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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
also auf diese Weise zwar die Existenz des Eichens der Säuge-
thiere innerhalb des Eierstockes über allen Zweifel erhoben; allein
die Analogie mit dem Vogel fehlte noch gänzlich oder musste
durch Raisonnement ersetzt werden. Seiler (die Gebärmutter
und das Ei des Menschen 1832. Fol. p. 36.) bestätigte das von
Bär Gesehene, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Coste
und Delpech, welche in neuester Zeit über die erste Entwickelung
der Thiere geschrieben haben, liessen sich zwar durch ungenü-
gende Theoreme zu manchen Irrthümern verleiten, haben jedoch
das entschiedene Verdienst, die vollkommene Analogie des Säuge-
thiereies mit dem Vogeleie bestimmt ausgesprochen zu haben.
Wiewohl sie über das Keimbläschen, wie wir weiter unten noch
ausführlich zeigen werden, ganz falsche Begriffe haben, so behaup-
ten sie doch in dem unbefruchteten Eie des Kaninchens an der
Oberfläche des Dotters und in der Dicke der Keimhaut selbst ein
kleines Bläschen von solcher Dünne und Durchsichtigkeit ent-
deckt zu haben, dass es einem Seifenbläschen völlig ähnlich sah
(Froriep's Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 243.). Dieses sey
das wahre in dem Eie des Kaninchens enthaltene Keimbläschen.
Dieses merkwürdige Resultat bewog mich selbst, von Neuem über
das schon gekannte Ei des Folliculus Untersuchungen anzustel-
len. Ich war so glücklich, das Keimbläschen in allen Säugethie-
ren aufzufinden und mich über die Verhältnisse desselben so-
wohl zu dem Eichen als dem Folliculus der Säugethiere vollstän-
dig zu belehren. Meine hierüber gemachten Erfahrungen nebst
den dazu gehörenden Abbildungen sind in der Schrift von Bern-
hardt symbolae ad ovi mammalium historiam ante praegnatio-
nem. Wratisl
. 1834. 4. enthalten. Eine kurze Auseinandersetzung
des hierher Gehörenden dürfte an der rechten Stelle seyn, beson-
ders da ich nur nach eigenen, möglichst vorurtheilsfreien Erfah-
rungen berichte.

In dem Eierstocke jeden Säugethieres finden sich eine grö-
ssere oder geringere Menge runder heller Bläschen, die sogenann-
ten Folliculi Graafiani, deren grösster Theil gegen die Oberfläche
des Organes hin gelagert ist. Ihre Grösse ist sowohl in den ver-
schiedenen Thieren, als in demselben Eierstocke desselben Thieres
sehr verschieden, da die älteren bald nur 4--5 Mal, wie in Ka-
ninchen, Hunden, Katzen, bald 8--10 Mal wie in dem Menschen,
bald 10--20 Mal wie in den Wiederkäuern, bald 30--50 Mal

I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.
also auf diese Weise zwar die Existenz des Eichens der Säuge-
thiere innerhalb des Eierstockes über allen Zweifel erhoben; allein
die Analogie mit dem Vogel fehlte noch gänzlich oder muſste
durch Raisonnement ersetzt werden. Seiler (die Gebärmutter
und das Ei des Menschen 1832. Fol. p. 36.) bestätigte das von
Bär Gesehene, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Coste
und Delpech, welche in neuester Zeit über die erste Entwickelung
der Thiere geschrieben haben, lieſsen sich zwar durch ungenü-
gende Theoreme zu manchen Irrthümern verleiten, haben jedoch
das entschiedene Verdienst, die vollkommene Analogie des Säuge-
thiereies mit dem Vogeleie bestimmt ausgesprochen zu haben.
Wiewohl sie über das Keimbläschen, wie wir weiter unten noch
ausführlich zeigen werden, ganz falsche Begriffe haben, so behaup-
ten sie doch in dem unbefruchteten Eie des Kaninchens an der
Oberfläche des Dotters und in der Dicke der Keimhaut selbst ein
kleines Bläschen von solcher Dünne und Durchsichtigkeit ent-
deckt zu haben, daſs es einem Seifenbläschen völlig ähnlich sah
(Froriep’s Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 243.). Dieses sey
das wahre in dem Eie des Kaninchens enthaltene Keimbläschen.
Dieses merkwürdige Resultat bewog mich selbst, von Neuem über
das schon gekannte Ei des Folliculus Untersuchungen anzustel-
len. Ich war so glücklich, das Keimbläschen in allen Säugethie-
ren aufzufinden und mich über die Verhältnisse desselben so-
wohl zu dem Eichen als dem Folliculus der Säugethiere vollstän-
dig zu belehren. Meine hierüber gemachten Erfahrungen nebst
den dazu gehörenden Abbildungen sind in der Schrift von Bern-
hardt symbolae ad ovi mammalium historiam ante praegnatio-
nem. Wratisl
. 1834. 4. enthalten. Eine kurze Auseinandersetzung
des hierher Gehörenden dürfte an der rechten Stelle seyn, beson-
ders da ich nur nach eigenen, möglichst vorurtheilsfreien Erfah-
rungen berichte.

