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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Extremitätengürtel.
ausfüllt, so dass äusserlich keine Spur der Theilung der unteren
Schicht in zwei röhrige Gebilde sichtbar und dieselbe erst bei
Querdurchschnitten kenntlich ist. Für die Bildung der Extremi-
täten ist diese Masse der Urstoff, welcher noch durch die ganze
Länge des Körpers sich erstreckt und in seiner Entwickelung
und Ausbildung bei Wirbellosen und Wirbelthieren verschieden ist.
Bei den ersteren umschliesst er einfach röhrig, wie der Typus der
Entwickelung der niederen Thiere überhaupt ist, die beiden ande-
ren Blätter der Keimhaut und kerbt sich zur Extremitäten- und Kie-
ferbildung an bestimmten Stellen ein, wie dies aus den Erfahrungen
von Herold, Rathke u. A. sich ergeben hat. Bei den Wirbel-
thieren concentrirt sich bald der Stoffansatz an dem oberen Ende
der Brust und dem unteren Ende des Unterleibes oder der Ba-
sis der Nacken- und der Spitze der Sakralkrümmung. Hierdurch
entstehen an den genannten Stellen kleine Leisten, welche den
sie umgebenden Theil des äussersten Rohres als ihre Haut vor
sich hertreiben. Die zwischen jeder oberen und unteren Extre-
milät einer Seite liegende Schicht bleibt in ihrer Entwickelung
zurück und wird wahrscheinlich zu den noch unten näher zu
bezeichnenden muskulösen und sehnigten Gebilden. Die erste
Spur der Extremitäten als schmaler Leistchen kann man bei dem
Hühnerembryo leicht beobachten, nach v. Bärs (üb. Entwgesch.
S. 63. 6. Burdach S. 293.) Zeitbestimmung in der zweiten Hälfte
des zweiten Tages. Man muss dann den unter der Haut noch
verborgen liegenden Theil als Rumpfglied deuten, während der
über dieselbe hervorragende Theil Endglied genannt wird. Diese
Bildungsperiode ist bei den Säugethieren ebenfalls schon vielfach
beobachtet, bei dem Menschen dagegen noch nicht in einer Zeich-
nung dargestellt worden. Sie fällt wahrscheinlich in die vierte
bis fünfte Woche. Bald darauf verlängert sich der hervorstehende
Theil, wird an seinem äusseren Ende breiter und kolbiger, wäh-
rend auch die bisher unter der Haut verborgene Extremitätenab-
theilung ebenfalls mehr hervortritt. So ist schon dann äusserlich
ein Unterschied zwischen dem Engliede (Hand und Fuss) und
Rumpfgliede (Oberarm und Oberschenkel) wahrzunehmen. Mit-
telglieder (Vorderarm und Unterschenkel) fehlen noch ganz, wie
wir dieses auch bei der Entwickelung der Thierreihe zu sehen
Gelegenheit haben. (Vgl. Heusinger erster Bericht von der zoo-
tomischen Anstalt zu Würzburg 1826. 4. S. 20 fgg. und v. Bär

