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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Ei der Säugethiere.
Aeusserung desselben Schriftstellers auf das wahre Verhältniss des
Eies der Säugethiere zu dem Folliculus hindeuten, wo es heisst
(l. c. p. 399.): "In altero (sc. ovario cuniculi) quattuor immuta-
tos folliculos reperimus, quibus dissectis materiam quasi glandu-
losam offendimus, in cujus medio exigua cavitas erat, in qua,
quum nullum notabilem liquorem comperiremus, suspicari coe-
pimus, num limpida eorum substantia, quae propriis membra-
nis obvolvitur, disrupta vel expulsa foret
." -- Wenn aus die-
sen Worten noch nicht mit aller Gewissheit erhellt, dass nach Reg-
ner de Graafs Ueberzeugung das Eichen in dem Folliculus schon in
rundlicher Form und mit einer eigenthümlichen Membran versehen
existire, so kann man dieses aus einer anderen Aeusserung (l. c.
p. 410.) leicht ersehen. Man bemerkt aber zugleich, dass er, da
ihm das wahre Eichen unbekannt war und er die innere Haut
des Folliculus nebst dessen Inhalt für dasselbe hielt, anderseits
aber die ungemeine Kleinheit der Eier in den Tuben genau kannte,
zu der Annahme kam, das Eichen der Säugethiere verkleinere
sich nach der Conception auf Kosten der übrigen Masse des Fol-
liculus, welche später in den gelben Körper übergehe; denn das
zweite aus seinen Beobachtungen erschlossene allgemeine Resul-
tat (l. c. p. 410.) ist: Quod ova intra spatium duorum vel trium
dierum ad magnitudinem cerasi nigri majoris non excrescant
quoniam illa masculino semine irrorata, per tres dies in cu-
niculis et in aliis animalibus, quae diutius uterum gerunt, per
aliquot septimanas in testibus immorentur, in iisque sensim
magis et magis diminuantur, donec decuplo quam ante coitum
minora per crassiusculam eorum membranem expellantur et ab
oviductibus excepta ad uterum deducantur
." -- Um es also kurz
zusammenzufassen, so scheint Graafs Fundamentalansicht die zu seyn,
dass das in dem Folliculus enthaltene Eichen zuerst sehr gross sey
und der inneren Haut des Folliculus dicht anliege; während der zwi-
schen dem Momente der Conception und dem Austritte des Eichens
aus dem Eierstocke fallenden Zeit aber bedeutend an Grösse ver-
liere. Wie aus dem Folgenden von selbst sich ergeben wird, hat also Gr.
nicht sowohl das wahre Eichen der Säugethiere in dem unbefruchteten
Zustande innerhalb des Ovarium gekannt, als aus seinem befruch-
teten Zustande erschlossen. Es wurde von ihm das flüssige Con-
tentum des Folliculus für das Ovulum gehalten. Da vor der Bil-
dung der Corpora lutea statt der Flüssigkeit ein fester Stoff in

Ei der Säugethiere.
Aeuſserung desselben Schriftstellers auf das wahre Verhältniſs des
Eies der Säugethiere zu dem Folliculus hindeuten, wo es heiſst
(l. c. p. 399.): „In altero (sc. ovario cuniculi) quattuor immuta-
tos folliculos reperimus, quibus dissectis materiam quasi glandu-
losam offendimus, in cujus medio exigua cavitas erat, in qua,
quum nullum notabilem liquorem comperiremus, suspicari coe-
pimus, num limpida eorum substantia, quae propriis membra-
nis obvolvitur, disrupta vel expulsa foret
.“ — Wenn aus die-
sen Worten noch nicht mit aller Gewiſsheit erhellt, daſs nach Reg-
ner de Graafs Ueberzeugung das Eichen in dem Folliculus schon in
rundlicher Form und mit einer eigenthümlichen Membran versehen
existire, so kann man dieses aus einer anderen Aeuſserung (l. c.
