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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.

An der Schleimhaut des Darmkanales nimmt vor Allem die
Gestaltung ihrer Oberfläche, besonders in den dünnen Gedärmen,
unsere Aufmerksamkeit und unser Interesse in Anspruch. Bekannt-
lich nennt man die Produktionen der Schleimhaut des duodenum
sowohl, als der dünnen Gedärme, Darmzotten. Diese zierlichen
Gebilde haben in dem erwachsenen Menschen sowohl, als in
den verschiedenen Thieren, die berühmtesten Forscher, wie Lie-
berkühn, R. Hedwig, Rudolphi, J. Fr. und Alb. Meckel, Bleuland,
Döllinger, Seiler, Joh. Müller, E. H. Weber, Retzius u. A. ver-
folgt. Ueber ihre Entwickelung in dem Menschen hatte J. Fr.
Meckel (Arch. III. S. 68--70.) Untersuchungen angestellt, deren
Resultate kürzlich folgende waren. Sie erscheinen zu Anfange
des dritten Monates in ihren ersten Spuren als dicht neben ein-
ander stehende Längenfalten, welche kaum an ihrem freien Rande
eingekerbt sind. Die Zahl der Einschnitte vermehrt sich nun
immer mehr; sie dringen mehr in die Tiefe. Die Zotten entste-
hen also durch allmählig geschehende Einkerbung und dadurch
bewirkte Zerfällung von einfachen Längenfalten. -- Bis zum sie-
benten Monate finden sie sich nicht blos in den dünnen, sondern
auch in den dicken Gedärmen. Hier sind sie aber schon in dem
dritten Monate niedriger jedoch noch sehr zahlreich. Im vierten
ist ihre Grösse, Anzahl, Höhe und Dicke geringer geworden.
Dieses nimmt nun immer mehr zu, bis im achten Monate nur
niedrige, flach eingeschnittene Längenfalten sich finden. -- Ich
habe es mir angelegen seyn lassen, die Entstehung so schöner
und wichtiger Gebilde, als die Darmzotten sind, genau zu ver-
folgen und glaube daher über ihre Genese einige nicht ganz un-
interessante Zusätze anführen zu können. Schon Meckel hatte
bemerkt, dass die Schleimhaut des Darmkanales in früher Zeit
des Embryonallebens verhältnissmässig bedeutend dicker sey, als
späterhin. Diese Beobachtung lässt sich äusserst leicht bestätigen,
und so fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, bei einem 1
Zoll langen Schweinefötus das Verhältniss der Dicke der Schleim-
haut zu der des inneren Darmrohres im Dünndarme, wie 1 : 7
(s. unten die micrometrischen Messungen). Schon um diese Zeit
lassen sich zwei Lagen an der Schleimhaut des Darmrohres un-
terscheiden, eine obere dickere und eine untere dünnere Lage.
Die Dicke der ganzen inneren Schleimhaut ist aber so bedeutend,
dass dadurch ein nur verhältnissmässig kleiner Raum für die ganze

Von dem Embryo.