Extremitätengürtel.
ausfüllt, so daſs äuſserlich keine Spur der Theilung der unteren
Schicht in zwei röhrige Gebilde sichtbar und dieselbe erst bei
Querdurchschnitten kenntlich ist. Für die Bildung der Extremi-
täten ist diese Masse der Urstoff, welcher noch durch die ganze
Länge des Körpers sich erstreckt und in seiner Entwickelung
und Ausbildung bei Wirbellosen und Wirbelthieren verschieden ist.
Bei den ersteren umschlieſst er einfach röhrig, wie der Typus der
Entwickelung der niederen Thiere überhaupt ist, die beiden ande-
ren Blätter der Keimhaut und kerbt sich zur Extremitäten- und Kie-
ferbildung an bestimmten Stellen ein, wie dies aus den Erfahrungen
von Herold, Rathke u. A. sich ergeben hat. Bei den Wirbel-
thieren concentrirt sich bald der Stoffansatz an dem oberen Ende
der Brust und dem unteren Ende des Unterleibes oder der Ba-
sis der Nacken- und der Spitze der Sakralkrümmung. Hierdurch
entstehen an den genannten Stellen kleine Leisten, welche den
sie umgebenden Theil des äuſsersten Rohres als ihre Haut vor
sich hertreiben. Die zwischen jeder oberen und unteren Extre-
milät einer Seite liegende Schicht bleibt in ihrer Entwickelung
zurück und wird wahrscheinlich zu den noch unten näher zu
bezeichnenden muskulösen und sehnigten Gebilden. Die erste
Spur der Extremitäten als schmaler Leistchen kann man bei dem
Hühnerembryo leicht beobachten, nach v. Bärs (üb. Entwgesch.
S. 63. 6. Burdach S. 293.) Zeitbestimmung in der zweiten Hälfte
des zweiten Tages. Man muſs dann den unter der Haut noch
verborgen liegenden Theil als Rumpfglied deuten, während der
über dieselbe hervorragende Theil Endglied genannt wird. Diese
Bildungsperiode ist bei den Säugethieren ebenfalls schon vielfach
beobachtet, bei dem Menschen dagegen noch nicht in einer Zeich-
nung dargestellt worden. Sie fällt wahrscheinlich in die vierte
bis fünfte Woche. Bald darauf verlängert sich der hervorstehende
Theil, wird an seinem äuſseren Ende breiter und kolbiger, wäh-
rend auch die bisher unter der Haut verborgene Extremitätenab-
theilung ebenfalls mehr hervortritt. So ist schon dann äuſserlich
ein Unterschied zwischen dem Engliede (Hand und Fuſs) und
Rumpfgliede (Oberarm und Oberschenkel) wahrzunehmen. Mit-
telglieder (Vorderarm und Unterschenkel) fehlen noch ganz, wie
wir dieses auch bei der Entwickelung der Thierreihe zu sehen
Gelegenheit haben. (Vgl. Heusinger erster Bericht von der zoo-
tomischen Anstalt zu Würzburg 1826. 4. S. 20 fgg. und v. Bär

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[245/0273] Extremitätengürtel. ausfüllt, so daſs äuſserlich keine Spur der Theilung der unteren Schicht in zwei röhrige Gebilde sichtbar und dieselbe erst bei Querdurchschnitten kenntlich ist. Für die Bildung der Extremi- täten ist diese Masse der Urstoff, welcher noch durch die ganze Länge des Körpers sich erstreckt und in seiner Entwickelung und Ausbildung bei Wirbellosen und Wirbelthieren verschieden ist. Bei den ersteren umschlieſst er einfach röhrig, wie der Typus der Entwickelung der niederen Thiere überhaupt ist, die beiden ande- ren Blätter der Keimhaut und kerbt sich zur Extremitäten- und Kie- ferbildung an bestimmten Stellen ein, wie dies aus den Erfahrungen von Herold, Rathke u. A. sich ergeben hat. Bei den Wirbel- thieren concentrirt sich bald der Stoffansatz an dem oberen Ende der Brust und dem unteren Ende des Unterleibes oder der Ba- sis der Nacken- und der Spitze der Sakralkrümmung. Hierdurch entstehen an den genannten Stellen kleine Leisten, welche den sie umgebenden Theil des äuſsersten Rohres als ihre Haut vor sich hertreiben. Die zwischen jeder oberen und unteren Extre- milät einer Seite liegende Schicht bleibt in ihrer Entwickelung zurück und wird wahrscheinlich zu den noch unten näher zu bezeichnenden muskulösen und sehnigten Gebilden. Die erste Spur der Extremitäten als schmaler Leistchen kann man bei dem Hühnerembryo leicht beobachten, nach v. Bärs (üb. Entwgesch. S. 63. 6. Burdach S. 293.) Zeitbestimmung in der zweiten Hälfte des zweiten Tages. Man muſs dann den unter der Haut noch verborgen liegenden Theil als Rumpfglied deuten, während der über dieselbe hervorragende Theil Endglied genannt wird. Diese Bildungsperiode ist bei den Säugethieren ebenfalls schon vielfach beobachtet, bei dem Menschen dagegen noch nicht in einer Zeich- nung dargestellt worden. Sie fällt wahrscheinlich in die vierte bis fünfte Woche. Bald darauf verlängert sich der hervorstehende Theil, wird an seinem äuſseren Ende breiter und kolbiger, wäh- rend auch die bisher unter der Haut verborgene Extremitätenab- theilung ebenfalls mehr hervortritt. So ist schon dann äuſserlich ein Unterschied zwischen dem Engliede (Hand und Fuſs) und Rumpfgliede (Oberarm und Oberschenkel) wahrzunehmen. Mit- telglieder (Vorderarm und Unterschenkel) fehlen noch ganz, wie wir dieses auch bei der Entwickelung der Thierreihe zu sehen Gelegenheit haben. (Vgl. Heusinger erster Bericht von der zoo- tomischen Anstalt zu Würzburg 1826. 4. S. 20 fgg. und v. Bär

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/273>, abgerufen am 09.05.2024.