In dem Eierstocke jeden Säugethieres finden sich eine grö-
ſsere oder geringere Menge runder heller Bläschen, die sogenann-
ten Folliculi Graafiani, deren gröſster Theil gegen die Oberfläche
des Organes hin gelagert ist. Ihre Gröſse ist sowohl in den ver-
schiedenen Thieren, als in demselben Eierstocke desselben Thieres
sehr verschieden, da die älteren bald nur 4—5 Mal, wie in Ka-
ninchen, Hunden, Katzen, bald 8—10 Mal wie in dem Menschen,
bald 10—20 Mal wie in den Wiederkäuern, bald 30—50 Mal

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[41[14]/0042] I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. also auf diese Weise zwar die Existenz des Eichens der Säuge- thiere innerhalb des Eierstockes über allen Zweifel erhoben; allein die Analogie mit dem Vogel fehlte noch gänzlich oder muſste durch Raisonnement ersetzt werden. Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol. p. 36.) bestätigte das von Bär Gesehene, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Coste und Delpech, welche in neuester Zeit über die erste Entwickelung der Thiere geschrieben haben, lieſsen sich zwar durch ungenü- gende Theoreme zu manchen Irrthümern verleiten, haben jedoch das entschiedene Verdienst, die vollkommene Analogie des Säuge- thiereies mit dem Vogeleie bestimmt ausgesprochen zu haben. Wiewohl sie über das Keimbläschen, wie wir weiter unten noch ausführlich zeigen werden, ganz falsche Begriffe haben, so behaup- ten sie doch in dem unbefruchteten Eie des Kaninchens an der Oberfläche des Dotters und in der Dicke der Keimhaut selbst ein kleines Bläschen von solcher Dünne und Durchsichtigkeit ent- deckt zu haben, daſs es einem Seifenbläschen völlig ähnlich sah (Froriep’s Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 243.). Dieses sey das wahre in dem Eie des Kaninchens enthaltene Keimbläschen. Dieses merkwürdige Resultat bewog mich selbst, von Neuem über das schon gekannte Ei des Folliculus Untersuchungen anzustel- len. Ich war so glücklich, das Keimbläschen in allen Säugethie- ren aufzufinden und mich über die Verhältnisse desselben so- wohl zu dem Eichen als dem Folliculus der Säugethiere vollstän- dig zu belehren. Meine hierüber gemachten Erfahrungen nebst den dazu gehörenden Abbildungen sind in der Schrift von Bern- hardt symbolae ad ovi mammalium historiam ante praegnatio- nem. Wratisl. 1834. 4. enthalten. Eine kurze Auseinandersetzung des hierher Gehörenden dürfte an der rechten Stelle seyn, beson- ders da ich nur nach eigenen, möglichst vorurtheilsfreien Erfah- rungen berichte. In dem Eierstocke jeden Säugethieres finden sich eine grö- ſsere oder geringere Menge runder heller Bläschen, die sogenann- ten Folliculi Graafiani, deren gröſster Theil gegen die Oberfläche des Organes hin gelagert ist. Ihre Gröſse ist sowohl in den ver- schiedenen Thieren, als in demselben Eierstocke desselben Thieres sehr verschieden, da die älteren bald nur 4—5 Mal, wie in Ka- ninchen, Hunden, Katzen, bald 8—10 Mal wie in dem Menschen, bald 10—20 Mal wie in den Wiederkäuern, bald 30—50 Mal

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 41[14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/42>, abgerufen am 23.04.2024.