An der Schleimhaut des Darmkanales nimmt vor Allem die
Gestaltung ihrer Oberfläche, besonders in den dünnen Gedärmen,
unsere Aufmerksamkeit und unser Interesse in Anspruch. Bekannt-
lich nennt man die Produktionen der Schleimhaut des duodenum
sowohl, als der dünnen Gedärme, Darmzotten. Diese zierlichen
Gebilde haben in dem erwachsenen Menschen sowohl, als in
den verschiedenen Thieren, die berühmtesten Forscher, wie Lie-
berkühn, R. Hedwig, Rudolphi, J. Fr. und Alb. Meckel, Bleuland,
Döllinger, Seiler, Joh. Müller, E. H. Weber, Retzius u. A. ver-
folgt. Ueber ihre Entwickelung in dem Menschen hatte J. Fr.
Meckel (Arch. III. S. 68—70.) Untersuchungen angestellt, deren
Resultate kürzlich folgende waren. Sie erscheinen zu Anfange
des dritten Monates in ihren ersten Spuren als dicht neben ein-
ander stehende Längenfalten, welche kaum an ihrem freien Rande
eingekerbt sind. Die Zahl der Einschnitte vermehrt sich nun
immer mehr; sie dringen mehr in die Tiefe. Die Zotten entste-
hen also durch allmählig geschehende Einkerbung und dadurch
bewirkte Zerfällung von einfachen Längenfalten. — Bis zum sie-
benten Monate finden sie sich nicht blos in den dünnen, sondern
auch in den dicken Gedärmen. Hier sind sie aber schon in dem
dritten Monate niedriger jedoch noch sehr zahlreich. Im vierten
ist ihre Gröſse, Anzahl, Höhe und Dicke geringer geworden.
Dieses nimmt nun immer mehr zu, bis im achten Monate nur
niedrige, flach eingeschnittene Längenfalten sich finden. — Ich
habe es mir angelegen seyn lassen, die Entstehung so schöner
und wichtiger Gebilde, als die Darmzotten sind, genau zu ver-
folgen und glaube daher über ihre Genese einige nicht ganz un-
interessante Zusätze anführen zu können. Schon Meckel hatte
bemerkt, daſs die Schleimhaut des Darmkanales in früher Zeit
des Embryonallebens verhältniſsmäſsig bedeutend dicker sey, als
späterhin. Diese Beobachtung läſst sich äuſserst leicht bestätigen,
und so fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, bei einem 1
Zoll langen Schweinefötus das Verhältniſs der Dicke der Schleim-
haut zu der des inneren Darmrohres im Dünndarme, wie 1 : 7
(s. unten die micrometrischen Messungen). Schon um diese Zeit
lassen sich zwei Lagen an der Schleimhaut des Darmrohres un-
terscheiden, eine obere dickere und eine untere dünnere Lage.
Die Dicke der ganzen inneren Schleimhaut ist aber so bedeutend,
daſs dadurch ein nur verhältniſsmäſsig kleiner Raum für die ganze

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[460/0488] Von dem Embryo. An der Schleimhaut des Darmkanales nimmt vor Allem die Gestaltung ihrer Oberfläche, besonders in den dünnen Gedärmen, unsere Aufmerksamkeit und unser Interesse in Anspruch. Bekannt- lich nennt man die Produktionen der Schleimhaut des duodenum sowohl, als der dünnen Gedärme, Darmzotten. Diese zierlichen Gebilde haben in dem erwachsenen Menschen sowohl, als in den verschiedenen Thieren, die berühmtesten Forscher, wie Lie- berkühn, R. Hedwig, Rudolphi, J. Fr. und Alb. Meckel, Bleuland, Döllinger, Seiler, Joh. Müller, E. H. Weber, Retzius u. A. ver- folgt. Ueber ihre Entwickelung in dem Menschen hatte J. Fr. Meckel (Arch. III. S. 68—70.) Untersuchungen angestellt, deren Resultate kürzlich folgende waren. Sie erscheinen zu Anfange des dritten Monates in ihren ersten Spuren als dicht neben ein- ander stehende Längenfalten, welche kaum an ihrem freien Rande eingekerbt sind. Die Zahl der Einschnitte vermehrt sich nun immer mehr; sie dringen mehr in die Tiefe. Die Zotten entste- hen also durch allmählig geschehende Einkerbung und dadurch bewirkte Zerfällung von einfachen Längenfalten. — Bis zum sie- benten Monate finden sie sich nicht blos in den dünnen, sondern auch in den dicken Gedärmen. Hier sind sie aber schon in dem dritten Monate niedriger jedoch noch sehr zahlreich. Im vierten ist ihre Gröſse, Anzahl, Höhe und Dicke geringer geworden. Dieses nimmt nun immer mehr zu, bis im achten Monate nur niedrige, flach eingeschnittene Längenfalten sich finden. — Ich habe es mir angelegen seyn lassen, die Entstehung so schöner und wichtiger Gebilde, als die Darmzotten sind, genau zu ver- folgen und glaube daher über ihre Genese einige nicht ganz un- interessante Zusätze anführen zu können. Schon Meckel hatte bemerkt, daſs die Schleimhaut des Darmkanales in früher Zeit des Embryonallebens verhältniſsmäſsig bedeutend dicker sey, als späterhin. Diese Beobachtung läſst sich äuſserst leicht bestätigen, und so fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, bei einem 1 Zoll langen Schweinefötus das Verhältniſs der Dicke der Schleim- haut zu der des inneren Darmrohres im Dünndarme, wie 1 : 7 (s. unten die micrometrischen Messungen). Schon um diese Zeit lassen sich zwei Lagen an der Schleimhaut des Darmrohres un- terscheiden, eine obere dickere und eine untere dünnere Lage. Die Dicke der ganzen inneren Schleimhaut ist aber so bedeutend, daſs dadurch ein nur verhältniſsmäſsig kleiner Raum für die ganze

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/488>, abgerufen am 23.11.2024.