courage; Gluͤck, Gegen¬ wart des Geiſtes und Muth ließen uns manche Gefahren uͤber¬ winden, wir kamen gluͤcklich nach Boulogne, waͤhrend man vor uns und hinter uns andere Fluͤchtlinge arretirte; wir flogen im Sturm uͤber die See, und liefen wohlbehalten am 20. Auguſt abends um 6 Uhr in dem Hafen von Dover ein. — Wir ſetzten hernach unſere Reiſe weiter fort bis hieher, wo wir uns bei der Madame de la Châtre, einer ſehr liebenswuͤrdigen Franzoͤſin, logirten. Kaum hatten wir uns von der Reiſe ein bischen er¬ holt, ſo bekam unſre freundliche Wirthin die traurige Nachricht von der Arreſtation verſchiedener Perſonen in Paris, die ſie ſehr nahe angingen, und die ſehr liebte. Von Natur ſehr zart und empfindlich, fiel ſie bei Leſung des Briefes in fuͤrchterliche Kraͤmpfe, die ſich von Stunde zu Stunde erneuerten; und das ging zwei Tage lang ſo fort. Nach und nach kam Hoffnung und Ruhe wieder; gluͤcklicherweiſe waren die Freunde der Madame de la Châtre am Abend vor der Ermordung der Gefangenen aus der Abbaye entkommen; man erwartet ſie jetzt mit noch verſchiednen
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ſtuͤrmten auf meine Seele los, und die Freude, dieſen Mann
retten zu koͤnnen, der ſo ſchoͤn, ſo edel und ruhig vor mir ſtand,
und der ſuͤße Gedanke, dieſer Frau die Ruhe wiedergeben zu
koͤnnen, die ſie fuͤr ihren Freund verlor, und die ſie fuͤr ſich ſelbſt
nicht verloren haben wuͤrde, und die Genugthuung des unbe¬
ſchraͤnkten Vertrauens, welches man in dieſer kitzlichen Sache
auf mich ſetzte, — dies alles, dem ich nichts als die augenſchein¬
liche Gefahr meines eignen Kopfes entgegenzuſetzen wußte, wirkte
ſo maͤchtig auf mich, daß die erſte Idee der Moͤglichkeit ſehr
bald zur Feſtigkeit des Entſchluſſes reifte! — Die Sache ein¬
mal unternommen, wurde auf ihre Ausfuͤhrung durch ruhige und
uͤberlegte Maßregeln hingearbeitet; ich hatte, was mir niemals
gefehlt hat, Freunde, auf die ich zaͤhlen konnte, Deutſche uͤber¬
dies, alſo Leute von kaltem Blut und Courage; Gluͤck, Gegen¬
wart des Geiſtes und Muth ließen uns manche Gefahren uͤber¬
winden, wir kamen gluͤcklich nach Boulogne, waͤhrend man vor
uns und hinter uns andere Fluͤchtlinge arretirte; wir flogen im
Sturm uͤber die See, und liefen wohlbehalten am 20. Auguſt
abends um 6 Uhr in dem Hafen von Dover ein. — Wir ſetzten
hernach unſere Reiſe weiter fort bis hieher, wo wir uns bei der
Madame de la Châtre, einer ſehr liebenswuͤrdigen Franzoͤſin,
logirten. Kaum hatten wir uns von der Reiſe ein bischen er¬
holt, ſo bekam unſre freundliche Wirthin die traurige Nachricht
von der Arreſtation verſchiedener Perſonen in Paris, die ſie ſehr
nahe angingen, und die ſehr liebte. Von Natur ſehr zart und
empfindlich, fiel ſie bei Leſung des Briefes in fuͤrchterliche Kraͤmpfe,
die ſich von Stunde zu Stunde erneuerten; und das ging zwei
Tage lang ſo fort. Nach und nach kam Hoffnung und Ruhe
wieder; gluͤcklicherweiſe waren die Freunde der Madame de la
Châtre am Abend vor der Ermordung der Gefangenen aus der
Abbaye entkommen; man erwartet ſie jetzt mit noch verſchiednen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/41>, abgerufen am 24.11.2024.
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