p. 410.) leicht ersehen. Man bemerkt aber zugleich, daſs er, da
ihm das wahre Eichen unbekannt war und er die innere Haut
des Folliculus nebst dessen Inhalt für dasselbe hielt, anderseits
aber die ungemeine Kleinheit der Eier in den Tuben genau kannte,
zu der Annahme kam, das Eichen der Säugethiere verkleinere
sich nach der Conception auf Kosten der übrigen Masse des Fol-
liculus, welche später in den gelben Körper übergehe; denn das
zweite aus seinen Beobachtungen erschlossene allgemeine Resul-
tat (l. c. p. 410.) ist: Quod ova intra spatium duorum vel trium
dierum ad magnitudinem cerasi nigri majoris non excrescant
quoniam illa masculino semine irrorata, per tres dies in cu-
niculis et in aliis animalibus, quae diutius uterum gerunt, per
aliquot septimanas in testibus immorentur, in iisque sensim
magis et magis diminuantur, donec decuplo quam ante coitum
minora per crassiusculam eorum membranem expellantur et ab
oviductibus excepta ad uterum deducantur
.“ — Um es also kurz
zusammenzufassen, so scheint Graafs Fundamentalansicht die zu seyn,
daſs das in dem Folliculus enthaltene Eichen zuerst sehr groſs sey
und der inneren Haut des Folliculus dicht anliege; während der zwi-
schen dem Momente der Conception und dem Austritte des Eichens
aus dem Eierstocke fallenden Zeit aber bedeutend an Gröſse ver-
liere. Wie aus dem Folgenden von selbst sich ergeben wird, hat also Gr.
nicht sowohl das wahre Eichen der Säugethiere in dem unbefruchteten
Zustande innerhalb des Ovarium gekannt, als aus seinem befruch-
teten Zustande erschlossen. Es wurde von ihm das flüssige Con-
tentum des Folliculus für das Ovulum gehalten. Da vor der Bil-
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[11/0039] Ei der Säugethiere. Aeuſserung desselben Schriftstellers auf das wahre Verhältniſs des Eies der Säugethiere zu dem Folliculus hindeuten, wo es heiſst (l. c. p. 399.): „In altero (sc. ovario cuniculi) quattuor immuta- tos folliculos reperimus, quibus dissectis materiam quasi glandu- losam offendimus, in cujus medio exigua cavitas erat, in qua, quum nullum notabilem liquorem comperiremus, suspicari coe- pimus, num limpida eorum substantia, quae propriis membra- nis obvolvitur, disrupta vel expulsa foret.“ — Wenn aus die- sen Worten noch nicht mit aller Gewiſsheit erhellt, daſs nach Reg- ner de Graafs Ueberzeugung das Eichen in dem Folliculus schon in rundlicher Form und mit einer eigenthümlichen Membran versehen existire, so kann man dieses aus einer anderen Aeuſserung (l. c. p. 410.) leicht ersehen. Man bemerkt aber zugleich, daſs er, da ihm das wahre Eichen unbekannt war und er die innere Haut des Folliculus nebst dessen Inhalt für dasselbe hielt, anderseits aber die ungemeine Kleinheit der Eier in den Tuben genau kannte, zu der Annahme kam, das Eichen der Säugethiere verkleinere sich nach der Conception auf Kosten der übrigen Masse des Fol- liculus, welche später in den gelben Körper übergehe; denn das zweite aus seinen Beobachtungen erschlossene allgemeine Resul- tat (l. c. p. 410.) ist: Quod ova intra spatium duorum vel trium dierum ad magnitudinem cerasi nigri majoris non excrescant quoniam illa masculino semine irrorata, per tres dies in cu- niculis et in aliis animalibus, quae diutius uterum gerunt, per aliquot septimanas in testibus immorentur, in iisque sensim magis et magis diminuantur, donec decuplo quam ante coitum minora per crassiusculam eorum membranem expellantur et ab oviductibus excepta ad uterum deducantur.“ — Um es also kurz zusammenzufassen, so scheint Graafs Fundamentalansicht die zu seyn, daſs das in dem Folliculus enthaltene Eichen zuerst sehr groſs sey und der inneren Haut des Folliculus dicht anliege; während der zwi- schen dem Momente der Conception und dem Austritte des Eichens aus dem Eierstocke fallenden Zeit aber bedeutend an Gröſse ver- liere. Wie aus dem Folgenden von selbst sich ergeben wird, hat also Gr. nicht sowohl das wahre Eichen der Säugethiere in dem unbefruchteten Zustande innerhalb des Ovarium gekannt, als aus seinem befruch- teten Zustande erschlossen. Es wurde von ihm das flüssige Con- tentum des Folliculus für das Ovulum gehalten. Da vor der Bil- dung der Corpora lutea statt der Flüssigkeit ein fester Stoff in

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/39>, abgerufen am 28.03.2024.